Mordprozess

Ekaterina B.: Tochter der Getöteten darf nicht aussagen, was sie weiß

Im Prozess um den Tod von Ekaterina B. hat das Jugendamt dem Gericht verboten, die sechs Jahre alte Tochter des Opfers als Zeugin zu befragen. Das Kind soll sich einem Betreuer anvertraut haben und angeblich ihren Vater belasten.

Donnerstag, 02.02.2023, 00:05 Uhr
Das Bremer Gericht um den Vorsitzenden Björn Kempe (Mitte) will bald ein Urteil fällen. Foto: Masorat-f

Das Bremer Gericht um den Vorsitzenden Björn Kempe (Mitte) will bald ein Urteil fällen. Foto: Masorat-f

Von Thorsten Brockmann 

In den Ermittlungsakten der „Mordkommission Ekaterina“ findet sich ein Vermerk, dass das Mädchen doch mitbekommen haben könnte, wie ihre Mutter getötet oder der Leichnam zerteilt wurde. „Ihr Geheimnis“ von abgetrennten Händen und dass ihre Mutter „Müll“ sei, soll sie einem Betreuer anvertraut haben. Das Gericht erkannte in dem Aktenvermerk schon bald nach Prozessbeginn eine derartige Brisanz, dass es die inzwischen Sechsjährige dazu befragen wollte.

Es fehlen nur noch wenige Tage, dann ist das kleine Mädchen schon seit einem Jahr in der Obhut des Jugendamtes. Die Behörden hatten befürchtet, dass auch das Kind in Gefahr sein könnte, als Ekaterina B. verschwunden war und ihr Ehemann rasch unter Tatverdacht geriet.

Einer Psychologin wurde die Vormundschaft für das Kind übertragen. Die Mitarbeiterin des Jugendamtes macht nun vom gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, das der Sechsjährigen als naher Verwandter des Angeklagten zusteht. Ihre Vormundin ist offenbar nicht generell dagegen, dass das Kind aussagt, aber sie möchte zu dessen Schutz nicht, dass es in der Hauptverhandlung des Schwurgerichts vernommen wird.

Befragung durch Polizei nicht möglich

Einer erneuten Befragung durch eine Polizistin hätte die Betreuerin wohl zugestimmt, aber das wiederum ist aus formalen Gründen nicht mehr möglich. Denn die Kriminalpolizei hat ihre Ermittlungen abgeschlossen. Weil das Hauptverfahren eröffnet wurde und der Mordprozess läuft, könne die Sechsjährige nur vom Gericht vernommen werden, hieß es. Die Öffentlichkeit kann dabei ausgeschlossen werden, aber das Kind hätte sich womöglich allen Verfahrensbeteiligten ausgesetzt gesehen: Drei Richtern, zwei Schöffen, Staatsanwalt, psychiatrischem Gutachter, zwei Verteidigern sowie drei Anwälten als Nebenkläger. Und möglicherweise hätte sie ihrem Vater ins Gesicht gesehen. Aber es hätte auch die Möglichkeit bestanden, das Kind von einem Richter allein befragen zu lassen und das Gespräch aufzuzeichnen oder in den Gerichtssaal zu übertragen.

Angesichts der Verfassung des Mädchens lehne sie die Befragung vor Gericht ab, teilte die Vormundin nun mit. Auch Opferanwältin Magaret Hoffmann, die die Sechsjährige als Nebenklägerin vertritt, darf sich auf Geheiß der Psychologin nur noch in der Verhandlung äußern und nicht mehr gegenüber der Öffentlichkeit. Sie verweist für Nachfragen an die Pressestelle des Magistrats. Diese wiederum teilt mit, aus Gründen des Kindeswohls sich nicht zu äußern.

Die Psychologin ist bereits vom Schwurgericht befragt worden. Das Kind entwickele sich „super“, hatte sie im Oktober berichtet. Das Mädchen sei fröhlich, fit, pfiffig. Auf die Nachricht, dass ihr Vater für den Tod der Mutter verantwortlich sein könnte, habe sie sehr gelassen reagiert. „Sie wusste, dass ihre Mutter getötet wurde“, sagte die Frau damals. Aber sie konnte sich nicht erklären, woher das Kind das erfahren haben könnte. „Wir haben den Verdacht, dass sie ihre tote Mutter gesehen hat“, sagte ihre Vormundin.

