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Sorgen

TAus für die Kutterfischerei? Was sich ändern muss

Schiffe liegen im Kutterhafen Dorum-Neufeld.

Bei Ebbe und bei Flut: Der Kutterhafen in Dorum-Neufeld gehört zu den Besuchermagneten bei Tagesgästen und Urlaubern an der Wurster Nordseeküste. Foto: Leuschner

Die Krabbenfischerei in den kleinen Häfen an der Nordsee ist in Gefahr. Wie hat sie eine Perspektive? Das Thünen-Institut für Seefischerei in Bremerhaven forscht am Kutterhafen der Zukunft.

Von Heike Leuschner und Ursel Kikker Samstag, 03.08.2024, 10:00 Uhr

Bremerhaven/Landkreis Cuxhaven. Ob in Ostfriesland, Schleswig-Holstein oder an der Wurster Nordseeküste zwischen Bremerhaven und Cuxhaven: Kutter gehören zum Inbegriff des maritimen Lebens.

Für die Gemeinde Wurster Nordseeküste sind die Sielhäfen in Wremen, Dorum-Neufeld und Spieka-Neufeld echte Besuchermagnete.

Kutterflotte schwindet

Doch obwohl die Ware Krabbe außerordentlich beliebt und die Kommune in alle drei Häfen investiert hat, geht die Zahl der Kutter hier zurück.

Allein seit 2015 hat sich die Zahl der aktiven Fischer von 16 auf 13 reduziert. Ein Trend, der für die gesamte Kutterflotte mit ihren rund 150 Fahrzeugen zwischen Ditzum in Ostfriesland und Niebüll in Schleswig-Holstein gilt.

Prognosen zufolge werden in nächsten Jahren mindestens 25 bis 30 Prozent der Fischer die Flotte verlassen. Es sei Zeit zu investieren, sagt Dr. Gerd Kraus, Leiter des Thünen-Instituts für Seefischerei. In gleich mehreren Projekten beschäftigen sich die Wissenschaftler derzeit mit der Zukunft der Kutterbranche.

Neue Kutter sollen sich für verschiedene Geschäftsmodelle eignen

Ein wesentlicher Baustein sind die Kutter. Kraus prognostiziert, dass die neuen Fischereiboote größer sein werden, damit sie unterschiedlichen Geschäftsmodellen bedienen können. Die Krabbenfischerei allein werde angesichts seit Jahren rückläufiger Fangmengen kaum noch für ein auskömmliches Wirtschaften ausreichen.

So sollen die neuen Kutter in der Lage sein, die Korbfischerei nahe der Offshore-Windparks zu ermöglichen. Aber auch den Tourismus und die Sehnsucht vieler Landleute zur See sollten die Fischer mit ihren neuen Kuttern bedienen können – etwa in Form von Gästefahrten und Seebestattungen.

Hochschule hat modernen Kutter mit Methanol-Antrieb entwickelt

An der Hochschule Emden/Leer wurde unter Professor Jann Strybny und Professor Michael Vahs das Fischereifahrzeug im Projekt „Energieeffiziente zukunftsweisende Küstenfischerei“ entwickelt. Der 19,5 Meter lange moderne Fischkutter soll mit einem umweltfreundlichen Methanol-Antrieb in Serie gehen und so die deutsche Fischereiflotte modernisieren.

Neuen Erkenntnissen zufolge wird die Diversifizierung nicht nur innerhalb eines einzelnen Schiffes erfolgen, sondern auch innerhalb der Flotte. Dr. Arne Schröder, der beim Thünen-Institut für Seefischerei das Projekt Alternative Krabbenwertschöpfung koordiniert, spricht von verschiedenen Schiffstypen, die innerhalb der Flotte denkbar sind.

Forscher sieht auch für kleinere Kutter noch eine Perspektive

„Wir haben klare Indizien dafür, dass kleinere Kutter, die hinter den Inseln fangen und auf ein leicht verändertes Modell der Fischerei setzen, durchaus profitabel sind.“ Schröder kann sich einen Flottenmix aus kleinen, traditionellen Fischerbooten und modernen, größeren Booten vorstellen.

Den Forschern zufolge muss sich auch die Infrastruktur in den Kutterhäfen verändern. Kraus spricht von Kuttern, die an Land auf Kühlhäuser, Verarbeitungshallen und Schälmaschinen treffen. Außerdem brauche es „ein starkes regionales Marketing für die Krabbe“.

Krabben künftig (auch) in deutschen Häfen schälen lassen

Wissenschaftler wie Schröder glauben, dass es sich lohnen könnte, das Krabbenschälen nicht mehr überwiegend in Marokko, sondern vor Ort zu schälen. Derzeit wird in einem Forschungsprojekt eine Krabbenpulmaschine getestet, die mit Ultraschall arbeitet.

Nach Einschätzung von Kraus wird es einen Wandel „von den gemütlichen, museumsartigen Häfen an der Nordsee hin zu interessanten, aber auch von Hochtechnologie geprägten Küstenstandorten geben“. Die moderne Zeit werde an den Küsten ankommen müssen, ist er sich sicher. Das müsse aber kein Nachteil für den touristischen Aspekt der Kutterhäfen bedeuten.

Politische Steuerung als Faktor für das Überleben einer Branche

Inwieweit die Forschungserkenntnisse umgesetzt werden, hängt aus Sicht der Wissenschaftler auch von der politischen Steuerung ab.

„Wenn man der Entwicklung freien Lauf lassen würde, würden viele Betriebe einfach sterben, weil sie keine Chance haben, ihre eigenen Fahrzeuge zu ersetzen“, glaubt Kraus. Die Politik müsse sich bekennen, wie der Strukturwandel gestaltet werden soll. „Ansonsten werden die Küsten mit ihren kleinen Häfen ihre Identität verlieren.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wird in Kooperation mit der Nordsee-Zeitung veröffentlicht.

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