Kritik

Energieberatungspflicht bringt Kliniken in Not

Kein Krankenhaus soll auf den rasant gestiegenen Energiekosten sitzenbleiben, verspricht die Bundesregierung. Doch den unter chronischem Geldmangel leidenden Kliniken macht die Energiepreisbremse bislang Kopfzerbrechen statt Freude.

Dienstag, 31.01.2023, 05:00 Uhr
Ein Pfeil weist den Weg zur Notaufnahme eines Krankenhauses.

Ein Pfeil weist den Weg zur Notaufnahme eines Krankenhauses.

In Deutschlands Krankenhäusern löst die versprochene Milliardenhilfe des Bundes zur Milderung der Energiekosten bislang besorgte Fragen anstelle von Erleichterung aus. Eine Hauptursache ist die Befürchtung, dass die Kliniken die an das Hilfsversprechen geknüpfte Pflicht zum Abschluss einer Energieberatung nicht rechtzeitig erfüllen können. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisiert unklare Vorgaben. Und vonseiten des Energieberaterverbands GIH kommt die Warnung vor einem Kapazitätsengpass.

Bis 15. Januar 2024 müssen die Krankenhäuser eine Gebäude-Energieberatung absolvieren und die „konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der Empfehlungen der Energieberatung“ nachweisen, wie es im neuen Paragrafen 26f des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) heißt. Ansonsten droht eine Kürzung der versprochenen Hilfe um 20 Prozent. Für die Kliniken eingeplant hat die Koalition 4,5 Milliarden Euro für 2023 und noch einmal 1,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr.

Energieberatung ist Pflicht: Was müssen Krankenhäuser nachweisen?

„Wir sehen da ein Riesenproblem auf uns zukommen“, sagt der Energieberater Andreas Turloff, Vizevorsitzender des GIH in Bayern. „Die Kapazitäten sind nicht da.“ In Deutschland gibt es an die 1900 Krankenhäuser und nach Turloffs Worten zwischen 2000 und 3000 gelistete Energieauditoren. Doch die Mehrheit dieser Berater ist auf Privathaushalte oder mittelständische Firmen spezialisiert, nicht auf große öffentliche Einrichtungen. „Es gibt größere Beratungsgesellschaften, aber die meisten unserer Kolleginnen und Kollegen sind Einzelkämpfer“, betont Turloff.

Die Krankenhausgesellschaft ist ebenfalls besorgt: „Es fehlen klare Aussagen, was und wie genau nachgewiesen werden muss“, sagt ein DKG-Sprecher in Berlin. „Es ist durchaus fraglich, ob die Beratung in so kurzer Zeit flächendeckend in den Krankenhäusern erfolgen könnte.“

Zudem wird die Anforderung nach DKG-Einschätzung mutmaßlich dazu führen, dass die Preise für die Beratung rasant steigen. Thema sind die Berliner Vorgaben am 31. Januar bei einem hochkarätig besetzten Expertenforum des Tagungsveranstalters RS Medical Consult, an dem auch DKG-Vorstandschef Gerald Gaß teilnehmen wird.

Kliniken fürchten bürokratischen Aufwand

Bereits seit vielen Jahren gilt europaweit die Energieeffizienz-Richtlinie der EU, die auch Krankenhäusern Energieaudits vorschreibt. Nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums sollen diese Audits anerkannt werden, wie ein Ministeriumssprecher sagt.

Doch im Gesetzestext steht das nicht. Zu vielen Gesetzen gibt es Ausführungsbestimmungen, die die konkreten Vorgaben enthalten, was zu tun oder zu lassen ist. Bei Paragraf 26f KHG hat der Bund darauf verzichtet. „Gesonderte Ausführungsbestimmungen zur Durchführung der Energieberatung sind nicht vorgesehen“, sagt der Ministeriumssprecher.

Im Ergebnis rätseln Krankenhausverwaltungen bundesweit, welche Pflichten sie nun genau erfüllen müssen. In jedem Fall ist klar, dass zusätzlicher Schriftverkehr bevorsteht: „Diese Regelung führt nur zu noch mehr bürokratischem Aufwand“, kritisiert der DKG-Sprecher.

Energieberater gefragt wie nie

Die Energieberatungspflicht trifft die Krankenhäuser in einer ohnehin finanziell sehr bedrängten Lage. Laut einer kurz nach Weihnachten veröffentlichten Klinikumfrage der DKG erwarten nur 20 Prozent der Häuser in diesem Jahr ein positives Ergebnis - was im Effekt bedeutet, dass die übrigen 80 Prozent Verluste fürchten. Die DKG beziffert das strukturelle Defizit auf 15 Milliarden Euro.

Die erwarteten Kapazitätsprobleme der Energieberater könnten sich im Laufe des Jahres noch rasant vergrößern: Im geplanten Energieeffizienzgesetz des Bundes sollten alle Unternehmen mit einem Jahresenergieverbrauch von über 2,5 Millionen Kilowattstunden verpflichtet werden, innerhalb von 20 Monaten ein Energieaudit durchzuführen, sagt Energieberater Turloff. „Das ist eine mittlere bis hohe fünfstellige Zahl von Unternehmen, die das betreffen wird.“

Unternehmen mit einem Verbrauch von über zehn Millionen Kilowattstunden sollten verpflichtet werden, innerhalb von 20 Monaten ein Energiemanagementsystem einzuführen. „Das können die ohne unsere Beratungsleistung auch nicht. Ich sehe nicht, wie das gehen soll“, sagt Turloff.

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