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Lyrik

TAutorin aus Ahlerstedt: Sie räumt mit ihrer Plattdeutsch-Liebe Preise ab

Birgit Lemmermann wird erneut mit dem Freudenthalpreis für niederdeutsche Literatur ausgezeichnet. In ihrem Garten findet sie Inspiration.

Birgit Lemmermann wird erneut mit dem Freudenthalpreis für niederdeutsche Literatur ausgezeichnet. In ihrem Garten findet sie Inspiration. Foto: Pauline Meyer

Birgit Lemmermann redet nicht lang - sie macht. Für ihren Sohn schrieb sie plattdeutsche Kinderbücher, weil es keine gab. Und sie hat etwas Besonderes gepflanzt.

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Von Pauline Meyer
Dienstag, 16.09.2025, 13:50 Uhr

Ahlerstedt. In ihrem malerischen Garten, zwischen Apfelbäumen, Steinfiguren und quakenden Fröschen, ist Birgit Lemmermann gerne. Sie hat den Bauernhof ihrer verstorbenen Eltern übernommen, ihn mit ihrer Kunst und mit Leben gefüllt. „Ich konnte die Apfelbäume meines Großvaters doch nicht verkaufen", antwortet sie auf die Frage, warum sie 2017 zurück nach Ahlerstedt gekommen ist. Dort, wo sie ihre Heimat, ihr "bäuerliches Gen", wiederfand, liegt auch der Ursprung für ihre Liebe zur plattdeutschen Sprache.

Die Apfelbäume in Birgit Lemmermanns Garten.

Die Apfelbäume in Birgit Lemmermanns Garten. Foto: Meyer

Ein kreativer Kopf mit Schaffensdrang

Birigt Lemmermann ist ständig in Bewegung, im Garten, im Haus, in ihrem Kopf. „Der Tag ist zu kurz für mich“, sagt die 63-Jährige. „Ich bekomme all das, was in meinem Kopf ist, gar nicht in die Welt." Dabei habe sie immer den Drang, zu schaffen. Nur wenn sie schreibt oder malt, dann halte die Welt für einen Moment an. „Das ist wie meditieren", sagt sie.

Birgit Lemmermann malt, häkelt, dichtet und handwerkelt. Diese kleinen selbstgemachten Puppen zieren die Apfelbäume in ihrem Garten.

Birgit Lemmermann malt, häkelt, dichtet und handwerkelt. Diese kleinen selbstgemachten Puppen zieren die Apfelbäume in ihrem Garten. Foto: Pauline Meyer

1962 im Ottendorfer Ortsteil Klethen geboren und aufgewachsen, zog es Birgit Lemmermann nach ihrem Abitur nach Nordhessen für ein Lehramtsstudium: Kunst, Sport, Werken, Textilgestaltung und natürlich Plattdüütsch wurden zu ihren Unterrichtsfächern in Ottersberg bei Bremen, am Rotenburger Ratsgymnasium und zuletzt am Aue-Geest-Gymnasium Harsefeld. Zurück in den Norden kam Lemmermann auch wegen der Sprache, die ihr fehlte.

Platt-Kinderbücher waren rar

„Wir haben zuhause immer Platt gesprochen", sagt Birgit Lemmermann. Dass das im Dorf selbstverständlich war, habe erst mit der Generation nach ihr langsam aufgehört. „Den Menschen auf dem Land ist nicht bewusst, welches Gut Plattdeutsch ist", sagt sie.

Ihren Sohn Jomi habe sie deshalb von Anfang an plattdeutsch erzogen. Seine Geburt 1992 war der Anlass, der Lemmermann zum Schreiben brachte. „Es gab einfach keine plattdeutschen Kinderbücher", erinnert sie sich. Also schrieb sie sie selbst.

Eine Auswahl von Birgit Lemmermanns Büchern: Selbst geschrieben und illustriert.

Eine Auswahl von Birgit Lemmermanns Büchern: Selbst geschrieben und illustriert. Foto: Pauline Meyer

„Ut’n Leven vun Emil“, das erste Buch einer Trilogie, die von einem kleinen, weißen Bären handelt, brachte sie 1994 raus. Selbst geschrieben, selbst illustriert. Das Feedback sei großartig gewesen - einen Verlag für ihre plattdeutschen Bücher fand die Waldorf-Pädagogin aber nicht. Das änderte sich später. Heute bezeichnet das Länderzentrum für Niederdeutsch Birgit Lemmermann als „eine der wichtigsten niederdeutschen Dichterinnen unserer Zeit".

Poesie auf Platt

„Ich habe Spaß daran, zu gucken, was die Sprache kann", sagt Birgit Lemmermann. Und das sei mehr als Klamauk. Oft sei plattdeutsche Literatur komödiantisch oder habe einen historischen Bezug. In ihren lyrischen Werken behandelt sie deshalb bewusst aktuelle und ernste Themen: Gleichberechtigung, das Landleben und der Umweltschutz inspirieren sie.

Mit großer Melancholie bringt Birigt Lemmermann ihre Angst um die Welt, die Tiere und die Pflanzen zum Ausdruck. In ihrer Prosasammlung „Wat Ji nich mehr to sehn kriegt“, für die sie in diesem Jahr zum insgesamt dritten Mal mit dem Freudenthalpreis für niederdeutsche Sprache ausgezeichnet wird, spiegelt sich diese Sorge wieder.

Autorin mit dem Blick aufs Ganze

„Es hat lange gedauert, bis ich meinen Platz gefunden habe", erklärt Birgit Lemmermann, die auch Beraterin für Hochsensibilität ist. Früher habe sie häufig den Vorwurf gehört, sie sei zu ernst. „Vielleicht bin ich das auch", sagt sie. „Für mich geht es immer ums Ganze." Damit meint sie nicht nur ihre plattdeutsche Lyrik.

In ihrem verwunschenen Garten findet Birgit Lemmermann Inspiration.

In ihrem verwunschenen Garten findet Birgit Lemmermann Inspiration. Foto: Pauline Meyer

Die Ahlerstedterin weiß, dass sie nicht alleine die Welt retten kann. Aber sie will ihr bestes dazu beitragen. Ein eigens von ihr gepflanztes Wäldchen hinter ihrem Garten ist ein Stück dessen, was sie der Natur zurückgeben will. „Für die Rehe", sagt sie.

Birgit Lemmermann findet man oft in ihrem Garten. Dort wo sie lyrische Inspiration sammelt, wo sie kreativ ist und wo sie ihre wiedergefundene Heimat genießt - umgeben von den Apfelbäumen ihres Großvaters.

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