TAnwohner sollen Rechnung für Hochwasser-Einsatz zahlen - und wollen in Stade klagen

Kommt die Feuer und errichtet einen Sandsackwall, um ein Haus vor Hochwasser zu schützen, so kann dessen Besitzer dafür eine Rechnung präsentiert werden. Foto: Birgit Pape Foto: Birgit Pape
Wer der Hilfe bedarf, wenn das Wasser kommt, der zahlt - diesen Eindruck vermitteln Weertzener, die die Weihnachtsfeiertage hinter einem Sandsackwall verbrachten. Sie ziehen wegen der Rechnung für den Feuerwehreinsatz vors Verwaltungsgericht Stade.
Zeven. Regen, Regen und nochmals Regen. Fließgewässer verlassen ihre Betten, Seen, Teiche, Tümpel machen sich breit. Wasser auf den Feldern und mancherorts im Kreis auf den Straßen. In Rotenburg droht die Innenstadt abzusaufen. Auch andernorts steht einigen das Wasser bis zur Tür. Viele räumen Keller aus, weil Grundwasser eindringt. Frohe Weihnachten.
Zu denen, denen keine besinnlichen Feiertage vergönnt waren, gehören Heike Peukert und Patrick Meijers. Sie wohnen in Weertzen unweit von Oste und Birkensee. Eine Idylle - bei schönem Wetter.
Doch davon konnte im Dezember vergangenen Jahres keine Rede sein. Dauerregen ließ Oste und Birkensee über die Ufer treten. Als die Fluten den Häusern bedenklich nahe gekommen waren, wandten sich die Bewohner an die Feuerwehr. Die Zevener Leitstelle entsandte umgehend Mann und Material.
Ein Wall aus Folie und Sandsäcken hält das Wasser auf Abstand
Peukerts und Meijers Hab und Gut wurde eingewallt. Sandsäcke und Folie hielten das Wasser auf Abstand. Die „Geretteten“ finden warme Worte für die Einsatzkräfte, zollen ihnen Lob, Dank und Anerkennung. Die Erleichterung ist ungetrübt, ahnen die beiden Weertzener doch nichts von dem dicken Ende, das droht:
Und so sind sie wie vom Donner gerührt, als sie vier Monate nach dem Hochwasser die Rechnung für den Feuerwehreinsatz in Händen halten. 4700 und 3600 Euro sollen sie auf das Konto der Samtgemeinde Zeven überweisen.
Samtgemeinde Lühe
T Kostenexplosion bei Feuerwehrhaus Mittelnkirchen: Landkreis fordert Konsequenzen
Das Ordnungsamt im Rathaus berechnet den Einsatz von Personal, Fahrzeugen und Material. Die Empfänger haben vier Wochen Zeit für eine Stellungnahme. Sie werden angehört, heißt es im Amtsdeutsch. Heike Peukert hat nicht reagiert. Patrick Meijers hingegen laut Peukert Stellung bezogen.

Heike Peukert und Patrick Meijers sind Nachbarn in Weertzen und Anlieger der Oste. Die war beim Weihnachtshochwasser über die Ufer getreten und stand vor der Haustür. Die Feuerwehr half mit einem Sandsackwall. Für die Hilfe gab es eine Rechnung. Dagegen ziehen Peukert und Meijers vor Gericht. Foto: Harder-von Fintel
Im einen wie im anderen Fall ist das Ergebnis dasselbe: Dieser Tage landete der Gebührenbescheid in den Briefkästen. Die im Rathaus berechnete Summe ist unverändert. Und wieder läuft die Zeit. Vier Wochen bleiben Peukert und Meijers, um die Zahlung zu leisten oder eine Klage anzustrengen.
Gerichtsverfahren entbindet nicht von Zahlungspflicht
Doch zuvörderst wollen sie ihre Konten schützen. Sie haben, so berichtet Peukert, Anträge auf Aussetzung der Vollstreckung bis zum Ende des Verfahrens gestellt. Denn mit Ausstellung der Gebührenbescheide tickt die Uhr, und der Gang vor Gericht stoppt sie nicht.
