TZwischen Orgie und Obstsalat: Das passiert wirklich im Swingerclub

Knapp und sexy: Wer ein Kleidungsstück im Schrank hat, dass zu gewagt für normale Anlässe sein könnte, hat das perfekt Outfit für einen Abend im Swingerclub gefunden. Foto: COLOURBOX
Gruppensex, frivole Partys und freizügige Begegnungen - ein typischer Abend im Swingerclub. Oder doch nicht? Wer sich im HS Lifestyle Club in Hude tummelt.
Hude. Die Lichter sind gedimmt, die Gäste gehen zuerst in die Umkleide, um sich umzuziehen. Ob es das kleine Schwarze oder das noch kleinere Dessous sind, steht den Frauen offen.
Männer kommen in Anzughose und Hemd, manche in „Clubwear“. Wer in Jeans kommt, darf nicht rein, und erst recht keine Jogginghosenträger.
Respekt statt Jogginghose: Swingerclub-Etikette im HS Lifestyle Club Hude
Das Outfit soll zeigen: Ich habe dem Abend gegenüber Respekt. Denn der HS Lifestyle Club in Hude will keine reine „Bumsbude“ sein, den Gästen hier geht es um viel mehr als nur um Sex.
Fünf Freunde - drei Männer und zwei Frauen - sind zusammen im Club, sie haben sich vor ein paar Jahren hier kennengelernt und feiern seitdem ihre Geburtstage, Weihnachten und Silvester zusammen. Privat, ganz ohne einen Gedanken an Sex mit dem anderen.
Mehr als Sex: Freundschaften im Swingerclub Hude
„Hier wird jeder akzeptiert, egal, wie man aussieht“, sagt Tammo. Er ist einer der fünf. Der 30-Jährige ist zusammen mit seiner Freundin Ricarda hier. Die 28-Jährige sitzt auf einem Barhocker, wirkt entspannt in ihrem hellblauen Dessous. „Jeder bleibt höflich und ein Nein bedeutet Nein, das weiß und akzeptiert hier jeder“, erklärt Tammo. „Wir gehen schon lange nicht mehr in normale Discos oder Clubs, da haben wir schlechte Erfahrungen gemacht.“ Tammos Freundin Ricarda fügt hinzu: „In jedem anderen, normalen Club muss man Angst haben, begrapscht oder belästigt zu werden, aber nicht hier.“ Klingt erst mal komisch, denn im Swingerclub geht es doch um Körperkontakt - Ricarda sieht das anders.

Schick und luxuriös: Der Flur im HS Lifestyle Club führt an Buffet und Sauna vorbei direkt zur Tanzfläche. Foto: Hendrik Lenger / Emskopp Digital
„Normalerweise gibt es in einer Beziehung Grenzen. Mit anderen Partnern sind neue und andere Grenzen gesetzt, vielleicht auch gar keine“, sagt Tammo. Mit Grenzen meint er Tabus beim Sex. „Hier im Swingerclub kann man Neues ausprobieren, sich ausleben und seinen sexuellen Horizont erweitern - man kann Dinge tun, die man zu Hause mit der eigenen Freundin nicht machen kann.“
„Hier entwickelt sich ein neuer Freundeskreis“
Auch Marco gehört zur Gruppe. Das fünfte Rad am Wagen ist er aber nicht. Denn wenn das Quintett im Alltag gemeinsam Zeit miteinander verbringt, sind sie normale Freunde. In Hude ändert sich ihr Verhältnis, da darf Marco dann bei Ricarda und Tammo „mitspielen“. „Erst mal bist du nur ein Spielzeug, das Paar steht immer im Vordergrund“, erklärt Marco.
Der 45-Jährige hat schon viel ausprobiert: „Ich hatte auch schon einmal was mit sechs Leuten auf einmal, das war aber nicht so meines“, verrät er. „Hier entwickelt sich aber auch ein neuer Freundeskreis, es ist eine eigene ,Bubble‘ und alle gehen offen damit um.“
Swingerclub-Erfahrungen: Ein erster Abend voller Überraschungen
Christian und Jessica sitzen mit uns an der Bar. Die beiden sind seit zwölf Jahren zusammen. Die beiden können sich noch gut an ihren ersten Besuch im Swingerclub erinnern. „Wir wollten mal etwas Neues ausprobieren, da hat Christian gesagt, dass wir zusammen hierherkommen. Ich habe erst gedacht, er macht einen Scherz“, sagt Jessica. „Auch auf der Fahrt hierher dachte ich immer wieder, dass wir gleich wieder umdrehen und das nicht wirklich durchziehen.“
Das hat das Paar dann aber doch getan. „Es waren an dem Abend nur etwa 15 Leute da, das Motto war ,Nacht der Göttinnen‘“, berichtet Jessica. „Wir haben dann ein anderes Pärchen kennengelernt, die haben uns schnell die Angst genommen, sie haben ganz normale Gespräche mit uns geführt“, fügt Jessica hinzu.

