Häusliche Gewalt

Corona verschärft Probleme in Hamburger Frauenhäusern

Frauenhäuser haben generell viel Arbeit. Die Anzahl der Mitarbeiter sollte höher sein, um die schutzsuchenden Frauen gut unterstützen zu können. Aufgrund von Corona wurde zwar aufgestockt - ausreichend ist das dennoch nicht.

Sonntag, 02.01.2022, 13:30 Uhr
Eine junge Frau steht in einem Zimmer eines Frauenhauses. Foto: Peter Steffen/dpa

Eine junge Frau steht in einem Zimmer eines Frauenhauses. Foto: Peter Steffen/dpa

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist die Arbeit in den sechs Hamburger Frauenhäusern nicht leichter geworden. "Wir haben einen Betreuungsschlüssel von eins zu acht. Das ist für eine Kriseneinrichtung eine Katastrophe", sagte Anika Ziemba vom 4. Hamburger Frauenhaus der Deutschen Presse-Agentur. Damit könnten die Mitarbeiterinnen dem Bedarf der schutzsuchenden Frauen und Kinder schlicht nicht gerecht werden. "Das ist natürlich was, was wir in der Pandemie noch viel deutlicher gemerkt haben. Problemlagen wurden wie mit einem Brennglas verstärkt."

Gerade in der Zeit, als die Mitarbeiterinnen vom Home Office aus Kontakt zu den Frauen und Kindern geleistet haben, sei die Beziehungsarbeit sehr erschwert worden. Die sei jedoch das A und O, um Vertrauen herstellen zu können, "gerade, wenn so delikate Themen besprochen werden", sagte Ziemba weiter.

Hoher Bedarf der Einrichtungen

In den Hamburger Frauenhäusern suchen Frauen Schutz, die zu Hause psychische oder physische Gewalt erfahren. Insgesamt gibt es der Sozialbehörde zufolge derzeit 242 Plätze. "Im kommenden Jahr wird durch die Inbetriebnahme von Schutzwohnungen das Angebot an Schutzplätzen erneut erweitert werden", sagte ein Behördensprecher der dpa.

Der Bedarf in Hamburg ist Ziemba zufolge hoch. "Die Hamburger Frauenhäuser sind in der Regel voll. Wir haben immer eine Auslastung von mehr als 90 Prozent." Empfohlen seien 70 Prozent, um auf Unvorhergesehenes reagieren zu können. Abgewiesen wird in Hamburg dennoch niemand, wie Ziemba und die Sozialbehörde betonen. In diesem Jahr sind bis Ende September 266 Frauen und 261 Kinder in den fünf autonomen Frauenhäusern aufgenommen worden.

Dank der 24/7-Notaufnahmestelle der sechs Hamburger Frauenhäuser finden Frauen und ihre Kinder sofort Hilfe und ein freies Bett. "Es wird immer versucht, weiterzuvermitteln oder mit der Frau nach einer anderen Lösung zu suchen", so Ziemba. An Weihnachten 2020 sei der Bedarf allerdings so hoch gewesen, dass die Notaufnahmestelle noch weitere Zimmer dazu mieten musste, um Betten für alle Hilfesuchenden zu haben.

Pandemie kam als Stressfaktor gleichzeitig in viele Familien

Erniedrigungen, Bedrohungen, materielle Gewalt, Eifersucht, Kontaktkontrollen, körperliche Gewalt - während des Lockdowns habe sich die Art der Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder in der Sache nicht geändert, das Timing allerdings schon. "Die Pandemie war ein Stressfaktor, der in vielen Familien gleichzeitig aufgetreten war. Während des Lockdowns gab es dann bei uns Phasen gespenstischer Stille." Hintergrund war, dass die Frauen und Kinder keine Sekunde mehr Zeit allein hatten - um beispielsweise nach Hilfe zu suchen oder friedlicheren Ausgleich zu finden.

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"Gerade in gewaltbelasteten Familien sind Schulen ein Ort, wo sie zur Ruhe kommen und Hilfe finden. Und wenn das wegfällt, ist das wirklich belastend." Nicht wenige Kinder und Mütter seien erst durch Tipps aus dem Umfeld von Kita oder Schule auf die Hilfsangebote der Frauenhäuser aufmerksam geworden.

In der Hansestadt werden die Plätze der Frauenhäuser pauschal - unabhängig davon, ob eine Frau Anspruch auf Transferleistungen hat oder nicht - finanziert. Der Rest - Therapien, Dokumentenbeschaffung, Geburtstagsgeschenke, Kosten für die Anwältinnen und Anwälte - all das wird dagegen aus Spenden finanziert. "Da gab und gibt es seit Corona tatsächlich eine große Bereitschaft. Wir haben da eine große Solidarität erfahren und sind auch weiterhin darauf angewiesen."

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