Peukert und Meijers wollen die Samtgemeinde Zeven vor das Verwaltungsgericht in Stade zerren. Bis Mitte Juli muss dort Klage erhoben sein. Das soll ein Verwaltungsjurist übernehmen, kündigt Peukert an. Derweil hofft sie, Mitkläger zu finden, denn sie und Meijers gehen davon aus, dass sie in der Samtgemeinde nicht allein für einen Hochwassereinsatz zur Kasse gebeten werden.
Unabhängig davon, ob aus der Doppel- eine Sammelklage wird, Peukert zeigt sich siegesgewiss. Die zugestellten Bescheide seien nicht korrekt, meint sie und schließlich habe das Verwaltungsgericht die Feuerwehrgebührensatzung der Samtgemeinde jüngst für unwirksam erklärt (wie berichtet). Das nährt ihre Gewissheit.

Das Haus von Heike Peukert an der Oste in Weertzen: An den Weihnachtsfeiertagen war es vom Hochwasser umgeben. Sandsäcke schützen das Gebäude vor Wassereintritt. Foto: Peukert
In die mischt sich Angriffslust, denn Peukert fühlt sich übers Ohr gehauen. Als sie und ihr Nachbar im Angesicht des Wassers um Hilfe ersuchten, habe es niemand für angeraten erscheinen lassen zu erwähnen, dass sie die Kosten des Einsatzes zu tragen haben werden. Der in Rechnung gestellte Stundenlohn von fast 120 Euro für das Füllen und Drapieren von Sandsäcken treibt Peukerts Blutdruck zusätzlich in die Höhe. Ebenso, dass Hochwassereinsätze der Feuerwehr andernorts für betroffene Bürger gratis waren.
Gebühren werden für freiwillige Sach- und Dienstleistungen fällig
Und was sagt die Gegenpartei? Nichts zur Causa Peukert/Meijers. Schließlich handelt es sich um ein laufendes Verfahren. Ralf Cordes, zuständiger Fachbereichsleiter im Zevener Rathaus, und seine Kollegin Alena Albers gehen auf das Grundsätzliche ein:
Zunächst verweisen sie darauf, dass das Land den Kommunen vorschreibt, für Sach- und Dienstleistungen außerhalb der unentgeltlich zu erfüllenden Pflichtaufgaben Gebühren zu erheben. Der Gebührenhöhe liegt eine extern aufgestellte Kalkulation zugrunde. Die Vorschrift, Gebühren erheben zu müssen, greift dort, wo die Kommunen in eine mögliche Konkurrenz zu gewerblichen Anbieter treten.
Das gilt beispielsweise für Einsätze der Feuerwehr. Welche Einsätze und Leistungen der Wehren einer Gebührenpflicht unterliegen, das regelt eine Satzung. Rücken Feuerwehrleute aus, um eine Katze aus dem Baum zu holen, so hat deren Halter den Einsatz zu bezahlen. Auch das Entfernen eines Wespennestes kostet. Stellt die Feuerwehr eine Brandsicherheitswache wie beispielsweise auf der Fricke-Party in Heeslingen, so folgt eine Rechnung. Jeder Fehlalarm einer Brandmeldeanlage zieht einen Gebührenbescheid nach sich.
Gebühren: Hinweise gibt dem Bürger die Leitstelle
Ruft die Polizei die Feuerwehr, um eine Ölspur abzustreuen, so werden Gebühren fällig. Das gilt gleichfalls für das Fällen von Bäumen, das Absichern von Gebäuden, das Auspumpen von Kellern, die Schneeräumung und die Unterstützung des Rettungsdienstes, wenn beispielsweise stark übergewichtige Personen zu transportieren sind.
Die Feuerwehr macht Auslagen für eingesetztes Material wie beispielsweise Ölbindemittel, Sandsäcke oder Löschschaum geltend. Ziehen sich die Einsätze hin, so entstehen Kosten für die Verpflegung der Einsatzkräfte. Auch das Leihen von Gerätschaften ist nicht gratis. Cordes unterstreicht, dass eine Wehr grundsätzlich auf Aufforderung tätig oder von der Leitstelle alarmiert wird.
