Lessing-Gespräche: Gemeinwohlorientierte Regionalentwicklung im Fokus
Professor Dr. Antje Bruns fordert mehr Gemeinwohlorientierung. Foto: Vasel
So kann es nicht weitergehen. Das war die Kernbotschaft des Vortrags von Professor Dr. Antje Bruns bei den Lessing-Gesprächen im Museum Altes Land in Jork.
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Jork. Die Generalsekretärin der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft, in Freiburg/Elbe aufgewachsen, plädierte für mehr Gemeinwohlorientierung. Dieser Aspekt sei in den vergangenen Jahrzehnten etwas zu stark aus dem Blick geraten, so die Professorin für Räumliche Transformation der Leibniz Universität Hannover. Ihr Vortrag stand unter der Überschrift „Anders Wirtschaften? Gemeinwohlorientierte Regionalentwicklung in Zeiten multipler Krisen“.
Raum sei eine begrenzte Ressource. Raum sei nicht vermehrbar. Doch Wohnen, Industrie, Energie sowie Landwirtschaft konkurrieren um Fläche. Die Menschheit stehe vor einer Zeitenwende. Multiple (Welt-)Krisen „verändern die Rahmenbedingungen für die Regionalentwicklung“. Ob Ukraine- und Nahostkonflikt - sie bleiben nicht ohne Folgen. Globale Lieferketten, Energieversorgung oder Rohstoffmärkte - überall macht sich Unsicherheit breit. Damit nicht genug: Im Zuge der Deglobalisierung kommt es zur Rückverlagerung industrieller und landwirtschaftlicher Produktion.
Design oder Desaster - die Gesellschaft hat die Wahl
Resilienz und Versorgungssicherheit rücken in den Vordergrund. Großkraftwerke sind Geschichte. Ob Windkraft oder Photovoltaik - Regionen werden zu „Energieschauplätzen“, wie das Beispiel Niedersachsen und Landkreis Stade mit der Ausweisung von Windkraftflächen zeige. Die Dekarbonisierung - sprich der Ersatz von fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas durch erneuerbare Energien - bedeutet nichts anderes als: „Wir gehen weg von großen, zentralen Kraftwerken, hin zu vielen vielen kleinen, dezentralen“. Dafür werde natürlich Fläche benötigt - für neue Netze und für Speicher.
Mit dem Blick auf die Klimakrise & Co. werde eine ressourcenschonende Lebens- und Wirtschaftsweise immer wichtiger. Die Gesellschaft habe die Wahl: Design oder Desaster. Die Wissenschaftlerin plädierte, jetzt in Klimaanpassung und Klimaschutz zu investieren: „Nichts ist teurer, als nichts zu tun.“ Trotz hoher Kosten - gesamtökonomisch werde das mit Blick auf die Zukunft die günstigere Variante sein.
Das bedeute nicht: zurück in die Steinzeit. Die Gemeinwohlorientierung stehe nicht im Widerspruch zur Aufrechterhaltung der Versorgungssysteme und des Wohlstands. Letzterer sei nicht nur monetär. In dem Prozess sei Teilhabe wichtig. Bruns sagt: „Gemeinwohlorientierte Regionalentwicklung verbindet ökologische Transformation mit sozialer Daseinsvorsorge.“ Das fange im Kleinen an. Beispiel: Nachverdichtung, Mehrgenerationenwohnen oder Wohnungstausch zwischen jungen und älteren Menschen. Wachstum allein könne nicht mehr das Ziel sein.
Ihr Buchtipp: „Ländliche Utopien. Herausforderungen und Alternativen regionaler Entwicklungen“. (ISBN: 978-3-8376-7233-6).
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