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Küstenschutz

T12 Jahre Bauzeit: Uferschnepfe bremst Deicherhöhung in Nordkehdingen aus

Hier lagert bereits Kleiboden für die Deicherhöhung.

Hier lagert bereits Kleiboden für die Deicherhöhung. Foto: Helfferich

Die Deicherhöhung ist immens wichtig, auch in Nordkehdingen soll es losgehen. Doch im Vogelschutzgebiet brütet die Uferschnepfe - und die sorgt für eine satte Verzögerung.

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Von Susanne Helfferich
Dienstag, 19.11.2024, 15:50 Uhr

Balje. Im kommenden Jahr soll für die Deicherhöhung im Abschnitt Nordkehdingen das Planfeststellungsverfahren beginnen. Über eine Länge von 25 Kilometern - vom Ostesperrwerk bis zum Fähranleger Wischhafen - soll der Deich um knapp zwei Meter erhöht werden. Hierfür werden 2,8 Millionen Kubikmeter Kleierde benötigt. 50.000 Kubikmeter sind bereits in Balje binnendeichs angelagert. Denn dort soll es mit der Deicherhöhung losgehen: vom Ostesperrwerk bis nach Balje auf Höhe der Gellertstraße.

Kürzlich berichtete die Geschäftsführerin des Deichverbandes Kehdingen-Oste, Stephanie Wischkony, im Baljer Dorftreff von der geplanten Deicherhöhung. Vom Sperrwerk bis Balje sind es sechs Kilometer Strecke, auf der der Deich von 7,80 Metern auf 9,40 bis 9,60 Meter erhöht werden soll. Außerdem muss am Naljer Siel das alte Sielgebäude durch einen Neubau ersetzt werden.

Uferschnepfe brütet bis Anfang Juli im Schutzgebiet

Was die rund 60 Zuhörer des Dorftreffs beunruhigte, war die Information, dass für die Bauarbeiten nur ein Zeitfenster von zehn Wochen - vom 1. Juli bis Mitte September - pro Jahr zur Verfügung steht. Denn der Landeshauptdeich grenzt an das EU-Vogelschutzgebiet, und dort brüten bis Juli die Uferschnepfe und der Kiebitz.

In Deutschland gilt die Uferschnepfe als vom Aussterben bedroht, weltweit als potenziell gefährdet. Daher wird die Population als besonders schützenswert erachtet. Der Außendeich in Nordkehdingen bietet ihr und auch dem streng geschützten Kiebitz optimale Brutbedingungen.

Das Naljer Sielgebäude muss der Deicherhöhung weichen und wird durch einen Neubau ersetzt.

Das Naljer Sielgebäude muss der Deicherhöhung weichen und wird durch einen Neubau ersetzt. Foto: Susanne Helfferich

Doch wenn der Naturschutz bei seiner Forderung bleibt und nur zehn Wochen gebaut werden darf, verlängert sich die Bauzeit für die Deicherhöhung erheblich: Vom 1. Oktober bis 31. März wird der Deich wegen Sturmflutgefahr ohnehin nicht angefasst. In den verbleibenden zehn Wochen könnten pro Jahr nur 500 Meter Deich ertüchtigt werden.

Insgesamt würden sich die Bauarbeiten für nur dieses Teilstück zwischen Ostesperrwerk und Balje auf zwölf Jahre erstrecken; wobei der Neubau des Naljer Sielgebäudes noch nicht berücksichtigt sei, so Wischkony. Das binnen zehn Wochen zu bauen und sturmflutsicher zu bekommen, sei kaum zu schaffen.

NLWKN und Naturschutzbehörde im Austausch

Der Deichverband Kehdingen-Oste ist Bauherr. Für die Planung und Umsetzung ist das NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) zuständig. Peter Schley, Leiter der NLWKN-Betriebsstelle Stade und ehemaliger Geschäftsführer des Deichverbandes Kehdingen-Oste, bestätigt das knappe Zeitfenster.

„Formell wäre es so, aber wir suchen andere Lösungen“, sagt er. Darüber sei er im Gespräch mit der beim Landkreis angesiedelten Unteren Naturschutzbehörde. „Wir müssen im Winter den Deich geschlossen halten“, so Schley, „und dafür suchen wir Lösungen.“ Ein entsprechender Bauentwurf werde derzeit von einem naturschutzfachlichen Büro geprüft.

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Es könnten Kohärenz- und Kompensationsmaßnahmen ergriffen werden. „Eine Kohärenzmaßnahme könnte sein, für die Uferschnepfe im Vorwege ein Ausweichgebiet zu suchen und erst dann mit der Deichnacherhöhung loszulegen, wenn sie es angenommen hat“, erklärt Schley. Aber erstens seien die Flächen nicht vorhanden, und zweitens dauere dies viel zu lange.

Oberdeichgraf Boehlke sieht das Land in der Pflicht

„Im Nordkehdinger Bereich wird die Deichnacherhöhung schon jetzt am längsten dauern“, gibt Schley zu bedenken. Insgesamt 57 Kilometer Deich muss der Verband in den nächsten Jahren ertüchtigen. 150 Millionen Euro wird das kosten. Hinzu kommen die Sielbauwerke Nalje und Schönworth, die im Zuge der Deicherhöhung weichen und neu gebaut werden müssen. Ein weiteres Problem ist, dass die erforderliche Kleierde nicht verfügbar ist.

Stephanie Wischkony, Geschäftsführerin des Deichverbandes Kehdingen-Oste, und Oberdeichgraf Albert Boehlke sorgen sich um das kleine Zeitfenster für die Deicherhöhung.

Stephanie Wischkony, Geschäftsführerin des Deichverbandes Kehdingen-Oste, und Oberdeichgraf Albert Boehlke sorgen sich um das kleine Zeitfenster für die Deicherhöhung. Foto: Helfferich

Auch Albert Boehlke, Oberdeichgraf im Deichverband Kehdingen-Oste, ist alarmiert. „Ich sehe das Land in der Pflicht und erwarte, dass es aktiv wird in Brüssel.“ Das Land sei verantwortlich für die Umsetzung der Deicherhöhung. „Es legt die Bestickhöhe fest und muss auch Begleitfragen klären“, sagt Boehlke deutlich. Es gehe nicht um die Frage Küstenschutz oder Naturschutz: „Wenn der Deich bricht, entstehen nicht nur Kosten, auch die Natur ist dann gefährdet.“

Landkreis-Sprecher Daniel Beneke verweist auf Nachfrage zunächst auf das im Vogelschutzgebiet geltende EU-Recht. „Der Landkreis sieht aber die Problematik und versucht, Lösungen zu finden“, dazu würden Gespräche mit dem Land und dem Bund geführt - und bei Bedarf auch mit Brüssel.

Bei der Deichschau Ende Oktober waren auch die Deicherhöhung und der Neubau des Naljer Siels Thema. Im Vordergrund Deichgraf Klaus Leidecker, der ehemalige Baljer Bürgermeister Hermann Bösch und Simone Ilse vom Landkreis Stade (von links).

Bei der Deichschau Ende Oktober waren auch die Deicherhöhung und der Neubau des Naljer Siels Thema. Im Vordergrund Deichgraf Klaus Leidecker, der ehemalige Baljer Bürgermeister Hermann Bösch und Simone Ilse vom Landkreis Stade (von links). Foto: Helfferich

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