Und er stellt klar, dass die Disponenten in der Zevener Rettungsleitstelle angewiesen sind, Anrufer, die die 112 gewählt haben, darauf hinzuweisen, dass eine Kostenpflicht entstehen könnte. Die Entscheidung darüber, ob ein Bescheid auszustellen ist, obliegt allein den zuständigen Mitarbeitern des Ordnungsamtes.
Die haben den Buchstaben des Gesetzes Folge zu leisten und zugleich Ermessen im Sinne des Bürgers walten zu lassen. „Das ist eine Gratwanderung“, bekennt Cordes.
Das Gebot der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten
Um eine Katze aus einem Baum zu holen, bedarf es wohl selten mehr als eines Feuerwehrmannes oder einer Feuerwehrfrau. Doch dem steht die sogenannte Ausrückeordnung der Feuerwehr entgegen. Also rückt ein halbes Dutzend Feuerwehrleute aus - oder wie im Falle Weertzen vor einem halben Jahr ein halbes Dutzend Fahrzeuge.
Doch maßgeblich für die Gebührenberechnung ist nicht der tatsächliche Einsatz von Personal, Fahrzeugen und Gerät, sondern der für die Aufgabe erforderliche Einsatz. Die Verhältnismäßigkeit sei der Gradmesser, unterstreicht Cordes. In Rechnung gestellt wird der Zeitraum vom Ausrücken der Wehr bis zum Einrücken.
Auf die Verhältnismäßigkeit und den Ermessensspielraum nimmt Peukert mit dem Hinweis Bezug, dass Zeven allein für den Feuerwehreinsatz um Weihnachten die Hand aufhalte. Die Stadt Rotenburg habe zum Zeitpunkt des Hochwassers keine gültige Gebührensatzung gehabt, kontert Cordes. Es fehlte folglich die Grundlage für das Ausstellen von Gebührenbescheiden.
Der Fachbereichsleiter stellt in Abrede, dass das Weihnachtshochwasser im Bereich der Samtgemeinde Zeven eine Naturkatastrophe gewesen sei. Im Wesentlichen seien zwei Bereiche betroffen gewesen: Brauel und Weertzen. Und den Katastrophenfall ruft nicht der Bürgermeister, sondern der Landrat aus. Der dürfte bei der Entscheidungsfindung im Hinterkopf haben, dass der Landkreis die Kosten von Katastropheneinsätzen zu tragen hat.
Gebühren und Ausgleich
Wenn die Feuerwehr abseits der Pflichtaufgaben zum Einsatz kommt, werden für die erbrachten Leistungen Gebühren berechnet: Pro Einsatzkraft je angefangene halbe Stunde 58,46 Euro. Je Fahrzeug von 305 Euro (Einsatzleitwagen), über 445 Euro (Drehleiter) und 461 Euro (Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug) bis 749 Euro (Tragkraftspritzenfahrzeug).
Rückt die Feuerwehr zu einem Fehlalarm aus, so wird die tatsächliche Zeit berechnet, die Personal und Fahrzeug im Einsatz sind. Verbrauchsmaterial wie Ölbindemittel und Kraftstoff wird zum Preis der Wiederbeschaffung in den Gebührenbescheid aufgenommen. Kommt es beim Einsatz zur Beschädigung von Ausrüstung wie Kleidung oder Werkzeug, so wird der Preis der Wiederbeschaffung berechnet. Fallen Entsorgungskosten (zum Beispiel für Ölbindemittel oder Löschschaum) an, so tauchen auch sie in der Rechnung auf.
Bedürfen die Feuerwehrleute während des Einsatzes der Verpflegung, so werden die Kosten dafür in Rechnung gestellt. Benötigen die Einsatzkräfte die Unterstützung Dritter (beispielsweise einen Bagger), so werden die dafür auflaufenden Kosten im Gebührenbescheid aufgeführt.