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Archäologie

TReise in die Vergangenheit: So sah Horneburg 1632 aus

Virtual Reality: Bürgermeister Knut Willenbockel, Professor Thomas P. Kersten, Kreisarchäologe Daniel Nösler und Projektleiterin Gunda Kiefaber besprechen die Wohnturm-Rekonstruktion der Horneburg.

Virtual Reality: Bürgermeister Knut Willenbockel, Professor Thomas P. Kersten, Kreisarchäologe Daniel Nösler und Projektleiterin Gunda Kiefaber besprechen die Wohnturm-Rekonstruktion der Horneburg. Foto: Vasel

Mit Smartphone oder Virtual Reality-Brille werden Besucher der Burginsel ins Jahr 1632 reisen können. Die jüngsten Funde helfen bei der Rekonstruktion der Horneburg. Doch diese zeugen auch von einem Blutbad.

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Von Björn Vasel
Samstag, 15.06.2024, 09:50 Uhr

Horneburg. Es geht voran auf der Burginsel und am Handwerksmuseum in Horneburg. Im März hatten Flecken-Bürgermeister Jörk Philippsen (FWG) sowie Gemeindedirektor Knut Willenbockel und die Projektleiterin für die Burginsel im Rathaus, Gunda Kiefaber, symbolisch zum Spaten gegriffen.

Die Erdarbeiten laufen. Im Spätsommer werden Sitzelemente aus Beton mit Holzauflage installiert. Diese symbolisieren die Fundamente der Burg, Info-Tafeln laden zu einer Zeitreise ins Mittelalter ein. Zudem entsteht ein Podest für Veranstaltungen.

Die alten Steine des Burgmannshofs bilden Sitzstufen am Burggraben.

Die alten Steine des Burgmannshofs bilden Sitzstufen am Burggraben. Foto: Vasel

Mächtige Burgmannshof-Findlinge, die lange im Park lagen, wurden bereits am Burggraben gegenüber des Schlossparks und -spielplatzes wie Sitzstufen angeordnet.

Zwei Brücken erschließen den Erlebnispark

Die Burginsel soll über zwei Brücken erschlossen werden, angebunden an den Marschdamm/Schlosspark und an den Deichwanderweg. Eine Beleuchtung wird es lediglich an den Brückengeländern geben - indirekt, um unter anderem die Fledermäuse nicht zu stören, so Kiefaber.

541.000 Euro werden investiert. Davon gibt es etwa 470.000 Euro aus der Staatskasse. Dieses Geld stammt aus der Städtebauförderung von Bund und Land. Horneburg hat weitere 100.000 Euro beantragt, 50.000 Euro sind als Eigenmittel für 2025 eingeplant. Nach der Fertigstellung der zweiten Brücke auf der Ostseite, werden im kommenden Jahr auch größere Veranstaltungen möglich sein.

Der Weg zum Handwerksmuseum wird erneuert.

Der Weg zum Handwerksmuseum wird erneuert. Foto: Vasel

Außerdem wird zurzeit der Weg vom Alten Zollhaus zum Handwerksmuseum neu gepflastert, die Stolperfalle ist damit bald Geschichte. Torsten Milter vom Bauamt hat Steine aus Dollern organisieren können, die im Zuge des Baus des neuen Park-und-Ride-Platzes am Bahnhof übrig waren.

Blick auf die freigelegte "Pferdetränke" am Schloss.

Blick auf die freigelegte "Pferdetränke" am Schloss. Foto: Vasel

Außerdem haben die Garten- und Landschaftsbauer der Firma Jacobs die alte Pferdetränke zwischen Handwerksmuseum (früher Pferdestall) und des 1886 im Bereich der früheren Vorburg errichteten Herrenhauses im Tudor-Stil freigelegt. Die Tränke diente allerdings dem Kutschen-Tuning: Die Fuhrwerke fuhren ins Wasser. Das Holz der eisenbeschlagenen Räder quoll auf. Danach ruckelte nichts mehr.

Mit Virtual Reality zurück in die Vergangenheit

Damit nicht genug: In der Zukunft werden die Besucher der Burginsel wie Zeitreisende durch die digital rekonstruierte Horneburg spazieren können, wenn sie ihr Mobiltelefon oder Tablet an QR-Codes halten oder im Handwerksmuseum eine Virtual Reality-Brille aufsetzen. Im Labor für Photogrammetrie & Laserscanning der HafenCity Universität arbeitet das Geomatiker-Team von Professor Dr. Thomas P. Kersten aktuell an einem computergesteuerten 3-D-Modell. Die Hamburger haben bereits virtuelle Stadtführungen durch Stade (1620) und Bad Segeberg (1644) möglich gemacht.

Die Besucher werden mit der interaktiven App die Burg nicht nur visuell erleben, sondern auch spielerisch Aufgaben lösen können, so Projektleiterin Kiefaber. Im Horneburger Handwerksmuseum werden Info-Tafeln an die Geschichte der 1255 erbauten und 1645 von dem Feldherrn und späteren schwedischen Generalgouverneur der Herzogtümer Bremen und Verden, Graf Hans Christoph von Königsmarck (1600 bis 1663), geschleiften Burg erinnern. Die lag seit dem Großen Brand von 1632 in Trümmern.

Burgenpapst und Geomatiker rekonstruieren Horneburg

Dabei bauen die Hamburger auf Erkenntnisse der Wissenschaft. Im Jahr 2020 hatten Archäologen mit Geomagnetik-Messgeräten die Überreste der Burg im Untergrund sichtbar gemacht. Der Stader Kreisarchäologe Daniel Nösler und Kiefaber holten Dr. Joachim Zeune vom Büro für Burgenforschung aus Bayern mit ins Boot. Gemeinsam mit Menno Mennenga von Reunion Media rekonstruierte dieser auf Grundlage der Erkenntnisse von Archäologen und vergleichbaren Burgen die Horneburg. Die Architekturzeichnungen bilden die Grundlage für die „idealtypische“ 3D-Visualisierung der historischen Horneburg vor der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg.

