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Mittelalter

TRestauratorin Silke Adam heilt mysteriösen Schwarzen Ritter von Hollern

Erste Darstellung eines Schwarzen im Norden: Restauratorin Silke Adam festigt die Farbfassung des Schwarzen Ritters von Hollern in der St.-Mauritius-Kirche. Die Figur stammt aus dem 13. Jahrhundert.

Erste Darstellung eines Schwarzen im Norden: Restauratorin Silke Adam festigt die Farbfassung des Schwarzen Ritters von Hollern in der St.-Mauritius-Kirche. Die Figur stammt aus dem 13. Jahrhundert. Foto: Vasel

Auf ihrem Tisch liegt in der Kirche eine ganz besondere Statue des Mittelalters: Der Schwarze Ritter von Hollern ist einzigartig. Es ist die erste Darstellung eines Schwarzen im Norden. Restauratorin Silke Adam darf den Heiligen Mauritius heilen.

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Von Björn Vasel
Mittwoch, 20.03.2024, 14:22 Uhr

Hollern. Der Heilige hat ein Problem. Sein Gewand löst sich. Damit die Besucher der St.-Mauritius-Kirche nicht auf die nackte Eiche schauen müssen, haben Kirchengemeinde und Landeskirche den Restaurator Markus Tillwick aus Lüneburg und seine Kollegin Silke Adam aus Hannover zu Hilfe gerufen.

Ihre Mission: Mit der Hilfe von Hausenblasenleim - gewonnen aus Schwimmblasenhäuten von Zucht-Stören - fixiert das Restauratoren-Team abgeplatzte Farbschichten mit filigranen Pinseln. Während das vor fast 800 Jahren von einem Bildhauer bearbeitete Eichenholz arbeitet, tut es die Farbfassung nicht.

Deshalb lösen sich immer wieder Schichten ab, so die Restauratorin. In dieser Woche wollen die beiden den Heiligen heilen. Im April folgt der an dem Deckengewölbe hängende Engel.
Pastor Uwe Junge und Restauratorin Silke Adam begutachten den Heiligen Mauritius.

Pastor Uwe Junge und Restauratorin Silke Adam begutachten den Heiligen Mauritius. Foto: Vasel

Pastor Uwe Junge hat am Dienstag einen Blick auf den Heiligen Mauritius geworfen. Junge ist der Hüter des Kunstwerks. Vermutlich haben die Holländer ihren Heiligen mit nach Hollern gebracht, als sie im Zuge der Holler-Kolonisation die Marsch eindeichten und urbar machten.

Sie erbauten Anfang des 12. Jahrhunderts auch die St.-Mauritius-Kirche auf einer Warft, der mächtige Wehrturm war nicht nur bei Sturmfluten ein Fluchtort der Bevölkerung. Er ist das älteste Bauwerk des Alten Landes.

Der am Tonnengewölbe hängende Engel der Kirche in Hollern wird im April restauriert.

Der am Tonnengewölbe hängende Engel der Kirche in Hollern wird im April restauriert. Foto: Vasel

Hollern wurde erstmals um 1140 als Thitgeriscoph erwähnt. Im Jahr 1901 hatten Maurer bei der Sanierung einen Stein mit der Jahreszahl 1116 entdeckt.

Der Altländer Ritter ist innen hohl. So ließen sich Kunstwerke seinerzeit leichter transportieren, so Adam. Außerdem arbeitete das Holz so weniger, die Farbe der Heiligen - in der Regel im Altar verbaut - hielt länger.

Heute steht der Namensgeber der Kirche in einer spätmittelalterlichen Nische oberhalb der Kanzel. Der Heilige trägt ein grünes Gewand. Das Gesicht und die Hände sind pechschwarz, die Gesichtszüge allerdings europäisch. Die Statue ist aus Eichenholz und 1,12 Meter groß.
Blick auf das Gesicht der Skulptur.

