TArchäologen machen in Beckdorf spektakuläre Entdeckung

Beeindruckt von den Fundstücken aus der Vorrömischen Eisenzeit: Jan Bock (links) zeigt ein Keramikgefäß und Kreisarchäologe Daniel Nösler einen Schleifstein. Foto: Laudien
Das Ergebnis der Ausgrabungen in Beckdorf ist spektakulär: Funde aus der Vorrömischen Eisenzeit geben Aufschluss über ein Dorf von imposanter Größe.
Beckdorf. Die archäologischen Ausgrabungen im zweiten Abschnitt im Baugebiet An der Blide in Beckdorf sind abgeschlossen. Durch die Untersuchungen kamen erstaunliche Schätze zu Tage. „Dieses Gebiet ist geradezu ein Hotspot“, sagt Daniel Nösler. „Am Schneckenberg in Beckdorf gab es vor über zweieinhalbtausend Jahren eine über 50 Hektar große Siedlung - fast so groß wie Beckdorf heute“, so der Kreisarchäologe.
Ein riesiges Dorf mit Häusern, Öfen und Brunnen habe sich früher an dieser Stelle befunden. Die Ausdehnung sei immens und viel größer als gedacht. Unter anderem wurden Keramikscherben aus der mittleren bis jüngeren Eisenzeit gefunden, die Rückschlüsse auf damalige Strukturen geben.

Lagebesprechung der Archäologen zum Abschluss der Ausgrabungen in Beckdorf (von links): Kathrin Spallek, Daniel Nösler, Alexander Benn und Jan Bock. Foto: Laudie
Ein Archäologen-Team vom Büro ArchON aus Lüchow war von Mai bis Ende September damit beschäftigt, die 20.000 Quadratmeter große Fläche des Baugebietes akribisch zu untersuchen und Fundstellen und Objekte freizulegen und zu sichern.
Chef-Archäologe Jan Bock zeigt sich zum Abschluss begeistert von den Ergebnissen. „Es ist ein total spannender Ort. Wo sich heute das Baugebiet und umliegende Ackerflächen befinden, gab es früher ein riesiges Siedlungsgebiet.“
Hinweise zur Entstehung der Keramikgefäße
Unter den Keramik-Fundstücken wurden unter anderem auch Scherben mit geschwungenem Rand und Rillenmuster gefunden. „Wir sind hier in der Eisenzeit oder jünger“, sagt Nösler. Schon damals habe es Mode-Erscheinungen gegeben, die über ganz Europa verbreitet waren, so dass heute Formen und Muster Aufschluss zur Entstehung der Fundstücke geben.

Archäologin Lykke Schirk zeigt eine der Fundstellen mit eindeutigen Hinweisen auf die frühere Besiedelung. Foto: Laudien
Unter den bislang verborgenen Schätzen befindet sich auch eine handflächengroße Spinnwirbel. Die runde Keramikscheibe mit einem Loch in der Mitte wurde einst zum Spinnen von Garn verwendet und weist auf die Textilherstellung hin.
Ein Fundstück, das ebenfalls begeistert, ist ein massiver Schleifstein, der zum Schärfen von Eisengeräten wie Messer und Äxten verwendet wurde. Er zeigt zudem erkennbare Spuren von Feuer. Außerdem geben Risse den Hinweis auf Hitze und Kälte und die glatte Oberfläche zeige, dass sie eindeutig von Menschen bearbeitet wurde, versichern die Archäologen.
Frühe Planung der Ausgrabungsarbeiten
Bereits 1927 wurde ein Grab mit Silber- und Bronzebeigaben durch Zufall in Beckdorf gefunden - etwa 500 Meter vom Baugebiet An der Blide entfernt. 2009 wurde ein zweites Grab mit wertvollen Funden entdeckt. Danach begann die Suche nach Siedlungen. Was diesen Platz vor über 2000 Jahren für Siedlungen besonders begehrt machte? „Der fruchtbare Boden und die nahegelegene Este als Zubringer zur Elbe“, sagt Nösler.

Jede Fundstelle wird beschriftet und fotografisch festgehalten. Foto: Laudien
2019, beim ersten Abschnitt im Baugebiet An der Blide, ergaben Ausgrabungen bereits erstaunliche Hinweise. „Somit war auch beim zweiten Bauabschnitt mit weiteren Funden zu rechnen“, erklärt Nösler.
Im Dezember 2018 wurde die Ausdehnung und Erhaltung des Bodendenkmals durch geomagnetische Messung und im August 2023 durch Baggerprospektion überprüft. Vom Landkreis Stade wurde daraufhin die Durchführung von weiteren archäologischen Ausgrabungen angeordnet.
Ärger durch Passanten an der Ausgrabungsstätte
Parallel zu den Ausgrabungen verliefen die Erschließungsarbeiten in dem Neubaugebiet. „Die Zusammenarbeit hat super geklappt“, lobt Archäologin Kathrin Spallek. Lediglich kurzzeitig kam es, wie berichtet, zum Ärger durch Spaziergänger mit Hunden, da diese die freigelegten Fundstellen missachteten und die Ausgrabungen dadurch behinderten.

Mit modernem Messgerät hält Kathrin Spallek die Fundstellen für eine Übersichtskarte fest, um Zusammenhänge zu erkennen. Foto: Laudien
Der Gemeinde Beckdorf entstehen durch die archäologischen Ausgrabungen Kosten in Höhe von circa 200.000 Euro, die in die Erschließungskosten eingerechnet werden. „Abschließend sind wir 40.000 Euro günstiger geblieben als vorgesehen“, sagt Nösler.
Die Stader Kreisarchäologie kann nun ein weiteres Puzzleteil in die Rekonstruktion einfügen - mit Hinweisen zu einer unerwartet großen Besiedelungsfläche. Nach endgültiger Bewertung ist für die Bevölkerung eine Ausstellung mit Vortrag im Beekhoff geplant, so Nösler.
Der Kreisarchäologe plant bereits ein größeres Forschungsprojekt zusammen mit Kollegen aus Wilhelmshaven und möchte dazu die Erkenntnisse aus Beckdorf nutzen. Unter anderem wird sich auch mit der Frage befasst, warum die Region in Beckdorf und Apensen derart reich an Funden ist. Eine grundlegende Aufarbeitung soll die Bedeutung dieser Region dokumentieren.

Parallel zu den archäologischen Ausgrabungen verlaufen die Erschließungsarbeiten mit schwerem Gerät im Beckdorfer Baugebiet. Foto: Laudien