TChefvolkswirtin im Alten Land: Ampel-Aus wird Wirtschaft beflügeln

Die Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Dr. Gertrud Traud, war zu Gast beim Kapitalmarktausblick in Jork. Foto: Vasel
Das macht Mut: Helaba-Chefin Dr. Gertrud Traud blickte in Jork optimistisch in die Zukunft. Sie nahm dabei kein Blatt vor den Mund und forderte diese Veränderungen.
Jork. „Wir werden auch diese Krise meistern“, sagte die langjährige Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Dr. Gertrud Traud, beim Kapitalmarktforum der Sparkasse Stade-Altes Land im Fährhaus Kirschenland in Jork-Wisch. Deutschland habe großes Potenzial, war sich Traud einig mit dem Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse, Michael Senf, mit Blick auf Fachkräfte, aber auch Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) oder Biotechnologie.
Die Expertin nahm kein Blatt vor den Mund. Ökonomisch betrachtet, müssten die Deutschen „heilfroh“ über das Aus der Ampel-Koalition sein. Dieses werde sich „mittelfristig als positiv für die deutsche Wirtschaft erweisen“. Damit der Motor nicht mehr stottert, müssten nach der Bundestagswahl die Weichen richtig gestellt werden.
„Wir brauchen wieder mehr Wachstum“, sagte Traud. Die Helaba-Volkswirtin rechnet damit, dass es in diesem Jahr - nach zwei Jahren der Stagnation - wieder zu einem leichten Aufschwung der Wirtschaft in Deutschland kommt. Aktuell geht sie von einem Wachstum von 0,7 Prozent aus. Die Arbeitslosenquote werde laut ihrer Prognose im laufenden Jahr „leicht abnehmen“ und sich bei 5,8 Prozent einpendeln. Zur Einordnung: Im Dezember 2024 betrug diese sechs Prozent.
Chef-Volkswirtin rechnet mit Ende des Angstsparens
Traud rechnet damit, dass das Angstsparen ein Ende hat. „Die Hälfte unserer Wirtschaft ist Psychologie.“ SPD, FDP und Grüne hätten die Deutschen tief verunsichert. In ihrer Regierungszeit sei der Unsicherheits-Index auf ein Rekordniveau gestiegen - und liege jetzt um den Faktor vier über dem Welt-Index.
Sie geht jetzt davon aus, dass die Verbraucher in Deutschland wieder mehr konsumieren werden. Dazu dürften auch die gestiegenen und steigenden Reallöhne beitragen. Diese werden allerdings nicht mehr so stark wie in der Vergangenheit wachsen. Die Verbraucherpreise werden mit 2,1 Prozent nicht mehr so stark steigen. Kurzum: Die deutsche Teuerungsrate ist am Inflationsziel angekommen. Des Weiteren sieht sie eine Erholung bei Unternehmens-, Hypotheken- und Konsumentenkrediten.

Michael Senf und Astrid Knipping vom Vorstand der Sparkasse Stade-Altes Land im Gespräch mit der Chefvolkswirtin der Helaba, Dr. Gertrud Traud (Mitte). Foto: Vasel
Ein weiterer Wachstumsimpuls werde von der globalen Industrie ausgehen. Die Krux: Die deutsche Wirtschaft werde „weniger dynamisch wachsen als die Eurozone“. Die Gründe lägen auf der Hand. Die Energiepreise, vom Strom bis zum Erdgas, seien „weiterhin zu hoch“. Diese lägen noch immer auf Vorkrisenniveau. Außerdem „leiden die Unternehmen im Weltvergleich unter hohen Steuern“. Und auch die Bürokratie hemme das Wirtschaftswachstum.
Wirtschafts- und Außenpolitik müssten sich grundlegend ändern. Der moralisierende „Kulturimperialismus“ der guten Ratschläge von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) habe laut Traud der Exportwirtschaft geschadet. Die Volksrepublik China mache es vor. Die Chinesen investierten kräftig in Afrika. Das sei ein riesiger Wachstumsmarkt. Im Jahr 2100 werden auf dem Kontinent - wie in Asien - fast 2,5 Milliarden Menschen im erwerbsfähigen Alter leben. Deutschland und Europa dürften diesen Markt nicht den Chinesen überlassen.
Zölle und Protektionismus sind Gift
Zölle und Protektionismus, das ist für Traud ein gefährlicher Trend. Eindringlich warnte sie die Politik davor, keine Deals mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump zu schließen. Konfrontation bringe nichts - für beide Seiten. Vergeltungszölle würden Schaden anrichten. Die EU-Strafzölle auf Pkw aus China schaden deutschen Konzernen doppelt. Zum einen treffen sie VW, Mercedes und BMW mit den Werken in China, zum anderen investieren Konzerne aus der Volksrepublik jetzt kräftig in Polen und Ungarn, um die Strafzölle zu umgehen. Hinzu komme: Die E-Autos aus China spielen hierzulande noch keine große Rolle. „Das ist ein albernes Spiel, das nur zu Produktionsverlagerung führt“, mahnte Traud.

Volles Haus beim Kapitalmarktausblick der Sparkasse im Fährhaus Kirschenland in Jork-Wisch. Foto: Vasel
Notwendig sei eine Stärkung der deutschen Industrie. Diese wandere aktuell ab, die deutschen Produkte seien zu teuer. Ihr Rat: Die Besteuerung des Gewinns bei Kapitalgesellschaften senken. Die Steuerquote liege in Deutschland bei 29,9 Prozent, in der Schweiz, Tschechien und Polen lediglich bei 19 Prozent, in Ungarn bei 10,8 Prozent.
Gute Perspektiven sieht sie für die Bauwirtschaft. Das Tal sei durchschritten. Immobilien werden wieder gefragt sein, es wurde zu wenig gebaut - im Bereich Wohnen und Büros. Zu 75 Prozent werde sich die (Welt-)Wirtschaft im Jahr 2025 positiv entwickeln, so Traud in ihren auf die Modewelt gemünzten Szenarien ihres als Helaba Fashion Show verpackten Kapitalmarktausblicks. Ihr Tipp: Aktien halten, wenn alles läuft, könnte bis Jahresende 2025 die Marke von 23.000 Punkten beim DAX (Deutscher Aktienindex) geknackt werden.