Am Rande der Gerichtsverhandlung kam auch zur Sprache, dass der Angeklagte seiner Tochter einen Brief geschrieben habe, er also erfahren haben muss, wo das Kind heute lebt - weit weg von Bremerhaven in einer „Kleinsteinrichtung“ mit vier weiteren Kindern, die alle Schweres durchgemacht haben und betreut werden von traumageschultem Personal. Die Verteidiger meinten, ihr Mandant wisse nicht, wo seine Tochter betreut werde. Der Brief soll das Mädchen aber erreicht haben.

Der Mordfall Ekaterina B.: Chronologie des Prozesses

  • 25. Prozesstag:  Er sei der ungewöhnlichste Tatverdächte seiner Karriere – das berichtet der Ermittler, den den Ehemann von Ekaterina B. befragt hat. Doch als er diese Aussage erklärt, greift plötzlich der Anwalt des Angeklagten ein. Wo wurde der Koffer mit den Leichenteilen von Ekaterina B. entlanggespült? Ein Gutachter berechnete den möglichen Weg des Koffers – mit einem erstaunlichen Ergebnis.
  • 24. Prozesstag:  Ekaterina B. soll sich noch ein Kind gewünscht haben. Aber ihr Mann nicht. „Dann eben mit jemand anderem...“, soll sie einem Sozialarbeiter gesagt haben. Doch damit nicht genug: Immer wieder soll die Situation zwischen den Eheleuten eskaliert sein - und Ekaterina B. zog Konsequenzen.
  • 23. Prozesstag:  Plötzlich spricht der Angeklagte: Erstmals im Prozess hat sich der Ehemann von Ekaterina B. zu Wort gemeldet. Als die Therapeutin des Paares aussagt, hat er spontanen Klärungsbedarf.
  • 22. Prozesstag: Nun berichten die Ermittler, welchen Eindruck die Mutter des Angeklagten auf sie machte. Sie sprechen von „abgöttischer Liebe“ zwischen der 66-Jährigen und ihrem Sohn. Doch besonders ist den Beamten die erstaunliche Reaktion der Mutter auf den Mordverdacht an ihrem Sohn im Gedächtnis geblieben.
  • 21. Prozesstag: Das Mord-Geständnis der Schwiegermutter von Ekaterina B. klingt für viele unglaubwürdig. Auch der Rechtsmediziner hat Zweifel an ihrer Aussage, denn mehrere Angaben der Zeugin seien fragwürdig. Die Verteidiger des Angeklagten denken erneut darüber nach, vom Gericht die Freilassung des Ehemanns von Ekaterina B. zu verlangen. Doch weiterhin steht die Frage im Raum: Wie glaubwürdig ist das Mord-Geständnis seiner Mutter?
  • 20. Prozesstag: Die Schwiegermutter von Ekaterina B. bekräftigt: Ich war es! Mit Spannung wurde ihre Aussage erwartet nachdem sie zuvor überraschend die Tat gestand. Doch die Richter präsentierten ein Indiz, das Zweifel an der Geschichte nährt.
  • 19. Prozesstag: Tagelang haben Beamte und auch Spürhunde das Haus von Ekaterina B. durchsucht. Dabei gab es kaum einen Raum, in dem nicht Einmal-Handschuhe, Klebebänder und Müllsäcke entdeckt wurden. Doch die Polizei fand bei weitem noch mehr Hinweise.
  • 18. Prozesstag: Hat der Ehemann von Ekaterina B. doch versucht, sich einem seiner Arbeitskollegen anzuvertrauen, dass er für den Tod seiner Ehefrau verantwortlich ist? Mehrfach soll der Hafenarbeiter entsprechende Andeutungen gemacht haben.
  • 17. Prozesstag: Ekaterina B. soll ihren Mann mit einer Bratpfanne geschlagen haben, er habe sie gewürgt, erzählten beide einer Betreuerin. Nun sagte die Mitarbeiterin des Familien-Krisendiensts aus und dabei kamen erschütternde Details über das Ehepaar ans Licht.
  • 16. Prozesstag: Der Koffer mit den sterblichen Überresten von Ekaterina B. war Anfang März am Weserdeich entdeckt worden. Nun berichtete ein Polizist von der Suche nach Spuren und der Bergung des Koffers.
  • 15. Prozesstag: Überraschung: Die Schwiegermutter von Ekaterina B. will noch einmal im Mordprozess aussagen.
  • 14. Prozesstag: „Das volle Programm“ bestellte der Angeklagte bei einem Fahrzeugreiniger. Doch die gründliche Reinigung des Wagens, mit dem mutmaßlich die Leiche von Ekaterina B. transportiert wurde, reichte nicht aus. Rechtsmediziner nahmen ihn genau unter die Lupe - und wurden fündig.
