TCorona: Lungenfacharzt rechnet mit einem Anstieg der Fälle

Lungenfacharzt Dr. David Heigener im Diako. Foto: Heitmann, Holger
Die Corona-Infektionen häufen sich wieder, die eine oder andere Ansteckung bleibt möglicherweise im Verborgenen. Dr. David Heigener erwartet wieder einen Anstieg der Fallzahlen.
Landkreis. Viele schwere Verläufe seien indes nicht zu erwarten, so der Lungenfacharzt. Im Interview berichtet er, für wen sich eine Impfung lohnt, wie er auf die intensiven Coronajahre zurückschaut und wie Krankenhaus und Gesellschaft auf eine neue Pandemie vorbereitet sind.
Manche nehmen Corona nicht mehr so ernst, andere schauen besorgt darauf, dass es wieder mehr Fälle zu geben scheint. Wie schlimm ist Corona noch?
Wir haben momentan wieder eine kleine Welle, auch im Krankenhaus. Es sind Patienten nicht nur mit, sondern auch wegen Corona hier. Das sind allerdings oft ältere Menschen, die einfach so erkältet sind, dass sie nicht zu Hause sein können, und lange bei uns ein Bett benötigen.
Die Symptome sind wie bei einer starken Erkältung, manchmal auch Magen-Darm-Probleme, seltener eine Einschränkung der Atmung. Erfreulicherweise haben wir so gut wie keine Coronapatienten mehr auf der Intensivstation, die beatmet werden müssen. Dafür haben eine Durchseuchung und in Deutschland eine doch relativ hohe Impfquote gesorgt.
Wie wird sich das mit Blick auf die kalte Jahreszeit entwickeln?
Wir werden einen Anstieg der Fälle haben, da wir uns wieder in wenig belüfteten Innenräumen aufhalten und die Schleimhäute in der Kälte austrocknen und empfindlicher sind, was eine Virusinfektion begünstigt.
Ich halte es aber für unwahrscheinlich, dass wir es wieder mit schwereren Verläufen zu tun haben werden. Man muss natürlich wachsam bleiben, welche Varianten kommen. Aber der Selektionsdruck geht weg von den tödlichen Viren. Ein erfolgreiches Virus tötet uns nicht, es braucht uns als Wirt. Das Problem im Krankenhaus werden eher die Personalausfälle.
Wer Corona hat, sollte zu Hause bleiben?
Wenn ich mich anstecke, kann ich vielleicht noch in mein Büro kommen, und hier Schreibtischarbeit machen. Aber eine Pflegekraft, die am Patienten arbeitet, sollte zu Hause bleiben, bis sie einen negativen Schnelltest hat, und dann noch eine Woche lang Maske tragen, um keine Erreger mehr zu übertragen.
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Mit positivem Coronatest sollte auch keiner ins Großraumbüro gehen. Corona ist nach wie vor mehr als eine gewöhnliche Erkältung. Auf Station wird immer noch jeder mit Corona-Infekt isoliert, auch seine Kontaktpersonen werden isoliert.
Wird es im Winter auch wieder zu Besuchseinschränkungen kommen?
Das haben wir uns auch schon gefragt. Es ist zumindest nicht auszuschließen. Es kann eine Situation eintreten, in der wir auch mit Besuchseinschränkungen einer weiteren Ausbreitung und hohen Personalausfällen vorbeugen müssen.
Was hat das Diako, was haben wir als Gesellschaft aus der Coronazeit gelernt, auch für kommende Pandemien?
Damals wurden Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen getroffen. Die gesellschaftlichen Folgen der Schulschließung wurden sicher unterschätzt, da würde man in Zukunft sicher anders vorgehen. Wir müssen Entscheidungen besser kommunizieren, auch wenn es immer Unbelehrbare geben wird. Es ist Quatsch, wenn jemand sagt, die ganzen Maßnahmen waren alle nicht nötig. Wir hatten es immerhin mit einer tödlichen Erkrankung zu tun.
Ist die Ausstattung für den Fall einer Pandemie jetzt auch besser?
