TD/A, Werder und der HSV: Dieser Kultfan trank schon Bier mit Dittsche

Gerd Wetegrove bezahlt für seine Dauerkarten für Werder, den HSV und D/A im Jahr mehr als 1700 Euro. Foto: Berlin
Mütze auf, Kutte an und ab ins Stadion: Ein Brüderpaar aus Drochtersen-Ritsch besitzt Dauerkarten für Werder, den HSV und D/A. Ihre Erlebnisse könnten Bücher füllen.
Drochtersen. Im Wohnzimmer hängen die Kutten über den Stuhllehnen. Eine für Werder Bremen. Eine für den HSV. Der Jeansstoff ist alt. Ab und zu verabschiedet sich ein Aufnäher. Nähzeug liegt hinter der Gardine auf dem Fensterbrett. „Da kommst du mit der Nadel kaum durch“, sagt Udo Wetegrove.
Die Brüder Udo (72) und Gerd Wetegrove (65) leben in einem Backsteinhaus im Drochterser Ortsteil Ritsch. Bis zum Kehdinger Stadion in Drochtersen sind es knapp drei Kilometer. Ins Weserstadion zu Werder Bremen fahren sie 110 Kilometer, in den Volkspark zum HSV 73. Die beiden Männer leben für den Fußball. Ihr Herz schlägt für drei Clubs gleichermaßen.
Mit dem Fahrrad ins Kehdinger Stadion
Am Freitagabend nehmen sie das Fahrrad. Die SV Drochtersen/Assel empfängt in der Regionalliga Nord den SC Weiche Flensburg. Das ist das Spitzenspiel zwischen dem Zweiten, D/A, und dem Dritten. Die Wetegroves sitzen direkt neben dem Spielertunnel, Gerd in Reihe fünf, Udo in Reihe vier. Gleich im Rücken die Getränkebude. „Es ist cool, dass die Leute so hinter dem Verein stehen. Wir haben uns über Jahre erarbeitet, dass sie den D/A-Schal tragen.“ D/A-Trainer Oliver Ioannou weiß das zu schätzen.
Werder Bremen gegen Holstein Kiel war Spiel Nummer 1956. In einem Aktenordner haben die Brüder alle Profi-Fußballspiele notiert, die sie besucht haben. Die Partien, die sie im Kehdinger Stadion besucht haben, sind da nicht dabei. In Udo Wetegroves Statistik stehen drei Spiele mehr, weil Gerd bei der Bundeswehr ins Manöver ziehen musste.

Gerd und Udo (links) Wetegrove haben gemeinsam 1956 Fußballspiele von Profimannschaften gesehen. Die Spiele von D/A im Kehdinger Stadion sind da nicht eingerechnet. Foto: Berlin
Die Liebe zum Fußball keimte am 13. Mai 1974 auf. Werder Bremen gewann ein Freundschaftsspiel in Wischhafen mit 16:1. „Dieter Burdenski war so nett und hat einen Ball extra durchgelassen“, sagt Udo Wetegrove. Ein paar Wochen später gewann Deutschland im eigenen Land den Weltmeistertitel. Der Fußball-Boom trieb die Brüder am 28. September 1974 das erste Mal in ein richtiges Fußballstadion. Damals kostete das Ticket HSV gegen VfB Stuttgart noch drei Mark. „Ich hatte nicht mal das Geld für eine Brause“, sagt Gerd Wetegrove. Er war damals 15, sein Bruder Udo 22. Und Georg Folkert machte den Elfmeter zum 1:0-Endstand für den HSV rein.
Drei Dauerkarten kosten über 1700 Euro
50 Jahre später steht die Zahl 1956. Die Wetegroves zahlen jeweils 780 Euro für die HSV-Dauerkarte, 825 Euro für die in Bremen und 140 Euro für D/A. „Da geht schon allerhand Rente flöten“, sagt Udo Wetegrove. Aber mit den Jahren verliert der Profifußball seine Romantik. „Alles ist nur noch Kommerz“, sagt Gerd Wetegrove. Gerade als HSV-Fan darf man dieser Tage auch nicht zartbesaitet sein. Sie gehen trotzdem hin, auch in schlechten Zeiten. So ist das halt. Gerd Wetegrove zuckt mit den Schultern.
Fußball-Literatur
T Der Abgesang auf das Fußballgeschäft - demaskierend und hoffnungslos
Vielleicht bestärken die schönen Erinnerungen, die Erlebnisse auf und neben dem Platz oder die schönen Anekdoten die Treue zum Fußball. Kultschiedsrichter Lutz Wagner schickte drei Tage vor Gerd Wetegroves Geburtstag einen Brief. Wagner hatte DFB-Wimpel reingelegt und signiert, sein Autogramm auf Gelben und Roten Karten hinterlassen.
Willi Lemke für die Brüder durchs Weserstadion
Da gab es eine Szene im Weserstadion. Die Wetegroves sollten ihre neuen Dauerkarten abholen und waren ob der vielen Gänge und Büros ein wenig überfordert. Werder-Manager Willi Lemke führte die beiden persönlich zum richtigen Ort. Oder das DFB-Pokalendspiel in Berlin: Nachdem Bremens Torwart Frank Rost gegen Bayerns Weltstar Lothar Matthäus den entscheidenden Elfmeter parierte, machte Gerd Wetegrove auf der Tribüne einen Hechtsprung. „Am nächsten Tag war ich überall grün und blau.“
Gerd Wetegrove ist der Bruder mit der großen Klappe. Olli Dittrich, der mit dem TV-Format „Dittsche“ einen Riesenerfolg feierte, grüßte immer freundlich zurück im Volksparkstadion. Irgendwann sagte Gerd Wetegrove zu Dittrich: „Was deine Gäste können, kann ich auch.“ Dittrich muss einen Narren an dem bärtigen Mann aus Kehdingen gefressen haben. Vier Mal bekam Wetegrove eine kleine Rolle in dessen Sendung. Heute zeigt Wetegrove stolz die Fotos mit Dittsche, Ingo und Schildkröte. Die Folgen hat er auf VHS. Im Vitrinenschrank stehen zwei Flaschen Dittschberger Pilsener. Ungeöffnet.

Gerd Wetegrove hatte Kurzauftritte in vier Folgen von „Dittsche" mit Olli Dittrich. Foto: Berlin
Die Wetegroves mögen Regionalligafußball. Sie mögen D/A. „Die Profis sind doch mit Geld vollgestopft. Das kannste vergessen“, sagt Gerd Wetegrove. Wenn Werder oder der HSV nicht spielen, sind sie da. Gerd Wetegrove in Kutte und blau-weißer Mütze, sein Bruder Udo eher in zivil. Ein, zwei Bierchen. Ein bisschen schnacken. Viel zu erzählen haben sie ja.
Kinder haben freien Eintritt gegen Flensburg
D/A empfängt am Freitagabend (15. November, 19.30 Uhr) Weiche Flensburg im Kehdinger Stadion. D/A-Trainer Oliver Ioannou kann fast auf seinen kompletten Kader zurückgreifen. Maximilian Geißen und Martin Sattler fehlen verletzungsbedingt. Alle Kinder unter 18 Jahren haben bei diesem Spitzenspiel zwischen dem Tabellenzweiten D/A und dem Dritten aus Flensburg freien Eintritt. Dies gilt auch für das nächste Heimspiel am 22. November gegen den SV Meppen.