T50 Jahre bei Bäcker Holst: Marlies Schildt verkaufte noch Brötchen für 20 Pfennige

Marlies Schildt hat 50 Jahre in der Freiburger Bäckerei Holst als Verkäuferin gearbeitet. Foto: Daniela Richters
Als Marlies Schildt vor 50 Jahren als Lehrling im Verkauf der Bäckerei Holst in Freiburg anfing, gab es nur drei Sorten Brötchen und sie kosteten 20 Pfennige das Stück. Nicht nur die Preise haben sich seither verändert, auch das Aufgabengebiet.
Freiburg. Aufgewachsen ist Marlies Schildt im Bruch, in Oederquart. Dort, wo die Leute eine halbe Stunde vorher sehen können, wer zu Besuch kommt. Plattes Land eben. Anfang der 70er Jahre, als Marlies noch Möller hieß und mit der Schule fertig war, vermittelte ihre Cousine ihr die Anstellung bei der Bäckerei Holst. Die Cousine arbeitete bis dahin selbst dort. Als sie schwanger wurde, schickte sie Marlies als Ersatz.
Damals gab es noch vier Bäckereien in Freiburg: Bartels, Kühlcke, Wiechers und Holst. Die 15-jährige Marlies lernte nicht nur, Brötchen, Brot und Kuchen zu verkaufen, sondern auch für bis zu sieben Personen zu kochen. Denn mittags saßen neben der Familie Holst - mit den beiden Söhnen Heinrich und Helmuth, Tochter Margret war schon aus dem Haus - auch die Männer aus der Backstube mit am Tisch.
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Lange Arbeitstage und Familienanschluss
Die Arbeitstage waren lang. In manchen Wochen arbeitete die angehende Bäckereiverkäuferin sieben Tage die Woche; an den fünf Werktagen ab 6 Uhr, sonnabends von 5.30 bis 14.30 Uhr und sonntags alle 14 Tage von 10 bis 12 Uhr für den Kuchenverkauf. Zweimal pro Woche fuhr sie von Freiburg mit dem Bus zur Berufsschule nach Dornbusch. Zur Bäckerei nach Freiburg nahm sie morgens ein Nachbar mit.
Als Lehrling wurde Marlies Schildt quasi Mitglied der Familie Holst. Wilhelmine und Konrad Holst führten den Familienbetrieb, sie im Verkauf, er in der Bäckerei. Sohn Heinrich lernte in einem anderen Betrieb das Bäckerhandwerk, machte seinen Meister und half hin und wieder dem Vater. Alles sei sehr familiär gewesen, erzählt Marlies Schildt, und manchmal habe sich die Belegschaft einen Streich erlaubt; so auch mit „Opa Holst“, dem Vater von Konrad: „Der saß immer vor der Tür mit dem Handstock, wollte Suppe essen, Selleriesuppe. Dann haben wir ihm mal einen Teller mit einem ganzen Sellerie hingestellt. Danach wollte er keine Selleriesuppe mehr.“

50 Jahre in einem Betrieb: Marlies Schildt (Zweite von rechts) und ihre Kolleginnen Imke Hustedt, Marianne Funck und Daniela Richters (von links). Foto: Susanne Helfferich
Brötchen kosten heute fast das Zehnfache
In den 50 Jahren, seit Marlies Schildt Anfang der 70er Jahre als Lehrling anfing, hat sich viel verändert: Damals kosteten die Brötchen 20 Pfennige. „Es gab einfache, Mohn, Sesam und Hedwig mit Rosinen“, zählt die heute 66-Jährige auf. Beim Brot hatten die Kunden die Wahl zwischen Schwarzbrot und Feinbrot. Als Marlies Schildt nun in Ruhestand ging, hatte die Bäckerei Holst 20 Sorten Brötchen im Angebot. Das einfache koste 55 Cent - umgerechnet 1,10 Mark -, das Käsebrötchen 1,40 Euro.
Die Auswahl der Kuchen beschränkte sich auf Butterkuchen, Streusel- und Rosinenschnecken und Amerikaner. „Den Butterkuchen gab es trocken und mit selbst gekochtem Vanillepudding gefüllt.“ Die zehn Liter Pudding musste Marlies Schildt rühren. „Das ging in die Arme“, erzählt sie lachend. Auch ganze Torten habe die Bäckerei verkauft. Heute griffen die Kunden lieber zu Coppenrath&Wiese aus der Tiefkühltruhe.
2006 übernahm Heinrich vom Vater den Bäckereibetrieb. „Das war ein toller Chef, mit ihm war’s immer lustig“, erzählt die 66-Jährige. Heinrich Holst habe eine liebevolle Art gehabt und die dann immerhin schon Mittvierzigerin „meen Lütten“ genannt. „Und wenn mal was verbrannt ist, weil er zum Schnacken in den Laden gekommen war, hatte er nur gelacht.“ Für die ganze Belegschaft sei es ein schwerer Verlust gewesen, als Heinrich Holst 2017 starb. Doch der Betrieb blieb in der Familie. Bruder Helmuth übernahm. Familiär war jetzt auch der Abschied. Die Schwester der Holst-Brüder, Margret, hatte aus der Ferne einen Überraschungs-Kaffee angeschoben. Mit dabei die Kolleginnen Imke Hustedt und Daniela Richters aus der Backstube und Marianne Funck aus dem Verkauf.