Ob in knappen Dessous oder in schicker Abendgarderobe: An der Bar bekommen die Besucher verschiedenste Getränke. Foto: Hendrik Lenger / Emskopp Digital
Der Eintritt variiert zwischen 30 und 110 Euro pro Abend
Bis 5 Uhr am Morgen waren die beiden an diesem Tag im Club, und kommen seitdem immer wieder her. Das lassen die beiden sich einiges kosten - je nach Motto kostet der Eintritt zwischen 30 und 110 Euro - Buffet inklusive.
Auch für die beiden ist der Sex nur ein Plus am Abend. „Die Gespräche hier sind viel wichtiger, und die nimmst du mit nach Hause“, sagt Christian. Die beiden wohnen in Hannover. „Wir haben einen Club gesucht, der etwas weiter weg ist, weil wir auf niemanden treffen wollten, den wir kennen - was Quatsch ist, denn wir sind ja alle in derselben Situation“, findet Jessica. Den Weg nach Hude nehmen sie trotzdem weiterhin auf sich, denn hier gefällt es ihnen einfach.
Diskretion im Swingerclub: Handy aus, Respekt an
Diskretion wird hier im Club großgeschrieben. Das Handy bleibt im Spind. Bilder oder Videos zu machen, ist nicht erlaubt. Nicht jeder Besucher des Clubs kommt mit dem Gedanken an Sex. Viel mehr freuen sie sich auf die angenehme Atmosphäre und die Gespräche, die man mit Freunden und Familie nicht führen kann. Ein Paar hat sich hier verlobt und sogar hier geheiratet.

Guten Appetit: Wer hungrig ist, kann sich am Buffet etwas zu Essen genehmigen. Aber Achtung: Sex haben darf man hier nicht. Foto: Hendrik Lenger / Emskopp Digital
Das Orgien-Kolosseum: Wo Zuschauer und Mitspieler aufeinandertreffen
Zurück zum Eingang. Direkt neben der Umkleide mit den zahlreichen Spinden lockt ein kleiner Shop mit einer Auswahl an exquisiten Korsetts, knappen Kleidern und verführerischen Dessous. Will man im Laufe des Abends auf etwas anderes umsteigen oder aufrüsten, wird man hier fündig.
Ricarda hat bereits ein Outfit dabei, kommt in hellblauen Dessous wieder aus der Umkleide. Auf dem Weg zur Bar läuft sie am Orgien-Kolosseum vorbei. Wer beim Sex die Blicke der anderen auf sich spüren will, kann es hier auf einer großen Matratze umringt von bequemen Sitzen ausleben. Wer hier Sex hat, macht aber auch deutlich: Mitmachen ist erwünscht. Das abwaschbare Kunstleder, mit dem alle Matratzen überzogen sind, signalisiert Hygiene. Genauso im BDSM-Bereich. Ein Andreaskreuz steht im Raum, aber auch andere Fesselmöglichkeiten. Zuschauer finden auch hier Sessel. Nebenan geht es eine Nummer härter zu in der Folterkammer mit Pranger und Streckbank. Was für andere Qual bedeutet, versetzt es Besucher in Ekstase.
Feminismus und Freiheit: Warum der Swingerclub Frauen anzieht
Bei dem Wort Swingerclub denken viele sofort an wildes Porno-Treiben, Latex-Montur und Männer, die einfach nur auf eine schnelle Nummer aus sind. Aber: Je nach Event kommen oft nur bis zu zehn Single-Männer rein. „Meistens herrscht hier Frauenüberschuss“, sagt Zoran Kovac, Besitzer des HS Lifestyle Clubs. „Man könnte sagen: It‘s a women‘s world.“
Schmuddelig und pervers oder stilvoll und romantisch?
Im mehr als 2000 Quadratmeter großen Club dürfen die Besucher fast überall Sex haben. Im Essbereich, im Whirlpool und in der Sauna ist das aber verboten. In den Duschräumen sieht es schon wieder anders aus, auch da stehen Kondome bereit, wie in jedem anderen Zimmer. Sie zu benutzen ist keine Pflicht, was die Gesundheit angeht, ist hier jeder für sich selbst verantwortlich. Desinfektionsmittel, Tücher und Handtücher stehen den Gästen aber überall zur Verfügung.
Neben einem über 4000 Quadratmeter großen Lustgarten, der im Sommer geöffnet hat, steht den Gästen auch ein 4000 Quadratmeter großer Campingplatz zur Verfügung. Viele nutzen den und schlafen im eigenen Wohnmobil nach der Partynacht aus.

Auch im Whirlpool gilt strengstes Sex-Verbot! Foto: Hendrik Lenger / Emskopp Digital
„Wir haben nicht das Geringste mit Rotlicht zu tun“
Die Paare, oder diejenigen, die einen Partner für den Abend gefunden haben, kommen über eine Treppe in den Paarbereich. Hier gibt es Räume mit und ohne Türen. Wer unten nur gucken will, hat oben die Möglichkeit, die Türen abzuschließen. Für Einzelpersonen ist es hier tabu. Ob Ricarda und Tammo hier später landen, wissen sie noch nicht. Alles geht, nichts muss.
„Wir haben nicht das Geringste mit Rotlicht zu tun“, sagt Clubbesitzer Kovac. Frauen, die ihren Körper hier verkaufen, gibt es nicht. Und was das Thema Feminismus angeht, hat Kovac eine klare Meinung. „Alles, was die Gesellschaft krampfhaft versucht umzusetzen, wird hier mit einer Selbstverständlichkeit intuitiv gelebt“, so der gelernte Jurist, der jetzt mit dem Swingerclub und Festivals sein Geld verdient. Dass Frauen sich hier oben ohne zeigen dürfen, ist ebenso selbstverständlich wie es das bei Männern im Sommer oder am Strand ist.