Blick auf das Gesicht der Skulptur. Foto: Vasel

Schwarzer Ritter einzigartig im Norden

Die Darstellung eines schwarzen Heiligen war im 13. Jahrhundert ein Tabubruch. Der gekrönte Schwarze Ritter von Hollern ist die erste Darstellung eines Schwarzen in Norddeutschland. Selbst der jüngste der Heiligen Drei Könige wurde erst 200 Jahre später als Schwarzer dargestellt, in der europäischen Kunst des Mittelalters tauchten Farbige vor dem Tabubruch allein als Sklaven oder böse Menschen auf.

Die Rückseite des Heiligen Mauritius, die Skulptur ist von innen hohl.

Die Rückseite des Heiligen Mauritius, die Skulptur ist von innen hohl. Foto: Vasel

Der Altländer Mauritius wird von Kunsthistorikern in einem Atemzug mit dem Schwarzen Ritter des Magdeburger Doms und den Bildern auf einem Fenster im Naumburger Dom (um 1250) sowie auf einer Scheibe aus dem Kloster Wienhausen genannt.

In der Nische rechts oben steht der Heilige Mauritius (Schwarzer Ritter) in der Anfang des 12. Jahrhunderts erbauten Kirche in Hollern. Diese trägt seinen Namen.

In der Nische rechts oben steht der Heilige Mauritius (Schwarzer Ritter) in der Anfang des 12. Jahrhunderts erbauten Kirche in Hollern. Diese trägt seinen Namen. Foto: Vasel

Das sakrale Kunstwerk stammt vermutlich aus dem dritten Viertel des 13. Jahrhunderts und ist damit jünger als der Magdeburger Ritter, so die Kunsthistorikerin Dr. Gude Suckale-Redlefsen. Im Magdeburger Dom wurde einige Jahrzehnte vor dem Hollerner bereits um 1240 „mit großer Wahrscheinlichkeit zum ersten Mal ein Afrikaner als Schutzheiliger dargestellt“.

Warum im Einflussbereich der Erzdiözese Magdeburg und in Hollern der Heilige Mauritius als Schwarzer auftaucht, ist bislang ein Rätsel.

Kunstwerk in der Kirche birgt ein Mysterium

Erst unter Kaiser Karl IV. setzte sich ab Mitte des 14. Jahrhunderts langsam die Darstellung des Mauritius als Afrikaner durch, allerdings erst im Osten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Im Westen wurde der Schwarze Ritter erst kurz vor der Reformation akzeptiert.

Doch wer war der Heilige? Mauritius stammte aus einer römischen Provinz am Nil: Thebais. Der Kommandeur und die 6600 Mann starke Thebäische Legion - überwiegend christliche Soldaten - verweigerten den Befehl von Kaiser Maximianus, Christen zu töten. Sie ließen sich 302/303 widerstandslos töten und gingen als Märtyrer in die Geschichte der Christenheit ein. Der Mauritiuskult entstand. Der Heilige galt fortan als Schutzpatron des Heeres.

Otto I. bestimmte ihn nach dem Sieg auf dem Lechfeld gegen die Ungarn (955) zum Hauptpatron des Klosters und der späteren Domkirche in Magdeburg. Suckale-Redlefsen sieht in dem Afrikaner einen Stein gewordenen Helfer bei der Slawenmission. Laut der damaligen Lehre hatten Slawen und Afrikaner mit Cham, dem von Noah verfluchten Sohn, denselben Stammvater. So war der Ritter möglicherweise eine vertrauensbildende Maßnahme.
Blick in den Altarraum der St.-Mauritius-Kirche in Hollern während der Restaurierung.

Blick in den Altarraum der St.-Mauritius-Kirche in Hollern während der Restaurierung. Foto: Vasel

Doch was hat der Magdeburger mit dem Hollerner zu tun? Keine Kirche zwischen Bremen und Hamburg außer Hollern stand unter dem Patrozinium des Heiligen Mauritius. Eine Theorie: Auch bei Magdeburg gab es in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an der mittleren Elbe holländische Kolonien.

Holländer bauten dort Deiche. Möglicherweise brachten sie den Mauritiuskult mit nach Hollern. Doch für Pastor Junge gibt es weitere Theorien: Mauritius war auch Patron der Seeleute, diese spielten eine wichtige Rolle im Alten Land. Kurzum: Es ist ein Mysterium.

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