TAhlerstedter Apfeltag: Experte identifiziert unbekannte Früchte
Der Pomologe Andreas Kallwitz bestimmt beim Ahlerstedter Apfeltag alte Apfelsorten, die Menschen ihm vorlegen. Mehrere Hundert Sorten kennt der Experte aus Bremen. Foto: Sulzyc
In 80 Prozent der Fälle erkennt Andreas Kallwitz den Apfel, den Gartenbesitzer ihm vorlegen. Bei einem Apfel aus Brest musste der Pomologe aber passen.
Ahlerstedt. Ein kurzer Blick auf die gelb-grünen Äpfel genügt dem Experten. „Ein breiter Baum, sehr ausladend?“, fragt er nach und erhält Bestätigung. „Das ist ein Jakob Lebel, eine aus Frankreich stammende Sorte“, legt sich der Pomologe Andreas Kallwitz fest.
Ein wenig zu fachsimpeln im Anschluss gehört auch dazu. Die mehr als 100 Jahre alte Herbstapfelsorte sei besonders zum Backen geeignet. „Dieser Apfel wird so fettig, dass man sich die Hände damit eincremen kann“, sagt Andreas Kallwitz.
Geduldig stehen Gartenbesitzer Schlange
Beim 21. Ahlerstedter Apfeltag ist der Apfelkenner aus Bremen ein viel gefragter Mann. Trotz des ungemütlichen Schauerwetters umringen viele Gartenbesitzer den Tisch, an dem Andreas Kallwitz und sein Pomologenkollege Michael Schulz sitzen. Geduldig stehen die Menschen Schlange.
Die Menschen erhoffen sich Erkenntnis auf die Frage: Was für ein Obst haben wir da eigentlich am Baum hängen? Sie wissen es nicht, weil sie zum Beispiel einen verwilderten Garten gepachtet oder gekauft haben. Oder weil das Wissen mit dem Tod der Großeltern verloren gegangen ist.
Einige Hundert Apfelsorten kennt der Pomologe
Rund 2000 Apfelsorten wachsen in Deutschland. Die kann selbst ein Experte nicht alle kennen. Einige Hundert Apfelsorten weiß Andreas Kallwitz nach eigenen Angaben zu identifizieren. Er ist ein Spezialist für alte Apfelsorten, die in der Regel nicht mehr gehandelt werden. Als alt gelten Sorten, die bereits vor mindestens 50 Jahren kultiviert wurden.
Die Frucht mit Namen Jonathan ist so eine alte Sorte. Sie sei bereits 1826 kultiviert worden, sagt Kallwitz. An einigen charakteristischen Flecken, Spots genannt, identifiziert der Kenner diesen Apfel. Aber wie hat der Apfelkenner diese Fähigkeit erlangt?
Von Beruf ist Andreas Kallwitz Heiler. Zuvor hat er drei Musikclubs in Bremen betrieben, Techno-Läden. Es gibt keine Ausbildung, kein Studium dafür, um Pomologe zu werden. Die Bezeichnung Pomologe geht auf Pomona, die römische Göttin der Baumfrüchte, zurück. Auf einem alten Gut entdeckte Andreas Kallwitz bei einer Fahrradtour seltene Obstsorten und begeisterte sich dafür.
Von Pomologen eignete er sich das Wissen darüber an. „Ich habe festgestellt, dass ich ein Auge dafür habe, Sorten zu erkennen“, sagt Andreas Kallwitz. Mittlerweile ist er ein anerkannter Pomologe. In der Zeit von Ende September bis Ende November ist Andreas Kallwitz an Wochenenden bei Apfeltagen und Herbstmärkten zu Gast und identifiziert Apfelsorten.
Aufzeichnungen in zwölf Aktenordnern mit vielen Fotos hat er zum Apfeltag in Ahlerstedt mitgebracht. Äpfel werden in erster Linie anhand der Früchte selbst bestimmt. Zusätzlich ziehen Pomologen Merkmale wie zum Beispiel Blätter oder Lagerfähigkeit zur Bestimmung heran.
Jeweils drei Euro zahlen die Obstbaumbesitzer, wenn es dem Pomologen gelingt, ihren Apfel zu identifizieren. „In 80 Prozent der Fälle gelingt mir das“, sagt Andreas Kallwitz.

Ein Geheimnis bleibt der Apfel, der bei Johann Fitschen in Brest wächst. Die Sorte Jonagold soll darin enthalten sein. Foto: Sulzyc
Die Äpfel von Johann Fitschen aus Brest bleiben ein Geheimnis, das selbst der Experte nicht lösen kann. Etwas Rost bekomme der Apfel, sagt Andreas Kallwitz. Das ist Obstbau-Latein und meint einen grauen Schorf. Unter Apfelkennern bedeutet das etwas Gutes. „Das sind meist die leckersten Äpfel.“
Der Pomologe schneidet den Apfel mit dem Messer an und nimmt eine Kostprobe. „Das ist irgendetwas Modernes. Da muss ich leider passen.“ Die Sorte Jonagold sei darin enthalten. Zig Sorten seien daraus gezüchtet worden.
Dorferneuerungsverein bewahrt alte Apfelsorten
Geschätzt 3000 bis 4000 Menschen besuchen in jedem Jahr den Apfeltag, den der Dorferneuerungsverein Ahlerstedt veranstaltet. Nicht nur Äpfel, auch Spreewälder Gurken, Sauerkraut vom Fass oder Bergkäse aus dem Allgäu werden auf diesem Markt gehandelt.

Volkhard Treisch, Vorsitzender des Dorferneuerungsvereins Ahlerstedt, ist Cheforganisator des Apfeltages. Foto: Sulzyc
Dem Dorferneuerungsverein gehe es um den Erhalt alter Obstbäume mit ihren markanten Sorten, sagt Vereinsvorstand Volkhard Treisch. 200 Obstbäume auf Streuobstwiesen kultiviere der Verein.