TGetötet, weil sie eine Frau war: Femizid in Buxtehude rüttelt auf

Mit der Drehleiter wurde die lebensgefährlich verletzte Frau über den Balkon aus der Wohnung in der Schröderstraße in Buxtehude geholt. Im Krankenhaus erlag sie ihren Verletzungen.
Vor etwa zwei Wochen wurde eine Frau in Buxtehude angezündet. Sie erlag ihren Verletzungen. Jetzt startet im Landkreis Stade eine Aktion gegen Gewalt gegen Frauen.
Stade. Nur zwei Wochen vor dem Beginn der Orange Days am 25. November ist in Buxtehude eine Frau zum Opfer eines Femizids geworden. Ihr Ex-Partner überschüttete sie mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündete sie an. Später erlag sie ihren Verletzungen.
Fast jeden Tag gibt es in Deutschland einen Femizid. Das zeigt das Lagebild zu geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten, das gerade erstmals vom Bundeskriminalamt herausgegeben wurde. Bundesweit wurden 2023 demnach 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten, ein Prozent mehr als 2022 (929). 360 Frauen und Mädchen starben dabei.
„Es ist einfach nur erschreckend“, sagt Hanne Rathjens, die das Stader Frauenhaus und das Schutz- und Beratungszentrum für Frauen, Im Neuwerk 22, leitet. Anders als beim Frauenhaus ist die Adresse des Zentrums, das im Mai eröffnet hat, nicht geheim. Doch der Eingang ist besonders gesichert - aus gutem Grund.

