TCaroline Kiesewetter: „Als Sechsjährige wusste ich, ich werde Schauspielerin“

Caroline Kiesewetter bei der Show „Wiehnachten steiht vör de Döör“ 2022. Foto: Oliver Fantitsch
Schauspielerin Caroline Kiesewetter steht nicht nur auf Theaterbühnen, sie hat auch einen zweiten Job: als Gebärdensprachdolmetscherin. Für beide brennt sie gleichermaßen - was nicht immer einfach ist.
TAGEBLATT: Sie spielen in dem Stück „Alarm in’t Theaterhuus – Carmen darf nicht platzen“ im Ohnsorg Theater eine Starsopranistin. Singen Sie auf der Bühne selbst?
Caroline Kiesewetter: Ja. Ich hatte mit zwölf meine ersten Gesangsstunden bei einer großen Operndiva in Hamburg. Flori Draht kam wirklich mit Turban und Strassbrosche zum Unterricht – so wie ich teilweise in meiner Rolle gekleidet bin. Sie war eine extravagante, tolle Frau. Mit der Gesangstechnik, die sie mir vermittelt hat, hat sie mein Fundament fürs Leben gelegt.
Also mussten Sie den Operngesang nicht eigens für diese Inszenierung einstudieren?
Ich würde mir niemals anmaßen zu sagen: Ich beherrsche Operngesang. Man braucht dafür unheimlich viel Kraft, Atem und Emotionalität. Deshalb habe ich sehr geübt. Auch mit meiner Kollegin Nele Larsen.
Als wir merkten, dass wir unser schwieriges Duett beherrscht haben, wollten wir unsere Kollegen damit überraschen. Wir haben bei einer Probe einfach aus voller Kehle gesungen, das hat tatsächlich zwei Leute zu Tränen gerührt.
Ihre Figur Elena Firenzi gebärdet sich oft wie eine Diva. Ist sie das Gegenteil von Ihnen?
Absolut. Das Reizvolle an meinem Beruf ist ja: Ich darf in meinen Rollen immer wieder über mich hinauswachsen. Eben noch war ich eine Operndiva, danach gehe ich als Caro in Jeans, Lederjacke und Turnschuhen nach Hause.
Auch wenn Sie Elena Firenzi mit italienischem Akzent sprechen: Wie gut ist Ihr Plattdeutsch?
Ich dachte, es wäre super. Bis ich mein Engagement am Ohnsorg Theater bekommen habe. Mit dem Nachbarn einen kleinen Schnack abzuhalten ist eben etwas anderes, als eine Figur zu verkörpern und dabei in einem gewissen Tempo Plattdeutsch zu sprechen. Dafür musste ich noch mal richtig bimsen.
Sie wurden in Hamburg geboren und sind in Dithmarschen aufgewachsen. Wie war Ihre Kindheit auf dem Dorf?
Traumhaft. Wir hatten immer zwei Dependancen – eine in Hamburg, eine auf dem Land. Als meine Schwester und ich ins schulpflichtige Alter gekommen sind, mussten sich meine Eltern für einen Wohnort entscheiden. Zum Glück kriegte Dithmarschen den Zuschlag.
Meine Kindheit war wild und frei, ich bin mit vielen Tieren groß geworden. Im Sommer war ich den ganzen Tag draußen, bis zum Abendbrot war ich meistens unterwegs. Auch heute noch verbringe ich jede freie Minute in unserem Haus auf dem Land.
Heißt das, Sie fühlen sich dort wohler als in der Stadt?
Für mich gilt: Die Mischung macht es. Auf dem Land würde mir auf Dauer die Kultur fehlen. Und wenn ich nur in Hamburg wäre, würde ich sowohl die Stille als auch den Bezug zu den Tieren und zur Natur vermissen.
Sie sind in einer Künstlerfamilie groß geworden. Wann stand für Sie fest, dass Sie Schauspielerin werden wollten?
Ich habe schon immer gern Gedichte auswendig gelernt, gesungen oder mir irgendwelche Theaterstücke ausgedacht, die ich dann aufgeführt habe. Als Sechsjährige wusste ich: Ich werde Schauspielerin. Weil meine Eltern selber Künstler waren, standen mir alle Türen offen. Obwohl ich später noch einen zweiten Beruf gelernt habe, habe ich meine ursprüngliche Entscheidung nie bereut.
Warum haben Sie an der Universität Hamburg Gebärdensprachdolmetschen studiert?
Als ich während der Pandemie auf dem Land war, hat mir mein Beruf so sehr gefehlt. Darüber habe ich mit Murat Yeginer, damals künstlerischer Leiter des Ohnsorg Theaters, gesprochen. Ich erzählte ihm, dass ich eine verrückte Idee hätte. Wahnsinnig gern würde ich Gebärdensprachdolmetschen studieren. Andererseits fände ich ein Vollzeitstudium mit sieben Pflichtsemestern ziemlich herausfordernd. Doch Murat sagte: „Das schaffst du, ich unterstütze dich.“ Weil er Wort gehalten hat, konnte ich mein Studium tatsächlich abschließen.
Außerdem haben Sie als Sängerin zwei Soloalben veröffentlicht. Welchen Stellenwert hat Musik heute für Sie?
Seitdem ich am Ohnsorg Theater eine Festanstellung habe, singe ich hauptsächlich hier. Manchmal erlaube ich mir aber einen Sidekick. Als ich mit der Thilo Wolf Big Band bei einem Ball in Nürnberg aufgetreten bin, habe ich Mitch Winehouse kennengelernt. Der Vater von Amy Winehouse hat mich eingeladen, am nächsten Tag mit ihm zwei Duette für sein Album aufzunehmen. Da habe ich natürlich keine Sekunde gezögert und zugesagt.
