TMeta Retz feiert 100. Geburtstag: Aus ganz Europa kommt die Familie nach Horneburg

Die 100-jährige Meta Retz sammelt alle Informationen über ihre weit verzweigte Familie in der sogenannten „Appelt-Bibel“. Foto: Buchmann
Die Horneburgerin Meta Retz feiert am 5. Januar ihren 100. Geburtstag - und allein 70 Verwandte kommen. Zu diesem besonderen Ehrentag blickt die gebürtige Westpreußin auf ein bewegtes Leben mit „viel Gutem und viel Leid“ zurück.
Horneburg. Meta Retz hat für ihren 100. Geburtstag am 5. Januar einen besonderen Wunsch: Sie möchte noch einmal mit der gesamten Familie zusammen feiern. Rund 70 Verwandte haben sich für ihren besonderen Ehrentag angekündigt, darunter fünf Enkel und neun Urenkel.
„Ich habe gerne meine Familie um mich“, sagt die Horneburgerin und lächelt. Sie wurde 1924 in die Großfamilie Appelt in Westpreußen im heutigen Polen bei Danzig hineingeboren, wo sie mit 16 Geschwistern aufwuchs - und blickt heute auf ein bewegtes Leben zurück.
Sohn auf der Flucht Richtung Westen zur Welt gebracht
Im Januar 1945 mussten Meta Retz und ihr Mann Karl vor den sowjetischen Soldaten flüchten. Sie war zu diesem Zeitpunkt hochschwanger mit ihrem ersten Kind, erzählt sie. Ihren Sohn Heinz musste sie auf der Fluchtroute Richtung Westen zur Welt bringen. „Wir wurden vom Treck abgeschnitten und waren dann auf uns allein gestellt“, erinnert sich Meta Retz.
Die Familie versuchte wie viele Tausende Menschen, über den Seeweg mit dem Fahrgastschiff „Wilhelm Gustloff“ von der Danziger Bucht vor der Roten Armee zu flüchten. Doch sie bekamen keinen Platz mehr auf dem völlig überfüllten Schiff. Ein Glück, wie sich später herausstellen sollte. Denn am 30. Januar 1945 wurde die „Wilhelm Gustloff“ von einem sowjetischen U-Boot vor der pommerschen Küste versenkt, Tausende Menschen ertranken im Meer.
Der lange Weg nach Horneburg
Viele Jahre reiste die Familie durch Norddeutschland, über die Ostseeinsel Fehmarn bis nach Kuhstedt im Kreis Rotenburg. Nach Horneburg verschlug es Meta Retz Anfang der 1950er Jahre dann eher unfreiwillig. „Mein Mann Karl war heimlich schon umgezogen“, erinnert sie sich. Sie bräuchte nicht mehr nach Kuhstedt nach Hause zu fahren, habe ihr Mann damals gesagt. Er habe eine Unterkunft in Horneburg gefunden.
Mit Hilfe des damaligen Bürgermeisters hatte die inzwischen vierköpfige Familie dann endlich eine Unterkunft gefunden, denn als westpreußische Flüchtlinge waren sie nicht überall willkommen. 1969 baute Familie Retz dann ihr Haus in der Bergstraße, wo Meta Retz bis heute mit ihrer Schwiegertochter Sigrid Retz lebt. Mit Meta Retz‘‘ 2017 verstorbenem Sohn Heinz zog Sigrid Retz drei gemeinsame Kinder im Haus in Horneburg groß.

Meta Retz wuchs als Kind mit 16 Geschwistern in Westpreußen auf. Als erwachsene Frau musste sie 1945 hochschwanger gemeinsam mit ihrem Mann aus ihrer Heimat fliehen. Foto: privat
Meta Retz arbeitete nach der Ankunft in Horneburg als Tagelöhnerin für verschiedene Landwirte auf den umliegenden Feldern. Auch im Alten Land packte sie auf den Obstplantagen bei der Apfelernte mit an. Ihr Mann kümmerte sich derweil um die Familie und den Haushalt. Im Krieg hatte er nämlich einen Arm verloren und war seitdem Frührentner. Meta Retz‘ Arbeitstüchtigkeit sprach sich schnell in Horneburg herum, worüber sie auch viele Einheimische kennenlernte.
Auf Reisen nach Belgien und Paris
Neben der Arbeit blieb nicht viel Zeit für Hobbys oder Vereine. Das bisschen Freizeit, das Meta Retz hatte, verbrachte sie am liebsten mit ihrer Familie - und ging dafür auch gerne auf Reisen. So reiste sie im Sommer regelmäßig an die belgische Küste, wo Verwandte ein Ferienhaus besaßen, erzählt Meta Retz. Diese Zeit habe sie sehr genossen. „Wir haben Muscheln gesammelt und bei Sonnenuntergang über das Meer geschaut“, erinnert sie sich. Ihre Reisen führten sie in etliche Winkel Europas. So besuchte sie etwa in den 1990er Jahren eine Enkelin in Paris. Als Erinnerung hängt heute noch eine Bleistift-Skizze in ihrem Wohnzimmer, die ein Zeichner am Montmartre von ihr anfertigte.
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In stillen Momenten denke sie heute noch darüber nach, wie ihr Leben so verlaufen sei. „Man hat viel Gutes und viel Leid durchgemacht“, sagt Meta Retz. Zwar werden die Augen schlechter und wegen eines Sturzes sitzt sie jetzt im Rollstuhl. Jedoch gibt ihre Familie ihr Rückhalt, ihre Enkel und Urenkel besuchen sie fast jeden Tag. „Meine Schwiegertochter ist immer da, wenn ich Hilfe brauche“, sagt Meta Retz. Sie selbst hätte nie gedacht, dass sie mal 100 Jahre alt werde, gesteht Meta Retz. Für ihren besonderen Geburtstag reisen sogar Verwandte aus Belgien, Italien und Österreich an. In einem selbst gemachten Familienalbum, das sie liebevoll die „Appelt-Bibel“ nennt, hat sie mit der Schwiegertochter zusammen alle Verwandten mit Fotos, Geburtsdaten und Wohnorten dokumentiert. „Man kann sich ja bei einer so großen Familie nicht immer alles merken.“