Hamburg

Von der Schulbank in die Politik - im Freiwilligen Sozialen Jahr

Nach der Schule ins politische Leben eintauchen - diese Form des Freiwilligendienstes ist noch nicht so bekannt. Gerade in Hamburg, wo es sie erst seit wenigen Jahren gibt. Was also machen junge Menschen im FSJ Politik? Und wie blicken Bundestagsabgeordnete darauf?

Samstag, 03.06.2023, 16:08 Uhr
Hannah Gürtler, Freiwillige im FSJ-P (Freiwilliges Soziales Jahr Politik), lehnt neben einem Plakat in einem Büro in den Räumen der BürgerStiftung Hamburg. Ab Herbst 2023 verdoppeln sich die Plätze für ein Freiwilliges Soziales Jahr in Politik und Demokratie in Hamburg. Foto: Christian Charisius/dpa

Hannah Gürtler, Freiwillige im FSJ-P (Freiwilliges Soziales Jahr Politik), lehnt neben einem Plakat in einem Büro in den Räumen der BürgerStiftung Hamburg. Ab Herbst 2023 verdoppeln sich die Plätze für ein Freiwilliges Soziales Jahr in Politik und Demokratie in Hamburg. Foto: Christian Charisius/dpa

Von Franziska Spiecker, dpa

Die Linse ihrer Handykamera hat Samantha Bütow auf die Hamburger Bundestagsabgeordnete Emilia Fester (Grüne) gerichtet. "Noch mal den Blick von gerade", gibt die 18-Jährige die Anweisung, während die sieben Jahre ältere Fester neben dem Schild ihres Berliner Bundestagsbüros posiert. In diesem Büro hat auch Bütow ihren Arbeitsplatz, seit September 2022 macht sie dort ein Freiwilliges Soziales Jahr Politik (FSJ-P).

"Ich fand den Bundestag total faszinierend und spannend und es war tatsächlich irgendwie so ein kleiner Traum, als ich gerade vor meinem Abi saß, dass ich hier irgendwann mal drin arbeiten kann", erzählt die Berlinerin. Ihre Hauptzuständigkeit sei Social Media, sie designe gerne und finde es cool, Inhalte einfacher zu vermitteln, sagt Bütow. Keine fünf Minuten dauert es, dann hat sie aus dem Foto von Fester einen Erklär-Post über die für manche verwirrenden Raumnummern im Bundestag gebastelt.

Immer mehr Freiwillige im FSJ-P

Gute 250 Kilometer Luftlinie von ihr entfernt in Hamburg können junge Menschen inzwischen auch ein FSJ-P machen - auch wenn es dort nach Angaben des Trägers vergleichsweise spät eingeführt wurde. "Hamburg und Bayern waren die einzigen Bundesländer, in denen es noch kein FSJ Politik gab und dementsprechend haben wir uns damals entschieden, das hier und dort aufzubauen", erklärt Tim Krause, Bildungsreferent des Hamburger Landesvereins der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste (IJGD).

Die erste Einsatzstelle in der Hansestadt hat es Krause zufolge 2019 bei der Bürgerstiftung Hamburg gegeben. Inzwischen könnten 16- bis 26-Jährige auch etwa in der Landeszentrale für Politische Bildung, bei parteinahen Stiftungen - und ab Herbst auch bei fast allen Fraktionen der Bürgerschaft ein FSJ-P machen. Die Plätze dafür verdoppeln sich demnach demnächst. Im Sommer würden sechs Freiwillige in Hamburg ihr FSJ-P abschließen - "und ab Herbst planen wir mit zwölf Freiwilligen", sagt Krause.

Für einige der erste "richtige Job"

Eine der aktuellen Freiwilligen in Hamburg ist Hannah Gürtler. "Politik hat für mich schon immer irgendwie in meinen Alltag reingehört", erzählt die 19-Jährige. Schon in der Oberstufe sei für sie klar gewesen, dass sie gerne ein FSJ machen möchte. Sie habe auch gewusst, dass es nicht Schule oder Kindergarten sein sollten - und sei beim Recherchieren dann schließlich auf das FSJ-P gestoßen.

Seit Ende August 2022 ist Gürtler nun bei der Bürgerstiftung Hamburg. Von ihrem Schreibtisch dort schaut sie auf das bunte Plakat des Asphaltsprenger Festivals. "Gemeinsam urbane Lebensräume gestalten" steht darauf. Es gehe darum, die Stadtnatur nachhaltiger zu machen, beschreibt die Hamburgerin die Idee des Festivals. Es mit zu organisieren, sei eine der großen Aufgaben in ihrem FSJ-P gewesen - und die Durchführung eines ihrer Highlights.

"Es ist - in Anführungszeichen - der erste richtige Job", sagt Gürtler über das FSJ-P - allerdings sei es natürlich noch begleitet. Auch die Bundestagsabgeordnete Fester, die für die Grünen-Fraktion Obfrau im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement ist, betont: "Eine FSJlerin ist kein Vollzeitäquivalent." Beim FSJ gehe es darum, Einblicke zu bekommen und Vieles auszuprobieren, es gehe eher darum, etwas zu lernen, erklärt die 25-Jährige.

SPD: "Politik in Deutschland lebt ja von Engagement"

Niels Annen, ebenfalls Hamburger Bundestagsabgeordneter und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, sieht in dem FSJ-P auch einen Beitrag zur Demokratieförderung. Seit 2016 haben nach Angaben seines Bundestagsbüro insgesamt drei Personen dort ein FSJ-P gemacht. "Politik in Deutschland lebt ja von Engagement", betont der SPD-Politiker. Er finde und fand "es auch damals schon richtig, zu sagen: "Das ist ein Bereich, in dem wir Engagement fördern wollen"".

Als Bundestagsabgeordnete profitierten sie von den Freiwilligen, sagen sowohl Fester als auch Annen. Eine FSJlerin in ihrem Büro zu haben, bringe eine neue Dynamik mit und einen Erfahrungsschatz, den andere Teammitglieder nicht mitbrächten, erzählt Fester, "weil es eine viel ungeschliffenere Variante von Interesse an dem, was hier passiert, ist".

FSJ hilft bei der Orientierung

Annen berichtet zudem, dass sich in seinem Büro zum Teil Arbeitsverhältnisse aus dem FSJ-P entwickelt hätten. "Das war für mich eine ganz tolle Sache, weil ich einfach über diese Möglichkeit Leute gefunden habe, die zu mir gepasst haben", sagt Annen - etwa den Leiter seines Bundestagsbüros, Darwin Veser.

2016/17 war Veser Annens erster Freiwilliger. Damals habe er nicht damit gerechnet, ein paar Jahre später Büroleiter zu werden, erklärt der 26-Jährige. Zu Beginn seines FSJ-P war er sich "noch nicht einmal sicher, ob ich hier in Berlin mein Studium machen wollen würde". Aber so ein Freiwilliges Jahr sei eine gute Möglichkeit, herauszufinden, was einen interessiert. Und es helfe auch während des Studiums "zwischen Abi-Klausuren und Hörsaal dann noch mal eine praktische Zwischenstation zu haben", die einem zeige, "worauf man da eigentlich vor sich hin werkelt". (dpa/lno)

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