TInsolvenzantrag: Erich Köster Wohnungsbau in Jork zieht Notbremse

Auch in Ladekop hängt ein Bauschild des Unternehmens Erich Köster aus Jork. Foto: Vasel
Seit mehr als 125 Jahren gibt es die Altländer Firma. Nun ist das Wohnungsbau-Unternehmen in finanzielle Schieflage geraten. Wie es weitergeht.
Jork. Der Insolvenzantrag geht aus einer Bekanntmachung des Amtsgerichts Tostedt hervor. Dieses hat Katharina Hansen, Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht von der Kanzlei Münzel & Böhm aus Hamburg, zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt (22 IN 22/25).
Hansens Aufgabe: Die Juristin sichert das vorhandene Vermögen und prüft die Sanierungsmöglichkeiten. Auf die Frage, warum das am 1. April 1898 vom Maurermeister Hinrich Köster gegründete Altländer Traditionsunternehmen in die Schieflage geraten ist, gebe es noch keine belastbare Antwort, heißt es.
„Derzeit verschaffe ich mir zusammen mit meinem Team einen Überblick über die Situation des Unternehmens“, sagte Hansen am Mittwoch dem TAGEBLATT. Die Großkanzlei mit mehreren Standorten in Deutschland hat sich auf insolvenzvermeidende Stabilisierung, Restrukturierung und Sanierung sowie gerichtliche Insolvenzverfahren spezialisiert.
„Der Betrieb der Erich Köster Wohnungsbau GmbH wird in vollem Umfang fortgeführt“, unterstrich Hansen. „Der wesentliche Teil der Projekte kann im Rahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens fortgesetzt werden.“
Löhne und Gehälter bis Ende April gesichert
Durch eine Insolvenzgeldvorfinanzierung seien die Löhne und die Gehälter der 15 Mitarbeiter „bis Ende April gesichert“. Gemeinsam mit der Geschäftsführung wurde laut Hansen geprüft, wie die Bauvorhaben des Unternehmens fortgeführt werden können. 2021 hatte das Unternehmen noch 22 Mitarbeiter, heißt es im Anhang des im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlusses.
Seit 2007 steht der Urenkel des Firmengründers, Maurermeister und Betriebswirt Erich Köster junior, als Inhaber und Geschäftsführer an der Spitze. Das Unternehmen mit seinen Maurern, Betonbauern und Fliesenlegern hat in der Branche einen guten Ruf. Die Altländer wurden wiederholt für ihre Ausbildung gelobt und brachten unter anderem im Jahr 2011 mit Maurer Sebastian Wichern einen Deutschen Meister hervor.

Blick auf den Firmensitz der Erich Köster Wohnungsbau GmbH in der Schützenhofstraße 17 neben der Altländer Festhalle in Jork. Foto: Vasel
65 Lehrlinge bildete das Familienunternehmen zum Maurer aus. Das Spektrum des Bauunternehmens reicht und reichte von Lager- und Sortierhallen, Architektenhäusern, Fachwerkbauten, Bauplanung und -beratung sowie schlüsselfertigen Sanierungen bis hin zu Reparaturen und Beseitigung von Brand- und Wasserschäden. Auch große Kunden wie Elbe-Obst, Sietas-Werft und Airbus füllten die Auftragsbücher.
Das ist die Geschichte des Traditionsunternehmens
Gegründet wurde die Firma im Jahr 1898 von Hinrich Köster in der Hinterstraße. Wenig später zog das Familienunternehmen mit sechs Mitarbeitern in die Schützenhofstraße in Jork um. Die ersten Aufträge bestanden aus landwirtschaftlichen Gebäuden, Ställen, Lagerhallen, Wohn- und Häuslingshäusern (Gesindehäusern) und Schöpfwerken.
Geschlossene Heime
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Während des Zweiten Weltkriegs und der Kriegsgefangenschaft ihres Mannes leitete Mary Köster die Firma von 1940 bis 1947. Mit Erich Köster Senior übernahm 1949 die zweite Generation das Ruder. 1982 folgte sein Sohn, der 2021 verstorbene Ingenieur Erich Köster führte mit seiner Frau Ute die Firma in dritter Generation weiter. In den Hochzeiten beschäftigte die Firma Erich Köster Wohnungsbau rund 40 Mitarbeiter. Zum Betrieb gehören Immobilien in der Schützenhofstraße und im Ostfeld.
Bundesweit meldeten 2024 rund 20.000 Firmen Insolvenz an. Betroffen sind vor allem Unternehmen im Bereich Verkehr und Lagerei, Bau sowie Gastgewerbe. Das ist der höchste Stand seit zehn Jahren.
Sprunghafter Anstieg der Firmenpleiten erwartet
Experten erwarten einen erneut sprunghaften Anstieg der Firmenpleiten in Deutschland im laufenden Jahr. Mit bis zu 26.000 Unternehmensinsolvenzen rechnet der Informationsdienstleister Crif. Im vergangenen Jahr zählte Crif knapp 22.000 Fälle und damit fast ein Viertel (23,1 Prozent) mehr als ein Jahr zuvor. Amtliche Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Gesamtjahr 2024 werden Mitte März erwartet.
Angesichts der zweistelligen Zuwachsraten der vergangenen Monate sei es zunehmend schwierig, nicht von einer Insolvenzwelle zu sprechen, sagt Crif-Deutschland-Geschäftsführer Frank Schlein. Die Liste der Probleme sei lang: hohe Energiekosten, Herausforderungen in den Lieferketten, politische Unsicherheit.
„Dominoeffekte“ erwartet
Weil es mehr Großinsolvenzen gegeben habe, sei zudem mit „Dominoeffekten zu rechnen, die dazu führen werden, dass zahlungsunfähige Firmen zeitversetzt weitere Unternehmen in die Insolvenz ziehen“, schreibt Crif.
Nach einer früheren Einschätzung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform könnte die Zahl der Firmenpleiten im laufenden Jahr sogar den Höchststand des Krisenjahres 2009 mit mehr als 32.000 Fällen erreichen.