TNach Großbrand in Dollern: Wie brandgefährlich sind Reetdächer?

Wie brandgefährlich ist Reet? Reetdachdecker Reinhold Junker aus Dollern kennt sich aus. Foto: Richter (Archiv)
Nach Großbränden kommt die Frage nach der Feuergefahr bei Reetdächern immer wieder auf. Reetdachdecker und Feuerwehrleute haben dazu unterschiedliche Antworten.
Dollern. Für Feuerwehren sind Reetdachbrände eine Herausforderung: Wenn es brennt, breitet sich das Feuer meist so schnell aus, dass das Haus verloren gegeben werden und die Feuerwehr sich auf den Schutz benachbarter Gebäude fokussieren muss - wie auch bei dem Großbrand in Dollern.
Bei einem Reetdachbrand kann sich das Feuer wie an einer Zündschnur im Dachbereich ausbreiten. Spinnweben auf den Dachböden wirken wie Brandbeschleuniger. Wie schnell sich die Flammen ausbreiten können, hat Kreisfeuerwehr-Sprecher Stefan Braun selbst erlebt – unter anderem in Bützfleth.
Innen sei das Reet trocken wie ein alter Tannenbaum, auch der brennt wie Zunder. Wenn der Dachstuhl brennt, kommen die Feuerwehrleute mit ihrem Löschwasser nicht durch. Es perle außen ab. Ohne Bagger kommen die Kräfte nach dem Einsturz nicht mehr an die Glutnester.
Holländische Reetdächer sind feuerfester
„Großes Lob an die Feuerwehr“, sagt der Dollerner Reetdachdecker Reinhold Junker: „Die haben dem Feuer eine Mauer aus Wasser entgegengesetzt.“ Dadurch konnten sie vier bedeutende Reetdachgebäude in der Nachbarschaft retten: Haus und Scheune Auf dem Brink 4, das Fachwerkhaus an der Dorfstraße 10 und die alte Schule an der Dorfstraße mit der angebauten Kapelle.
Reinhold Junker würde sich Reetdächer wie in Holland wünschen: Dort wird Reet heutzutage oft auf große Holzplatten aufgeschraubt. Diese Konstruktion sei schwer entflammbar. So dauere es eineinhalb Stunden, bis der Brand sich durch das Dach nach innen fresse. Dann, sagt Junker, ist für die Feuerwehr noch genug Zeit, mit Löschlanzen und Düse zu löschen. Allerdings seien die auf diese Art gebauten Dächer in Holland nicht so lange haltbar wie die klassischen. Ein frisch eingedecktes Reetdach sei in der Regel übrigens auch schwerer entflammbar.
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Bei traditionellen Reetdächern können Löschlanzen allerdings nur partiell helfen. In der Regel brenne es zu schnell, sagt Feuerwehrsprecher Braun. Am Schornstein könne das vielleicht noch effektiv sein, wenn es nur kokelt. Bei großflächigen Feuer helfe dieser Ansatz aber nicht mehr. Manchmal kommen Spezialmittel zum Einsatz, die besser in das Dach oder den brennenden Stoff eindringen können.
In Dollern gab es noch Glück im Unglück
Der Brand in Dollern hätte übrigens auch schlimmer verlaufen können, sagt Junker: „Der Wind stand günstig, wir hatten Frost, das Reet war auch noch ein bisschen feucht.“ Feuergefährlicher sind Reetdächer im Sommer, wenn sie ausgetrocknet sind.
Aber auch das Silvesterfeuerwerk ist ein Risiko, weshalb das Abrennen von Feuerwerkskörpern in einem Radius von 200 Metern Entfernung verboten ist. Aufgrund der gegenüber einem Hartdach höheren Brandgefahr sind die Prämien für Feuerversicherungen bei traditionell reetgedeckten Häusern höher.
Trotz aller Kosten und Mühe stehen Reetdächer aber auch für Tradition und sind ein Wahrzeichen der Kulturlandschaft. Das Dachdecken mit Schilf ist zudem eine der ältesten Handwerkstechniken beim Hausbau überhaupt, weshalb die Unesco es zum immateriellen Kulturerbe erklärt hat. An Nord- und Ostsee nimmt die Anzahl von Reetdächern übrigens zu, weil Reet den Vermietern etwa 20 Prozent höhere Einnahmen ermöglicht.