TAhlerstedt feiert Karneval: Politisches und Partystimmung im Auetal

Das Prinzenpaar Thomas und Nadine Pergmann regiert den Abend von der Bühne aus. Jeder, der auftritt, bekommt einen Orden aus ihren Händen. Foto: Fehlbus
Ahlerstedts Karnevalisten decken auf, warum zuletzt nur vor dem Schützenhof die Landesstraße repariert worden ist. Sie feiern einen Weltrekord und unterstützen die Landwirte. Doch der stimmungsvolle Abend hatte noch viel mehr zu bieten.
Ahlerstedt. Prinz Thomas Pergmann und Prinzessin Nadine werden huldvoll durch den Saal im Schützenhof Ahlerstedt geleitet. Es ist 20.11 Uhr. Zeit für ein Karneval-Programm, das sich mit den Hochburgen am Rhein messen lässt. Es gibt Politisches, Männerballett und Funkenmariechen. Am Rand sitzen Piraten, Zauberer und wilde Fußballerinnen-Kerle. Auf dem Podium hat der Elferrat Platz genommen. Es ist die 74. Session. Der Ahlerstedter Karneval besteht seit 1950.
Ahlerstedts Schützen und Schlaglöcher werden aufs Korn genommen
Gleich zu Beginn startet die Show mit einem besonderen Spruch: „Für den Bauern, für die Sau, Ahlerstedt Helau“. Das Sympathiebekenntnis für die Proteste der Landwirte relativiert sich später beim Wetterbericht der „Ahlerstedter Tagesschau“: „Ist der Tag kalt, nass oder schön, will der Bauer Kohle seh’n“, säuselt Sprecher Bernd Alpers durch den hölzernen TV-Kasten.

Warnschilder vor Schlaglöchern: Angeblich wurde nur für die Schützen das Teilstück der Hauptstraße saniert, meinen die Karnevalisten aus Ahlerstedt. Foto: Fehlbus
Auch die zweite große feierfreudige Vereins-Gruppe im Ort wird auf die Schippe genommen: die Schützen. Angeblich allein für sie - wegen der bekannt schlechten Performance auf unebenem Boden nach Festen - wurde die Landesstraße im vergangenen Jahr ausschließlich vor dem Schützenhof saniert. Dabei sind sie doch stolz auf ihre Straßenschäden. Sogar ins Guinness Buch der Rekorde habe es Ahlerstedt damit geschafft: mit dem größten Schlagloch der Welt. „Archäologische Aushilfsstudenten haben am Grund dieses Lochs sogar Ausgrabungen gemacht und herausgefunden, dass die Straße auf Steinhäger-Flaschen gebaut wurde“, flötet Nachrichtensprecher Alpers durch den Saal.
Pumuckl in Ampelfarben und in Apensen nichts Neues
Und außerdem sei durchgesickert, dass in Ahlerstedt ansässige Kfz- und Reifenbetriebe längst eine Petition gestartet hätten, um jede Reparaturmaßnahme an der Hauptstraße durch den Ort zu verhindern. Das Narrenvolk biegt sich vor Lachen, als auch noch ein Schütze auf Knien über die Warnschilder stolpert. Heute können hier mal alle Freudentränen vergießen. Ansonsten ist es in Ahlerstedt ein riesiges Ärgernis.

Die Funkenmariechen eröffneten den Showabend nach dem Einmarsch des Prinzenpaars. Foto: Fehlbus
Die Ampel-Koalition in Berlin kommt verhältnismäßig gut durch die Narren-Kritik. Es sei ja klar, wer dort heimlich regiere. In diesem Moment springt Pumuckl in Rot-Grün-Gelb über das Parkett. Etwas ziellos und verrückt sieht es aus. Die Berliner Ampel funktioniere nicht halb so gut wie die Fußgängerampel in Ahlerstedt, aber das sei ja nichts Besonderes. Auch nicht die Nachbarschaft in Apensen: „Da ist alles beim Alten“, befindet der unabhängige Nachrichtensprecher über einige Negativ-Schlagzeilen im vergangenen Jahr.
Hip-Hop-Tänzer trainieren für Norddeutsche Meisterschaft
Der Saal tobt, als Nikola Franczuk und ihr Hip-Hop-Team aus Buxtehude dem Karnevals-Volk zeigen, was sie können. Die jungen Tänzer wollen im Juni bei den Norddeutschen Meisterschaften angreifen. „B-Nation“ heißt die Gruppe mit 18 Tänzerinnen und Tänzern. Seit einem Jahr trainieren sie in der Tanzschule Tanzhaus für den Junior-Wettbewerb, erzählt die 23 Jahre alte Trainerin. Sie selbst tanzt bei den „Daughters“ in Berlin auf internationaler Ebene mit.

Nikola Franczuk und ihr Hip-Hop-Team aus Buxtehude brachten den Saal zum Toben. Foto: Fehlbus
Für einen Meisterschaftsauftritt wird es beim Männerballett des MTV Ahlerstedt nicht reichen. Aber ein bisschen sind sie schon die Stars des Abends. Wie Boxer zum Finalkampf verkleidet kommen sie auf die Tanzfläche und zeigen am Ende sogar eine menschliche Pyramide, die der der Funkenmariechen ähnlich ist.
Die Tanzmariechen präsentieren den traditionellen Gardetanz, sind aber auch am Ende mit dabei, als sich die Polonaise in scheinbarer Endlosschleife über die Tanzfläche windet.
Sich selbst nicht zu ernst nehmen in der fünften Jahreszeit
In Ahlerstedt im Auetal hat der Zug keine Bremse, feiern alle Dorfkinder und brauchen keine Stadt. „Es ist einfach die schönste Jahreszeit“, schwärmt Zeremonienmeister Tim Vollmers. Mit Kasperlekopf auf dem Zeremonienstab gibt er allen, die ins Rampenlicht treten, das Geleit. Beim Männerballett nimmt er sich ohne Narren-Robe selbst nicht so ernst.
Auch das Prinzenpaar muss einiges über sich ergehen lassen. Von Lübzer Geschichten ist die Rede. Eine Gummipuppe plus Gummiboot dreht im Saal die Runde. Eine Bierflasche und ein besonderer Waffenschrank, den der Prinz gern hätte, sind die wandernden Requisiten. Ein Maulwurf und ein Mammut erzählen, wie sie sich einst verliebt haben. Manche Geschichten bleiben besser für immer im Saal. Bis in die Morgenstunden wird in Ahlerstedt gefeiert. Am Sonntagnachmittag ging es weiter. Ein paar wilde Tage stehen den Karnevalisten - nicht nur in Köln - noch bevor. Erst am Mittwoch ist dann alles vorbei.