TÄrztin klärt auf: Sind Frauen anders krank als Männer?
Verschiedene Symptome, andere Medikation: Krankheiten verlaufen bei Männern und Frauen unterschiedlich und müssen mitunter anders behandelt werden. Foto: obs/Mattel GmbH, NZ-Grafik
Der Mythos vom Männerschnupfen: In ihrer Praxis erlebt eine Bremerhavener Ärztin das Klischee von wehleidigen Männern nicht. Trotzdem ist etwas Wahres dran.
Bremerhaven. Der Männerschnupfen kann hart sein. Frauen niesen ein paar Mal, dann sind sie wieder fit. Ist das ein Klischee oder nicht? Die Bremerhavener Hausärztin Dr. Birgit Lorenz erklärt, warum Männer und Frauen in der Tat anders krank sind.
Zwar erlebt sie in der Arztpraxis keine wehleidigen Männer, die die kleinste Erkältung umhaut. Dennoch sind Männer den Frauen in ihrer Infektabwehr unterlegen.
Covid für mehr Männer gefährlicher verlaufen
Die Krankenkasse Barmer zitiert den Immunologen Professor Carsten Watzel von der TU Dortmund: „Das männliche Immunsystem arbeitet weniger effizient“, so der Mediziner.
Das zeige sich nicht nur bei der sogenannten Männergrippe, sondern auch in der Corona-Pandemie: Für mehr Männer als Frauen verlief Covid schwer und tödlich – obwohl beide Geschlechter etwa gleich häufig erkranken.
Lorenz bringt es auf den Punkt: „Frauen sind anders krank als Männer. Es gibt Unterschiede bei den organischen Symptomen. Sie reagieren aber auch psychosomatisch anders.“
Medikamente müssen anders dosiert werden
Nicht nur die Symptome sind bei bestimmten Erkrankungen verschieden, auch die Medikamente müssen teilweise unterschiedlich dosiert werden.
„Es gibt bestimmte Arzneimittel, die bei Frauen in einer Dosierung ausreichen, bei Männern gleichen Körpergewichts noch nicht“, weiß die Ärztin. Das könne damit zusammenhängen, wie ein Medikament einen Wirkstoff im jeweiligen Körper verteilt. „Eine Rolle spielen auch die Hormone und prinzipiell höhere Fettmasse im Vergleich zur Muskelmasse bei Frauen“, sagt Lorenz.

Medizinerin Dr. Birgit Lorenz in ihrer Praxis in Bremerhaven. Foto: Arnd Hartmann
Mediziner haben die Erfahrung gemacht, dass sie bei Patientinnen Schmerzmittel in niedrigerer Dosierung verordnen müssen.
Klassische Arzneimittel gegen Bluthochdruck oder Diabetes würden am 70-Kilo-Mann bis zum Alter von 70 Jahren getestet. „Frauen sind hingegen häufig nicht in der Kontrollgruppe“, sagt Lorenz. Der Grund sind Schwangerschaften und Wechseljahre. „Aus ethischen Gründen ist es schwierig, an Schwangeren zu forschen“, sagt Lorenz. „Außerdem ist unklar, welchen Einfluss Hormonverluste in den Wechseljahren haben. Das heißt: Man müsste die Frauen konstant überwachen und testen, und das ist teurer, als an kerngesunden Männern zu forschen.“
Weibliche Herzinfarkte und Schlaganfälle verlaufen anders als bei Männern
Dennoch sieht Lorenz Fortschritte: „Die Gendermedizin hat das Thema erkannt, die Pharmaindustrie zieht nach und bezieht Frauen mittlerweile stärker ein.“
Am Beispiel von Herzinfarkt und Schlaganfall erklärt sie, wie verschieden die Symptome sein können. „Frauen gehorchen beim Herzinfarkt nicht dem männlichen Standard“, sagt die Allgemeinmedizinerin. „Typisch für Männer: Im linken Brustkorb tut es heftig weh. Sie spüren einen Vernichtungsschmerz.“
Frauen hätten hingegen häufig weniger Schmerzen beim Infarkt. „Manchmal verteilen sich diese mehr im Rücken oder Oberbauchbereich. Der Herzinfarkt ist bei Frauen sehr viel unspezifischer. Daher kamen sie in der Vergangenheit mitunter zu spät in medizinische Behandlung. Mittlerweile ist das zum Glück sehr selten geworden.“
Andere Anzeichen beim Schlaganfall
Auch die Häufigkeit der Erkrankung ist bei den Geschlechtern verschieden: „Frauen erkranken vor den Wechseljahren seltener an Herzinfarkten als Männer. Nach dem Klimakterium nimmt die Häufigkeit zu. Wenn sie einen Infarkt erleiden, sterben sie häufiger daran.“
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Ähnlich ist es beim Schlaganfall: „Der Mann zeigt die typische Halbseitenlähmung“, erklärt Lorenz. „Bei Frauen ist es eher eine verwaschene Sprache, die auf einen Schlaganfall hindeuten kann. Sie können nicht richtig hören oder sehen, sie haben kleinere motorische Defizite. Es ist schwerer erkennbar: Sie können zum Beispiel noch laufen, aber schlechter, während Männer meist gar nicht mehr gehen können.“ Das Problem in der Bevölkerung sei, dass man den männlichen Standard im Kopf habe, der bei Frauen aber nicht immer zutreffe.
Junge Männer kümmern sich mehr um sich selbst
Was außerdem bemerkenswert ist: „Frauen leiden anders an Krankheiten“, sagt Lorenz. „Wegen der Mehrfachbelastung durch Job, Kindererziehung und Haushalt müssen sie einfach länger durchhalten.“ Sie gehen häufiger zum Arzt als Männer – aus Verantwortungsgefühl für die Familie. „Männer sind schlechter zu gesundheitlichen Check-ups zu bewegen“, sagt Lorenz. „Das wird bei jungen Männern statistisch besser. Sie kümmern sich mehr um sich selbst.“
Auch im hohen Alter zeigt sich ein Unterschied: „Frauen sammeln im Leben mehrere chronische Krankheiten“, sagt Lorenz. „Sie sind multimorbider, wenn sie alt sind. Männer haben meist nur ein oder zwei Erkrankungen, die Einschläge sind aber heftiger. Beispiel Bluthochdruck: Männer neigen eher dazu, den in jungen Jahren nicht behandeln zu lassen, leben risikoreicher. Die Folgen zeigen sich später.“