TBrutaler Angriff auf Rentner: Ein tränenreiches Geständnis vor dem Stader Landgericht

Ein Schild steht vor dem Amts- und Landgericht in Stade. Foto: Sina Schuldt
Ein 29-Jähriger hat einen Rentner brutal zusammengeschlagen. Das räumte der Täter nun beim Prozess um versuchten Mord am Stader Landgericht ein. Trotzdem leugnet er, dass er sein Opfer ausgeraubt hat.
Stade. Der Vater des Angeklagten reicht dem Justizvollzugsbeamten am Landgericht Stade eine Packung Taschentücher. Der gibt sie weiter an den 29-jährigen Sohn, der auf der Anklagebank Platz genommen hat. Er wird die Taschentücher noch brauchen.
Im Prozess um versuchten Mord möchte der Angeklagte ein Geständnis ablegen. Der 71-jährige Geschädigte hatte bereits ausgesagt, wie der Angreifer ihn im Februar 2023 zu Hause in Schiffdorf brutal zusammengetreten hatte, bis er bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.
Der Angeklagte will einiges loswerden. Es täte ihm furchtbar leid, und er sei froh, dass „der Herr“ noch lebt, erzählt der Pole unter Tränen und wird dabei von einem Übersetzer gedolmetscht. Er könne sich die Tat selbst nicht erklären. Oder vielleicht doch. Er habe damals sehr viele Drogen genommen.
Fünf Jahre lang. Seine Eltern seien schwer krank gewesen, sein Bruder in einer psychiatrischen Anstalt. Eine harte Zeit. Der Angeklagte weint. Seine Eltern weinen im Zuschauerraum. Es klingt nach einer Familienbeichte. Fast so, als seien die Aussagen mehr für die Eltern bestimmt und weniger für das Gericht.
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Ein halbes Kilo Amphetamin im Monat
Der Richter hakt nach. Was für Drogen? Amphetamin. Wie viel? Ein halbes Kilo im Monat. Wie hat es gewirkt? Vage Aussagen. Er habe nur mit Drogen aufstehen können und immer mehr gebraucht. Ohne Drogen hat der Angeklagte nach eigenen Angaben vergessen, seine Rechnungen zu bezahlen. Klingt nicht nach den üblichen Entzugserscheinungen. Ein deutscher Drogensüchtiger würde vermutlich auch nicht von Amphetamin sprechen, sondern von Speed.
Die Angaben zu den Drogen bleiben holzschnittartig. Aber vielleicht liegt das nur am Übersetzer. Der Angeklagte macht einen gepflegten Eindruck. Kleidung und Haarschnitt sind trotz Untersuchungshaft modisch. Eine mehrjährige Drogenkarriere und ein Entzug sind ihm nicht anzusehen.
Was die Drogensucht mit dem Überfall zu tun hat, bleibt unklar. Denn: Der Angeklagte besteht darauf, dass er nichts gestohlen habe. Beschaffungskriminalität würde demnach wegfallen. Das hatte das Opfer allerdings anders geschildert.
Dem Rentner fehlt nach dem Überfall Bargeld
Nach Angaben des Rentners fehlten ihm nach dem Überfall mehr als 1.600 Euro Bargeld. Demnach wollte der Angreifer auch Waffen aus einem Waffenschrank rauben. Was er nicht wusste: Der Waffenschrank war leer. Der Rentner hatte die beiden Pistolen und zwei Gewehre ein paar Wochen zuvor verkauft. Nach einem Einbruch wollte er die Waffen nicht mehr im Haus haben, aus Angst vor weiteren Diebstählen.
Doch das wusste der Angeklagte nicht. Beide haben früher zusammen gearbeitet. Daher wusste der Jüngere offenbar, dass der Schiffdorfer über Waffen verfügt.
Der Angeklagte betont, dass er den „Herren“ erst getreten habe, nachdem dieser mit einer Schreckschusspistole geschossen habe. Hätte der Mann sich nicht verteidigt, wäre er nicht verletzt worden.
Dann merkt der Täter, dass er gerade dem Opfer die Schuld gibt und das sich das vermutlich nicht so gut vor Gericht macht. Deswegen korrigiert er sich: Wäre er nicht zum Opfer gefahren, hätte es keinen Überfall gegeben.
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Opfer braucht bis heute psychologische Betreuung
Der Rentner hat ein gebrochenes Jochbein, ein gebrochenes Nasenbein, eine zerquetschte Hand, Platzwunden am Kopf und geprellte Rippen davon getragen. Ein Ohr wurde wieder angenäht. Bis heute braucht er psychologische Betreuung.