TTobias Prigge aus Wiegersen ist gefragter Restaurator - er hilft in ganz Europa

Fliesen, Steine, Bohlen - Maurer Tobias Prigge sammelt in seiner Werkstatt alte Baumaterialien. Foto: Susanne Laudien
Ob Fachwerkhäuser im Ahrtal oder historische Kirchen in Rumänien - Maurer Tobias Prigge ist als Retter von alten Bauwerken ein gefragter Typ. Wie er dazu kam und wo er überall hilft.
Wiegersen. Die Auswirkungen der Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal sind auch heute noch sichtbar. Allein 500 Fachwerkhäuser waren von der Flut betroffen und viele Schäden sind noch immer nicht behoben. Nach der anfänglichen Welle an Hilfsbereitschaft wird immer noch Unterstützung benötigt. Zu den Helfern gehört weiterhin eine Gruppe von Fachkräften, die sich „Gesellen helfen“ nennen und Handwerker von der Walz sind. Zu ihnen zählt auch Tobias Prigge aus Wiegersen.
Nach seiner Ausbildung zum Maurer ging er als Handwerks-Geselle auf Wanderschaft quer durch Europa. Von Wiegersen bis Spanien war er zu Fuß unterwegs. „Ich bin mit 22 Jahren los und kam mit 25 wieder“, erzählt Prigge. In der Zeit hat er hauptsächlich an Kirchen und Schlössern gearbeitet und auch alte Lehmbacköfen auf Korsika und in Frankreich repariert.
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Kontakt zu Handwerkern auf der Walz
Durch den Kontakt zu Wandergesellen während seiner Zeit als Tippelbruder kam Prigge 2021 erstmals als Helfer ins Ahrtal. Sein Wissen als Maurer und dank einer Fortbildung als Restaurator war hier gefragt, um bei den beschädigten Fachwerkhäusern zu helfen. „Überall war Schlamm und es stank nach Öl. Vieles wurde inzwischen beseitigt und gereinigt, doch die Feuchtigkeit sitzt bei vielen Häusern noch tief im Mauerwerk“, erzählt Prigge.
Erdgeschosse sind unbewohnbar und die Menschen leben daher im Obergeschoss. Meistens muss der Estrich komplett raus, Putz abgeschlagen und Bauschutt abgefahren werden. Zusätzliche Gefahr für alte Fachwerkhäuser bis heute: Durch die Feuchtigkeit vergammeln die Holzbalken. 2022 kam zwar langsam wieder etwas Normalität in die Orte.
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Doch an einer Burgruine sah Prigge kürzlich aufgestellte Kreuze und Teelichter - nicht für die einstigen 135 Opfer der Flut, sondern als Erinnerung an jene, die sich erst danach aus Verzweiflung das Leben nahmen. „Darunter auch viele Jüngere, die mit ihrem Schicksal einfach nicht zurechtkamen“, sagt Prigge.
Mit Kameraden von der einstigen Wanderschaft arbeitete der Wiegersener auch an anderen Bauprojekten wie dem Schloß Reasfeld, eine Sehenswürdigkeit im Münsterland, deren Anfänge bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen. Wenn es um alte Bausubstanz geht, ist Prigge auch in heimischer Region unterwegs.
Im Kiekeberg Museum etwa hat er ein denkmalgeschütztes Gebäude restauriert. Ein historischer Keller konnte dank seiner Hilfe beim bäuerlichen Hauswesen in Bliedersdorf fachgerecht wieder aufgebaut werden, ebenso wie ein alter Lehmbackofen in Reith. Zudem erstellte er eine Dokumentation über das Durchfahrtstor vom Agathenburger Schloss.
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Vernetzung mit anderen Restauratoren
In Süddeutschland wird bei alter Bausubstanz mehr Wert auf Nachhaltigkeit gelegt und ein Restaurator zu Rate gezogen, sagt Prigge. In Norddeutschland werde sich hingegen oft auf gute Handwerksbetriebe verlassen. Doch moderne Baustoffe sind nicht immer für alte Bauten geeignet, weiß der Bau-Experte und nennt als Beispiel die Marienkirche in Lübeck, die nach Ausbesserungen noch größere Risse zeige.
Ob Kirchen, Burgen oder Schlösser - alte Bauten sind Prigges große Leidenschaft. Dafür fährt er in seiner Freizeit herum, macht Fotos und dokumentiert alte Bauten. Über eine WhatsApp-Gruppe ist er mit anderen Restauratoren vernetzt, die sich bei Fragen austauschen. Während seiner Ausbildung habe er vom Altgesellen und dem Chef das Mauern von Fachwerk erlernt. Aber auch Gewölbe, wie sie früher in Kirchen und Klöstern gebaut wurden, haben es ihm angetan.

Hohe Baukunst: Das aufwendige Gewölbe hat Tobias Prigge für seinen Pizzabackofen im eigenen Garten gemauert. Foto: Susanne Laudien
„Ich wollte schon immer mal selber eine Kirche bauen“, sagt Prigge. Daraus wurde noch nichts. Aber der von ihm gemauerte Pizzabackofen in seinem Garten im gotischen Baustil kommt dem schon sehr nahe. Mehrere Bauherren hat Tobias Prigge bereits beraten und gibt gerne Tipps. Er weiß genau, wie Mörtel beschaffen sein muss, etwa wie einst aus Pferdehaaren oder Kuhmist. In seiner Werkstatt in Wiegersen sammelt der 44-Jährige außerdem alte Baumaterialien wie Findlinge, Mauersteine, Fliesen und Holzbalken, die er aus Containern rettet. „Für viele ist es Bauschutt - für mich kann es wertvoll sein“, sagt Prigge. Einiges hat er bereits im eigenen Haus in Wiegersen verbaut wie etwa im Wohnzimmer eine Ablage aus alten Mauersteinen, ein Regal aus schmiedeeisernem Fenstergitter und die Teile eines alten Holzgeländers aus einer Harsefelder Schule kommen neu zur Geltung.
Im Mai gibt es für Prigge das nächste Großprojekt: In Rumänien untersucht er in Siebenbürgen die Bausubstanz einer mittelalterlichen Kirche. Für ihn ein Eldorado, denn die Region ist berühmt für ihre zahlreiche Kirchenburgen.