Hanne Rathjens vor der gut gesicherten Tür des Schutz- und Beratungszentrums für Frauen am Neuwerk 22. Foto: Anping Richter
Auch im Landkreis Stade sind viele Frauen von Gewalt betroffen. 2023 hat das Stader Frauenhaus 36 Frauen und 44 Kinder aufgenommen und zusätzlich 221 Frauen beraten. Die Beratungsstelle bei häuslicher Gewalt (BISS) der Awo hat außerdem 449 Fälle betroffener Frauen registriert. Die Dunkelziffer ist wesentlich höher.
Das Thema häusliche Gewalt soll kein Tabu sein
Um die Gewalt gegen Frauen zu stoppen, machen die Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Stade zu den Orange Days vom 25. November bis zum 10. Dezember mit sichtbaren Aktionen auf das Thema häusliche Gewalt aufmerksam - vom Banner bis zum orange angestrahlten Rathaus.
Jede vierte Frau sei von häuslicher Gewalt betroffen - unabhängig von Alter, Herkunft oder sozialem Status. Dabei geht es nicht nur um körperliche Übergriffe. Auch Beleidigungen, Kontrolle und Stalking zählen dazu.
Weshalb die Zahl der Taten steigt
Das Ziel: aufklären, sensibilisieren, Mut machen. Doch wie kann es sein, dass die Gewalt gegen Frauen trotz aller Bemühungen statistisch zunimmt?
„Die Straftaten nehmen nicht unbedingt zu, sondern werden auch öfter bekannt. Das Hellfeld wird größer“, sagt die Buxtehuder Gleichstellungsbeauftragte Gabi Schnackenberg. Femizide, vermutet sie, seien bisher außerdem nicht unbedingt als solche erfasst worden.
Strafrechtlich wird der Femizid in Deutschland nicht als eigener Straftatbestand, sondern als Mord oder Totschlag eingestuft. Aber es sei wichtig, Femizide zu identifizieren und benennen, findet Schnackenberg. Nur so könne auf Strukturen geschlechtsbezogener Gewalt aufmerksam gemacht werden, und das ist wichtig für die Prävention.
Kreis Stade bei Frauenhausplätzen gut aufgestellt
In allen Bundesländern fehlt es an Frauenhausplätzen, doch der Kreis Stade hat sich inzwischen gut aufgestellt, sagt Hanne Rathjens: Im Frauenhaus konnten bisher fünf Frauen und bis zu zehn Kinder untergebracht werden, im Schutzzentrum gibt es nun zusätzlich Platz für neun Frauen und bis zu 16 Kinder.
Weil es nicht mehr so beengt ist, können im Zentrum auch Söhne über 16 Jahren aufgenommen werden. Und es gibt einen Gemeinschaftsraum, in dem Kinder ihren Geburtstag feiern oder Frauen sich mit Freundinnen treffen können.
Gefragt: Beratung bei Gewalt in der Partnerschaft
Richtig gut angelaufen ist laut Rathjens die Frauenberatung im gleichen Gebäude. Hauptthema bei Beraterin Tina Götting: Gewalt in der Partnerschaft. Die ersten Erfahrungen zeigten, dass Frauen oft frühzeitig anfragen, und das sei genau richtig: „Wenn Frauen sich nicht sicher sind, ob das, was sie erleben, schon Gewalt ist oder nicht, sollten sie sich unbedingt melden.“
Frauen, die als Hochrisikofälle eingestuft werden, können im Schutzzentrum nicht untergebracht werden. Sie müssen in der Regel in ein Haus mit geheimer Adresse und in eine andere Stadt gehen. Auch das Stader Frauenhaus nimmt Frauen aus anderen Orten auf.
Zweite Schutzwohnung in Buxtehude gesucht
Eine Schutzwohnung für Frauen gibt es jetzt auch in Buxtehude: Sieben Jahre hatte Gabi Schnackenberg sich dafür eingesetzt, jetzt bietet das Projekt eine Wohnung für eine Frau und ihre Kinder. Sie ist immer belegt. Eine zweite Wohnung soll eingerichtet werden, eine geeignete konnte aber noch nicht gefunden werden.
Neu in Buxtehude ist auch das Projekt StoP: Stadtteile ohne Partnergewalt. Es will zeigen, wie Betroffene und ihr soziales Umfeld etwas verändern können. Dafür wurde eine Stelle geschaffen, die Mitarbeiterin will bald loslegen.
Das Netzwerk gegen häusliche Gewalt wünscht sich eine Täterberatung. „Täterberatung ist Opferschutz“, sagt Hanne Rathjens. Aktuell will die Kreisverwaltung prüfen, ob ein gemeinsames Konzept mit dem Kreis Rotenburg Synergieeffekte bringen könnte. Dafür spricht sich die Frauenunion im Kreis Stade anlässlich der Orange Days aus.
Einen Ort zu finden, der von beiden Landkreisen aus niedrigschwellig genug zu erreichen sei, dürfte schwierig werden, gibt Gabi Schnackenberg zu bedenken. Sie könnte sich aber eine personelle Kooperation vorstellen, mit einem Team, das Täterberatung vor Ort in beiden Landkreisen anbietet.
Wie die Jackrabbits zum Orange fanden
Wie wichtig Präventionsarbeit ist, wissen auch die Jackrabbits, die American Footballer des BSV. Sie haben sich an einer Aktion zu den Orange Days von Soroptimist Club, Gleichstellungsbüro und Polizei in Buxtehude beteiligt und schwebende Schirme in Orange über dem Buxtehuder Fleth installiert.
Auf die Idee waren die Jackrabbits gekommen, weil es einen Fall von sexueller Belästigung im Team gab, berichtet Initiator Nils Grygas. Ihr Verein, der BSV, habe die Situation geradlinig behandelt und gut gelöst. Doch die Jackrabbits wollten mehr.

Gemeinsam in Aktion gegen Gewalt an Frauen: Footballspieler der Buxtehude Jackrabbits, Soroptimist Club, Polizei und Gleichstellungsbüro. Foto: Richter
Sie hoffen auf eine Außenwirkung, die zu offenen Gesprächen über ein Problem führt, das weit verbreitet, aber immer noch ein Tabuthema ist. Grygas hat zwei Kinder und hofft, dass Aufklärung und Bewusstmachen etwas ändern: „Natürlich möchte ich, dass mein Sohn später Frauen vernünftig behandelt und meine Tochter vernünftig behandelt wird.“

Mit der Drehleiter wurde die lebensgefährlich verletzte Frau über den Balkon aus der Wohnung in der Schröderstraße in Buxtehude geholt. Im Krankenhaus erlag sie ihren Verletzungen.