Burgerforscher Dr. Joachim Zeune und Menno Mennenga konstruierten den Wohnturm.

Burgerforscher Dr. Joachim Zeune und Menno Mennenga konstruierten den Wohnturm. Foto: Reunion Media

Damit diese möglichst dem Original gleichen, tauschen sich Nösler, Kiefaber und Kersten immer wieder aus. In dieser Woche trafen sich die drei mit Samtgemeindebürgermeister Willenbockel im Rathaus. Bei dem Anlegen des Erlebnisparks für Zeitreisende durch die Garten- und Landschaftsbauer stießen die Archäologen auf unzählige Dachziegel. Ihre Form und ihre Farbe bildet jetzt die Grundlage für die digitale Eindeckung der Dächer. Doch einige von ihnen waren gesintert - sprich pechschwarz vom Feuer gezeichnet.

Funde zeugen vom Wüten der Soldateska

„Das sind die Spuren eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Burg“, sagt Kreisarchäologe Nösler. Im Jahr 1627 hatten Truppen des obersten Heerführers der Katholischen Liga und des Kaisers, Johann T‘Serclaes von Tilly, Horneburg eingenommen, die Dänen hatten sich aus dem Staub gemacht.

Im gesamten Elbe-Weser-Raum tobten blutige Auseinandersetzungen. Teile von Horneburg gingen in Flammen auf. Plündernd zogen die zügellosen Soldatenhaufen des katholischen Generals Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim, also die Pappenheimer, durch das Land. Die Bevölkerung litt unter den Plünderungen, Kriegssteuern und Brandstiftungen der Söldnertruppe des Kaisers. Mord und Totschlag prägten Alltag auch in der Rekatholisierungsphase.

Professor Thomas P. Kersten und Kreisarchäologe Daniel Nösler (von links) begutachten die Dachziegel der Burg.

Professor Thomas P. Kersten und Kreisarchäologe Daniel Nösler (von links) begutachten die Dachziegel der Burg. Foto: Vasel

Doch 1631/1632 wendete sich das Blatt. Am 19. März 1632 eroberten protestantische, schwedische Truppen unter dem Befehl von Oberst Lohhausen die bedeutende Horneburg zurück, die Pappenheimer flohen. Im Zuge dieser Gefechte geht der Flecken, von der Burg bis zur Kirche, in Flammen auf. Allein der Burgmannshof wird nicht zerstört, die Burgmannsfamilie Schulte hatte gute Kontakte in beide Lager.

Die Deformation zeigt: Diese Musketenkugel aus Blei durchschlug den Harnisch eines Soldaten bei der Schlacht um Horneburg.

Die Deformation zeigt: Diese Musketenkugel aus Blei durchschlug den Harnisch eines Soldaten bei der Schlacht um Horneburg. Foto: Vasel

Musketenkugeln aus Blei durchschlugen die Harnische der Gegner und die Mauern und der Burg. Anhand der Funde kann Nösler die letzten Stunden der Horneburg rekonstruieren. Flammen fraßen sich durch die aus Stein und Fachwerk bestehenden Gebäude. Tonziegel färbten sich tiefschwarz.

Die Wohnhäuser der Burgmannen verfügten über bunte Bleiglasfenster, 1632 ging die Burg in Flammen auf. Der Klumpen aus Glas und Blei blieb übrig.

Die Wohnhäuser der Burgmannen verfügten über bunte Bleiglasfenster, 1632 ging die Burg in Flammen auf. Der Klumpen aus Glas und Blei blieb übrig. Foto: Vasel

Bei mehr als 1000 Grad verschmolzen Buntglas und Bleifassungen der Fenster der luxuriösen Wohngebäude der Burgmannen zu Klumpen. „Es muss ein schreckliches Inferno gewesen sein“, sagt Nösler. Bei Ausgrabungen im Frühjahr kam auch Siegburger Steinzeug zum Vorschein. Krugreste zeigen: Burgmannen und Soldateska liebten das Bier.

Reste eines Bierkrugs aus Steinzeug.

Reste eines Bierkrugs aus Steinzeug. Foto: Vasel

Die Horneburg war bis 1500 bewohnt. Die Insel diente danach nur noch als Zufluchtsort der Burgmänner bei einem Angriff, die Adelsfamilien lebten lieber in ihren Gutshäusern.

Silbermünze des spanischen Königs verloren

“Zwei echte Knaller“ präsentierte Nösler bei dem Termin: Zum einen Kupfer-Anhänger eines Schwertgurts aus der Renaissance-Zeit, zum anderen eine außergewöhnliche Münze aus den spanischen Niederlanden: einen Zehntel Philippstaler, geprägt zwischen 1555 und 1598.

Silbermünze mit dem Gesicht von König Philipp II. von Spanien.

Silbermünze mit dem Gesicht von König Philipp II. von Spanien. Foto: Vasel

Dieser Anhänger aus der Renaissance-Zeit schmückte den Schwergurt eines Burgmannen.

Dieser Anhänger aus der Renaissance-Zeit schmückte den Schwergurt eines Burgmannen. Foto: Vasel

Der zeigt Philipp II. von Spanien. Der König war dank des Silbers und Goldes der Neuen Welt mächtigster Herrscher seiner Zeit. Der Rand der Münze fehlt - ein Zeichen für die Not des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648). Um Silber zu gewinnen, wurden Münzen verkleinert. Vielleicht verlor ein Pappenheimer nicht nur Leben, sondern auch die Münze bei der Schlacht um Horneburg.

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