T„Neuer Wind im Alten Land“: Die Macher haben nichts gelernt

Die Altländer Journalistin Beke Rieper (Felicitas Woll) liebäugelt mit ihrem Apfel-Adonis Paul (Steve Windolf). Foto: ZDF und Boris Laewen
Mit den Herzkino-Filmen will das ZDF „die perfekte Auszeit vom Alltag“ bieten. Zur Unterhaltung müssen die Menschen im Alten Land wieder mal herhalten.
Altes Land. Oha! Laut Duden ein „Ausruf des [bewundernden oder leicht tadelnden] Staunens“, der als Aufschrift einer Teetasse neben dem „Moin Moin“-Frühstücksbrettchen und dem Deichschaf-Kannenwärmer in keiner Sammlung mit norddeutschem Kulturkitsch fehlen darf. Doch Kitsch liegt im Trend, weshalb den fiktiven Altländern der ZDF-Filmreihe „Neuer Wind im Alten Land“ öfter mal ein „Oha“ entfleucht. Erstaunlich ist an den beiden neuen Episoden fast nichts - außer die unbelehrbare Dreistigkeit der Kreativen.
Die Episode „Erntezeit“ steht ganz im Zeichen des Altländer Apfels. Obstbauer Paul Harms (Steve Windolf) sieht die Zukunft seines Hofes in Gefahr, da zur Ernte weniger Helfer als gedacht erscheinen. Parallel wirbelt Lokaljournalistin Beke Rieper (Felicitas Woll) seinen Gefühlshaushalt gehörig durch, da sie sich für eine Apfelernte-Reportage gefährlich oft in seiner Nähe aufhält.
Journalistin von Welt muss dem Landvolk Toleranz beibringen
Einen jungen Obstbauern als kriminellen Menschenfeind zu inszenieren, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Paul sucht in seiner Not nicht bloß am „berüchtigten Jorker Pflücker-Parkplatz“ nach arbeitswilligen (Schwarz-)Arbeitern, sondern lässt sie auch ohne Reue in einer feuchten Scheune auf Feldbetten hausen. Die gänzlich andere Realität scheint den Autoren hier schlichtweg egal zu sein.

Die Darstellung der Altländer Zeitung wirft ein veraltetes Bild auf den Lokaljournalismus. Foto: ZDF und Boris Laewen
Vorurteile gegenüber polnischen und rumänischen Saisonarbeitern versucht die Serie humorvoll aufzubrechen. So duellieren sich die zerstrittenen Helfer mit Stammtisch-Witzen, bevor sie sich bei Bier und Wodka aussöhnen. Als Vermittlerin springt die welt- und wortgewandte Beke Rieper immer wieder in die Bresche, um dem Altländer Landvolk die drehbuchbedingt fehlende Toleranz einzubläuen.
Dorfromantik mit zu gewolltem Krimi-Anstrich
Wie die Altländer Zeitung ihre Seiten gefüllt bekommt, bleibt ein Rätsel. Denn Beke Rieper pflückt eine ganze Woche lang halbherzig Elstar-Äpfel, spannt Korrespondenten-Kollegen in Bukarest für eine Investigativrecherche zu einem mysteriösen Rumänen ein und schwärmt eifrig für ihren Apfel-Adonis Paul. Nebenschauplätze wie gesprengte Geldautomaten in Estebrügge oder ein nie aufgeklärter Autodiebstahl verpassen der drohnenflug-geschwängerten Dorfromantik einen zu gewollten Krimi-Anstrich.

Fußballplätze statt Beton! Mit dieser Forderung sprengt der Brauereibesitzer Elmar Bröhan (Michael Rothmann, 2.v.l.) Heides (Anne Roemeth, 3.v.r.) Termin, in dem sie eigentlich die neue Kehrmaschine medienwirksam einweihen wollte. Foto: ZDF und Boris Laewen
In „Stolz und Vorurteil“ nehmen die Autoren die Jorker Kommunalpolitik ins Visier. Bekes Schwester Heide Rieper (Anne Roemeth) hat ihr Amt als Bürgermeisterin an den Braumeister und Politik-Quereinsteiger Elmar Bröhan (Michael Rothmann) verloren. Doch anstatt dem Wahltrubel widmet sich Beke Rieper lieber einer Beinahe-Havarie, an der die einzige Frau in der Altländer Lotsen-Brüderschaft Schuld sein soll.
Kein Platz für emanzipatorische Botschaften
Dass hierfür die ehemalige Seefahrtsschule in Grünendeich als Lotsen-Zentrale für den Elbschiffsverkehr auserkoren wurde, geht mit dem Prädikat „putzig“ durch. Lob verdient hingegen der Ansatz, den Blick auf die Lotsinnen im männerdominierten Schifffahrtswesen zu lenken. Doch in dem Liebesdreieck zwischen Beke, dem Obstbauern Paul und ihrem plötzlich aufgetauchten Ex-Mann David (Martin Bretschneider) bleibt kein Spalt Platz für emanzipatorische Botschaften.

Für wen soll sich Beke (Felicitas Woll) entscheiden: ihren Ex-Mann David (Martin Bretschneider, links) oder Obstbauer Paul (Steve Windolf, rechts)? Foto: ZDF und Boris Laewen
„Neuer Wind im Alten Land“ bleibt seinem Konzept treu, überholte Stereotypen und Klischees in schöne Landschaftsaufnahmen zu platzieren. Diese Art der Unterhaltung passt aber zum weichgespülten Wohlfühl-Gegenpol, mit dem das ZDF dem (Sende-)Platzhirsch „Tatort“ die Stirn bieten will.