  • 13. Prozesstag: Nun saßen Tante, Cousine und Großcousine des Angeklagten im Zeugenstand: Was hat seine Verwandtschaft über die Tat erfahren? Das Gericht interessierte sich vor allem für ein Telefongespräch.
  • 12. Prozesstag: Musste die sechsjährige Tochter von Ekaterina B. zusehen, wie ihre Mutter getötet und zerstückelt wurde? Aussagen der Psychologin, die gleichzeitig die Vormundschaft für die Tochter hat, könnten darauf hindeuten.
  • 11. Prozesstag: Ein Freund der Familie B. hat ausgesagt, schilderte seinen Eindruck vom Angeklagten und seiner Mutter. Dabei ging er wieder zum „Sie“ über und distanzierte sich merklich.
  • 10. Prozesstag: Der Leichnam von Ekaterina B. ist „sehr professionell“ zerlegt worden – sagte ein Rechtsmediziner aus. Aber trotzdem wundert er sich über drei Verletzungen, für die er keine Erklärung hat. Im Zuge des Gutachtens wurden auch Bilder der Leichenteile der Frau gezeigt. Unser Chefreporter Thorsten Brockmann berichtet im Video, wie er den Tag erlebte.
  • 9. Prozesstag: Plötzlich möchte Ekaterinas Schwiegermutter sich nicht mehr zum Mordfall äußern. Doch auch ihr Sohn steht im Fokus: Kommt der Angeklagte nach dem Geständnis seiner Mutter nun frei?
  • 8. Prozesstag: Nach dem überraschenden Geständnis der Mutter des Angeklagten, sie getötet zu haben, gab es beim Prozesstag am Dienstag die nächste unerwartete Nachricht: Es gab einen neuen Fund in der Geeste.
  • 7. Prozesstag: Überraschende Wende: Die Schwiegermutter gesteht die Tötung von Ekaterina B. Doch war sie es wirklich? Ihre Schilderung ist verstörend. Und die Frage bleibt: War es so – oder will sie ihren Sohn retten? Nach ihrem Geständnis wird die Schwiegermutter nicht verhaftet. Doch warum ist das so? Der renommierte Strafverteidiger Alexander Ukat ordnet die Situation ein.
  • 6. Prozesstag: Die Handydaten des angeklagten Ehemanns von Ekaterina B. wurden ausgewertet: Der Ehemann googlete, wie man einen Körper in Säure auflöst. Doch damit nicht genug: Die Polizei glaubt, auf dem Handy des Mannes noch mehr Indizien dafür gefunden zu haben, dass er der Mörder ist.
  • 5. Prozesstag: Die Polizei hat über Wochen den Chat von Mordopfer Ekaterina B. mit ihrem Freund in Russland ausgewertet. Daraus geht hervor, wie es Ekaterina in den Stunden vor ihrem Tod ging. Der mutmaßliche Mörder von Ekaterina B. bekommt regelmäßig Besuch im Gefängnis: von seiner Mutter. Auch davor hatten die beiden ein gutes Verhältnis und sie unterhielten sich oft über Ekaterina. „Tu ihr nichts“, warnte ihn seine Mutter.
  • 4. Prozesstag: Als Ekaterina B. verschwunden war, da sei ihr Ehemann „einfach ein bisschen zu gleichgültig“ gewesen. Das hat eine Familienhelferin stutzig werden lassen. Ihre Aussage war es, die die Polizei zur Überzeugung gelangen ließ: Da stimmt was nicht. Als Ekaterina nicht ans Telefon ging und nicht auf Nachrichten reagierte, da schöpfte ihre Familienhelferin schnell Verdacht. Denn die Frauen teilten ein Geheimnis.
  • 3. Prozesstag: Im Mittelpunkt stand erneut die Befragung ihres damals 45-jährigen Ehemanns durch die Polizei. Wurde Ekaterina wegen einer Affäre mit einem Piloten ermordet? Der Angeklagte stellte während des Verhandlungstages seine Ehe dar. Unser Chefreporter Thorsten Brockmann fasst die Geschehnisse die Ereignisse in diesem Video für Sie zusammen.
  • 2. Prozesstag: Die Kriminalpolizei hatte die Vernehmung des Mannes am 11. Februar aufgenommen. Nun mussten die Prozessbeteiligten das mehrstündige Video ertragen. Seit seiner Festnahme soll der 46-Jährige nichts zu den Vorwürfen gesagt haben. Einen Monat davor war das noch anders, wie das Video beweist. Die Videoaufzeichnung vermittelt ein seltsames Bild von den letzten Stunden im Leben von Ekaterina B.
  • 1. Prozesstag: Im Landgericht Bremen beginnt der Prozess. Am ersten Tag wurde die Anklage verlesen. Dem Ehemann der 32-Jährigen wird vor Gericht vorgeworfen, seine Frau ermordet zu haben. Vor dem Prozessauftakt kommen schreckliche Details ans Licht.