Das wird spannend zu sehen, ob die Logistikwege kürzer sein werden, die Vorratshaltung besser ist. Natürlich gibt es Pandemielager, die gab es aber auch vor Corona schon. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass uns mal die Masken ausgehen. Bei den Impfstoffen hat man mit der Technologie, die auf Boten-RNA basiert, der sogenannten mRNA, ein Baukasten-ähnliches System, das auf neue Virusvarianten schnell angepasst werden kann.
Sollte ich mich nun wieder gegen Corona impfen lassen?
Es sollten sich die beim Hausarzt impfen lassen, die laut Robert-Koch-Institut zur Risikogruppe gehören, Menschen über 60, Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder COPD.
Übrigens empfehle ich derselben Gruppe eine Grippeimpfung, wobei Grippe auch junge Menschen umbringt, aber Gott sei Dank sehr, sehr selten. Die Corona-Impfung schützt vor schweren Verläufen, aber nicht vor der Erkrankung, na gut, zumindest ein wenig, weil der neue Impfstoff auf aktuelle Varianten ausgerichtet ist. Eine Impfpflicht ist heutzutage nicht mehr notwendig und hat sich auch als nicht durchsetzbar erwiesen.
Warum?
Ich musste lernen, dass man Leute nicht zwingen kann, das kostet nur Zeit und Kraft und bringt wenig. Es gibt eine Klientel, die beratungsresistent ist. Es gab für einige Monate eine Pflicht für das Krankenhauspersonal, es ist aber keiner entlassen worden, weil er sich nicht impfen ließ. Wobei, Ärzte als Impfgegner haben eigentlich ihren Beruf verfehlt.
Trotzdem, warum sollte sich jetzt nicht jeder noch mal impfen?
Für Gesunde unter 60 Jahren ist der Zusatznutzen eher gering. Die meisten sind durch überstandene Infektionen und vorangegangene Impfungen vor einem schweren Verlauf weitgehend geschützt. Wie gesagt, für ältere und kranke Menschen sowie Mitarbeiter des Gesundheitssystems lohnt sich der minimale Schutz vor einer erneuten Infektion durch die jährliche Impfung. Auch ist darauf hinzuweisen, dass die Impfung vor Long-Covid einen gewissen Schutz bietet.
Das wäre ja ein Argument.
Ja, Long-Covid ist ein heißes Thema, denn dagegen gibt es noch keine Therapie, keine echten Behandlungsoptionen. Es gibt auch keine Biomarker, die Long-Covid nachweisen. Es handelt sich wohl unter anderem um eine neuromuskuläre Erkrankung. Aus den Geschichten der Betroffenen ist es plausibel, dass es eine gravierende Krankheit ist, dennoch müssen viele erst darum kämpfen, dass diese bei ihnen anerkannt wird. Die schwerste Form ist nicht einmal durch Rehabilitation behandelbar, da jegliche Art von moderater Anstrengung zu Muskelschmerzen und Erschöpfung führt.
Wie ist es hier im Krankenhaus, sind Sie mit anderen Abteilungen beim Thema Corona vernetzt?
Mal abgesehen von der Long-Covid-Thematik äußert sich Corona vor allem als Infekt der Atemwege. Das Virus liebt die Lunge. Insofern ist Corona erst einmal kein multi-disziplinäres Problem. Natürlich gibt es auf anderen Stationen Patienten, die respiratorische Symptome haben, da entscheiden wir mit den Kolleginnen und Kollegen dort, ob Anti-Covid-Medikamente wie Paxlovid verschrieben werden.
Wie sind die Nachwirkungen der Coronajahre für das Krankenhaus?
Es war eine nervenaufreibende Zeit, vor allem, als es damit anfing, dass man junge Leute hat sterben sehen. Das Personal, das gesund war, musste zudem unter schwierigen Bedingungen für die Erkrankten mitarbeiten. Weniger bei den Ärzten, aber bei den Pflegekräften hat das auch dazu geführt, dass einige den Job an den Nagel gehängt haben und in andere Branchen gewechselt sind.