Ihre Liebe zum Jazz verdanken Sie Ihrem Vater, dem Komponisten Hartmut Kiesewetter, oder?
Ja. Als ich konfirmiert wurde, durfte ich mir aussuchen, ob ich eine Feier oder eine Reise haben wollte. Ich entschied mich für eine Reise nach New York. Mein Vater ist mit mir zu einem Konzert der Sängerin Nancy Wilson in den Jazzclub Blue Note gegangen. Dieses Erlebnis hat mich echt geprägt.
Wie ging es danach mit Ihrer Jazzleidenschaft weiter?
Als ich 16 war, drückte mir mein Vater ein Billie-Holiday-Album in die Hand. Ich hatte Lust, „Pennies from Heaven“ aufzunehmen. Papa schickte mich mit ein paar sehr erfahrenen Musikern wie Joe Sydow, der früher Bassist bei Kurt Edelhagen war, in das Studio eines Freundes. Weil mich diese Jazz-Daddys talentiert fanden, durfte ich häufig mit ihnen musizieren. Das waren wertvolle Lehrjahre für mein weiteres Leben.
Auch mit Ihrem Onkel Knut Kiesewetter haben Sie sich später zusammengetan.
Wir waren als Knut Kiesewetter & Familie unterwegs. Unser Ziel war es, deutsche Volkslieder ein bisschen zu entstauben. Mit diesem Projekt gastierten wir in zahlreichen Fernsehsendungen.
Als Nächstes moderieren Sie „De Ohnsorg-Wiehnachtsshow – Wo bleiben die Geschenke“. Was passiert auf der Bühne?
Ich darf die Show sogar schreiben. Mein Plan ist es, sie hauptsächlich mit Kollegen aus dem Ensemble zu besetzen. Wir singen zusammen, einige lesen etwas, andere spielen Sketche. Zusätzlich ist Lara-Maria Wichels als rasende Reporterin im gesamten Haus unterwegs. Sie besucht zum Beispiel die Requisite oder den Malsaal, damit alle irgendwie vorkommen.
Was bedeutet Ihnen Weihnachten?
Ich bin totaler Weihnachtsfan. Als Schauspielerin feiere ich Silvester meistens auf der Bühne, aber Weihnachten ist für mich Familienzeit. Wir sitzen die ganze Zeit am Kamin und am Weihnachtsbaum. Mal schnacken wir, mal lesen wir – bei uns ist es wahnsinnig gemütlich.
Gibt es in Ihrer Familie irgendwelche Weihnachtsrituale?
Unser Shetlandpony Prinzi, das 36 Jahre alt geworden ist, wurde immer als Rentier verkleidet. Eigentlich eher für die Nachbarskinder, für die mein Vater oft den Weihnachtsmann gegeben hat. Hinterher kam Papa noch mal mit Prinzi in unseren Flur. Weil wir dieses Ritual so schön fanden, haben wir es auch als Erwachsene beibehalten. Unsere Tiere wurden zu Weihnachten ebenfalls beschert. Die Pferde kriegten ein Extrabund Möhren, die Hunde eine Leckerei.
Wie stressig finden Sie es, Weihnachtsgeschenke zu kaufen?
Ich mache vieles selber. Wenn man schnell etwas online bestellt, um es zu verschenken, ist mir das zu unpersönlich. In meinem Beruf ist es ja so: Wenn der Vorhang zugeht, ist alles verpufft. Deswegen liebe ich es zu basteln, dabei entsteht am Schluss nämlich etwas Konkretes.
Stimmt es, dass Restaurieren und Renovieren Ihre Hobbys sind?
Ja. Ich mag alles, was haptisch ist und arbeite gern mit Holz. Ich weiß es zu schätzen, in meiner Wohnung Dinge zu haben, die eine Geschichte erzählen.
Zur Person
Caroline Kiesewetter wurde am 13. Juli 1974 in Hamburg geboren. Die Tochter der Fernsehköchin und Kochbuchautorin Marion Kiesewetter und des Komponisten Hartmut Kiesewetter machte ihre Schauspiel- und Gesangsausbildung von 1994 bis 1997 am Rose Bruford College of Drama im Großraum London. Anschließend spielte sie Sally Bowles in „Cabaret“, sie stand in den Hamburger Kammerspielen oder im St. Pauli Theater auf der Bühne.
In der Fernsehserie „Rote Rosen“ war sie von 2011 bis 2012 Anne Lichtenhagen, 2019 verkörperte sie diese Figur erneut. Der Amy-Winehouse-Fan hat zwei Soloalben veröffentlicht. In Hamburg studierte die Sängerin und Schauspielerin Gebärdensprachdolmetschen. Sie gehört zum Ensemble des Ohnsorg Theaters. Vom 5. bis 8. Dezember moderiert sie dort „De Ohnsorg-Wiehnachtsshow – Wo bleiben die Geschenke?“
Persönliches
Dithmarscher Mehlbeutel finde ich ... am leckersten mit Fliederbeersoße und in Scheiben aufgebraten.
An Heidi Kabel bewundere ich ..., dass sie sich als Volksschauspielerin einen so positiv besetzten Namen machen konnte.
Zum Lachen bringen mich ... am meisten Tiere.
Am schönsten ist Hamburg ..., wenn man mit einem kühlen Bier an der Elbe den Schiffen zuschaut.
Mein Vorbild sind ... Menschen, die immer hundertprozentig mit all ihrer Energie und Aufmerksamkeit an einem Ort sind.
Gebärdensprache ist ... eine Sprache, die keine Worte hat, aber mit der man so viel ausdrücken kann.