Mordfall Ekaterina B.: Die Vorgeschichte

Die Suche:

Seit dem 4. Februar 2022 gilt Ekaterina offiziell als vermisst. Zwei Wochen später sucht die Polizei mit Spürhunden nach der 32-Jährigen. Auch eine private Initiative mit bis zu 400 Freiwilligen hilft bei der Suche. Der Fall erregt immer mehr Aufmerksamkeit.

Zahlreiche Freiwillige machen sich erneut auf die Suche nach der vermissten Mutter aus Bremerhaven. Vergeblich – nach etwa drei Stunden wird die Aktion abgebrochen.

Noch immer fehlt von Ekaterina jede Spur. Die Polizei sucht in Hundertschaft verstärkt im Waldboden, doch sie findet wieder nichts.

Der Fall Ekaterina B. erreicht nun auch das Fernsehen. In der Sendung „Aktenzeichen xy - ungelöst“ nehmen Ermittler Hinweise der Bevölkerung auf.

Der Fund:

Traurige Neuigkeiten bringen Licht ins Dunkel. Am Weserdeich wird ein schwarzer Reisekoffer angespült. Darin befindet sich die Leiche von Ekaterina B. Ihr Ehemann wird verdächtigt, sie getötet und zerstückelt zu haben.

Viele Menschen kommen an den Weserdeich, um ihre Anteilnahme zu zeigen. Kerzen und Blumen schmücken die Stelle, an die der Koffer angespült wurde.

Die Tochter:

Ekaterina B. hinterlässt eine fünf Jahre alte Tochter. Ihre Großmutter aus Russland möchte das Kind zu sich nehmen. Ihr Ehemann schweigt weiterhin.

Drei Monate nach ihrem Tod streiten sich die Angehörigen von Ekaterina und das Jugendamt Bremerhaven um das Sorgerecht ihrer fünfjährigen Tochter. Die Behörden wollen, dass das Kind in Bremerhaven bleibt.

Ekaterinas Mutter Svetlana Bolgova reist nach Bremerhaven, um ihr Enkelkind zu sehen. Sie kämpft weiter um das Sorgerecht des fünf Jahre alten Kindes.

Die Anklage:

Die Ermittlungen sind beendet, die Staatsanwaltschaft hat Klage eingereicht. Dem Ehemann wird vorgeworfen, die 32-Jährige getötet zu haben.

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