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Wirtschaft

TBäcker in der Region kämpfen mit großen Herausforderungen

Nur Brötchen backen? Bäcker müssen sich heute um viele andere Dinge kümmern (Symbolbild).

Nur Brötchen backen? Bäcker müssen sich heute um viele andere Dinge kümmern (Symbolbild). Foto: Jens Kalaene/dpa

Bäckerei Garde, Hase & Igel, Bäckerei Stawarz: In der Region machen immer wieder Bäckereien dicht. Mirko Oeltermann, geschäftsführender Vorstand der Bäcker- und Konditorengenossenschaft (BÄKO) weiß, wo in der Branche der Schuh drückt.

Von Andreas Schoener Dienstag, 27.02.2024, 06:20 Uhr

Droht dem Bäckerhandwerk im Elbe-Weser-Dreieck eine Pleitewelle?

Nein - ich gehe nicht davon aus, dass wir im Bäckereihandwerk mit einer Insolvenzwelle zu rechnen haben. Die Anforderungen an die Betriebe sind permanent gestiegen, aber unsere Mitgliedsbetriebe sind grundsätzlich gut aufgestellt. Wir haben eine große Herausforderung bei kleinen Betrieben, mit der stetig steigenden Bürokratie umzugehen und diese Kosten auf die Produkte umzulegen.

Die Innungsbäcker in Niedersachsen und Bremen haben kürzlich mit einer Aktionsbrötchentüte auf diese Kosten aufmerksam gemacht. Bei einem Betrieb mit zehn Filialen wird der Zeitaufwand auf 4.251 Stunden pro Jahr beziffert. Dies entspricht zwei Vollzeitstellen.

Ist der bürokratische Aufwand im täglichen Betrieb also der Hemmschuh fürs backende Handwerk?

Es gibt nicht das eine Thema. Es ist die Summe der vielen Einzelthemen. In der Beispielrechnung sind insgesamt 25 Punkte aufgelistet. Diese reichen von der Dokumentation der Reinigung über Archivierungsaufgaben, Formulare, Sicherheitsbelehrungen, Wiedereingliederungsmaßnahmen bis zur Statistikmeldung und dem Verpackungsgesetz.

Können Sie ein Beispiel für bürokratischen Aufwand nennen?

Laut Umsatzsteuergesetz Paragraf 12 Absatz 2 in Verbindung mit Anlage 2 Nr. 35 zum UstG gilt: Wenn der Milchanteil in einem Kaffeeheißgetränk höher als 75 Prozent ist, dann ist der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent abzuführen. Ansonsten werden Kaffeegetränke mit einem Regelsteuersatz von 19 Prozent behandelt. Dies muss über die Einstellung der Kaffeemaschine nachgewiesen werden - und dies wird teilweise durch Gutachter eingefordert.

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Warum schließen denn derzeit Betriebe wie die von Miroslaw Stawarz in Köhlen?

Derzeit schließen einige kleine Betriebe, da es keine Nachfolger gibt oder die Betreiber einfach den Spaß an der Selbstständigkeit verloren haben. Die Inhaber schaffen es kaum noch, ihrer Leidenschaft nachzukommen - dem Backen. Stattdessen sitzen sie am Schreibtisch und dokumentieren, was der Betrieb getan hat. Hinzu kommen die Unsicherheiten der Politik. Wie entwickeln sich die Energiepreise? Was ändert sich an den Verpackungsverordnungen? Welche Anforderungen gibt es durch die Lebensmittelinformationsverordnung?

Wo liegen die Gründe für Insolvenzen?

Manchmal ist die Insolvenz auch die Konsequenz aus der Bürokratie - nicht nur wegen der Kosten von Bürokratie. Wenn man sich den ganzen Tag mit Dokumentationen beschäftigt, kann man in einem kleinen Betrieb die Lust am Controlling verlieren. Auch das braucht Zeit und ist nicht zu unterschätzen.

Die Rohstoffpreise verändern sich durch die politische Weltlage permanent. Die Mindestlöhne sind gestiegen und die Forderungen nach Lohnsteigerungen sind immanent. Dies hat bei einem Rohstoff- und Lohnkostenanteil von häufig über 70 Prozent einen massiven Einfluss auf den Produktpreis. Ein Controlling ist extrem wichtig, kostet aber auch Zeit.

Welche Gründe gibt es noch?

Durch die Inflation haben viele Verbraucher weniger Einkommen zur Verfügung und verzichten auf Bäckereiqualität zugunsten der Industrieproduktion. Der Absatz reduziert sich in den Bäckereien merklich zwischen Monatsanfang und Monatsende. Die Industrieproduktion liegt in den Kosten deutlich darunter.

Dazu kommt, dass die Industrieproduktion nicht über den Einzelverkauf ohne Beratung und Service, sondern über den Discounter angeboten wird - Aufbackware zum Dumpingpreis. Die Themen der Nachhaltigkeit oder CO2-Fußabdruck durch Transport und Kühlkette sind dann aus dem Fokus. Es geht manchmal um das reine „Sattwerden“…

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Was ist mit Energie-, Lohn und Beschaffungskosten?

Bäckereien sind natürlich energie- und lohnintensiv. Wenn beides sprunghaft ansteigt, kann man dies beim Endverbraucher nicht immer durchsetzen. Einige Betriebe hofften auf Preissenkungen, diese kamen nicht, genauer gesagt nicht in erhofftem Umfang. Das wiederum führt zu einem Liquiditätsengpass. In der Folge droht die Insolvenz.

Hat das backende Handwerk in der Region überhaupt eine Zukunft?

Unbedingt. Qualität wird immer nachgefragt. Die Menschen haben den Wunsch nach Qualität, gutem Geschmack sowie gesunder und regionaler Ernährung. Das bieten Bäcker und Konditor.

Doch der Branche fehlen Fachkräfte ...?

Die Berufsaussichten sind insbesondere in den größer gewordenen Handwerksbetrieben auch mit Karrierechancen verbunden. Die Arbeitszeiten haben sich mehr und mehr in den Tag verlegt, da verstärkt mit Teigruhezeiten gearbeitet wird. Die Filialen sind inzwischen Wohlfühlinseln mit Gastronomiecharakter und erfreuen sich stärkerer Beliebtheit, sodass auch im Verkauf neue und spannende Aufgaben warten. Die Struktur wird sich ändern, die Attraktivität der Berufe im Backhandwerk steigt und das Absatzportfolio ändert sich. Auch Quereinsteiger werden gerne genommen.

Zur Person

Mirko Oeltermann

Mirko Oeltermann Foto: BÄKO

Mirko Oeltermann ist gelernter Industriekaufmann und hat später noch ein Studium der Betriebswirtschaft an der Hochschule Bremerhaven abgeschlossen.

Seit 2009 ist Oeltermann in der Bäko Bremerhaven aktiv, seit 2009 ebendort Vorstand. Die Bäko Bremerhaven mit Sitz in Sievern ist ein genossenschaftlich organisierter Fachgroßhandel für Bäckereien und Konditoreien. In der Region Elbe-Weser betreut sie rund 400 Kunden.

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