Zähl Pixel
Cannabis-Gesetz

TDas legale Kiffen im Kreis Stade und der Zoff hinter den Kulissen

Einen Joint im Park zu rauchen, ist nur für Erwachsene legal - sofern keine Minderjährigen in Sichtweite sind.

Einen Joint im Park zu rauchen, ist nur für Erwachsene legal - sofern keine Minderjährigen in Sichtweite sind. Foto: Hannes P Albert/dpa

Seit 1. April darf legal gekifft werden. Nur nicht von jedem und nicht überall. In Buxtehude und Stade sind Cannabis-Clubs in Gründung. Aber wer kontrolliert all das? Darüber streiten Ministerien und Behörden noch. Ein Blick auf die aktuelle Lage.

author
Von Anping Richter
Freitag, 24.05.2024, 17:50 Uhr

Landkreis. Seit dem 1. April haben Passanten in Stade und Buxtehude den Geruch von Cannabis etwas häufiger als früher in der Nase. Ansonsten ist äußerlich nicht viel von der neuen Lage zu merken. Gekifft wurde vorher schon, und auch für die Polizisten hat sich laut Sprecher Rainer Bohmbach von der Polizeiinspektion Stade bisher nicht viel verändert.

Hinter den Kulissen gibt es Zoff

Die Beamten unternehmen keine besonderen Kontrollen. Wenn sie wahrnehmen, dass jemand in der Nähe einer Kita oder Schule kifft, sprechen sie einen Platzverweis aus und machen eine Mitteilung ans Ordnungsamt. Also alles ganz entspannt bei der Cannabis-Legalisierung? Nein. Hinter den Kulissen gibt es Zoff im Lande Niedersachsen.

Interaktive Karte zeigt Konsumverbotszonen

Es geht darum, wer für die Überwachung der neuen Regeln zuständig ist. In Gegenwart und Sichtweite von Minderjährigen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen ist der Cannabis-Konsum verboten. Die Tabuzone hat einen Radius von bis zu 100 Metern. Ein Softwareentwickler aus Koblenz hat dazu übrigens eine interaktive Karte programmiert und stellt sie kostenlos unter bubatzkarte.de zur Verfügung. Nicht einbezogen sind Fußgängerzonen, wo zwischen 7 und 20 Uhr ebenfalls ein Verbot gilt.

Privaten Veranstaltern steht es frei, Cannabis-Verbote auszusprechen und die Einhaltung auch durchzusetzen - so geschehen am vergangenen Wochenende beim Pfingstmarkt in Neukloster. Die Stade Marketing und Tourismus plant nicht, den Cannabis-Konsum auf ihren Festen über die gesetzlich vorgegebenen Maße hinaus zu reglementieren. Für das Blütenfest hatte die Gemeinde Jork kein Verbot ausgesprochen, weil der Veranstaltungsbereich ohnehin in Verbotszonen liegt.

In Buxtehude gibt es noch Beratungsbedarf beim Umgang mit den Regelungen

In Buxtehude wird noch intern beraten, ob bei städtischen Veranstaltungen eigene Regelungen angebracht sind, berichtet Verwaltungsvize und Jurist Ralf Dessel. Dabei spiele die Um- und Durchsetzung eine große Rolle. Das Land hatte die Ordnungsämter ins Gespräch gebracht. Die Zuständigkeit wurde bisher aber nicht übertragen.

Rund um den legalen Konsum und Anbau von Cannabis gibt es viele Regeln. Unklar ist, wer sie überwachen soll.

Rund um den legalen Konsum und Anbau von Cannabis gibt es viele Regeln. Unklar ist, wer sie überwachen soll. Foto: Friso Gentsch/dpa

Die Landtagsabgeordnete Birgit Butter hat schon vor Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes Ende März eine Anfrage dazu gestellt, welche Behörden die Überwachung übernehmen sollen. Die Antwort: „Um eine lückenlose Kontrolle durch die jeweils zuständigen Ordnungsbehörden sicherzustellen, wird die Frage der Zuständigkeit für die in §5 KCanG genannten Konsumverbote derzeit zwischen den einzelnen Ressorts abgestimmt.“

Rund sechs Wochen später hat sich die Antwort nicht geändert. „Möglichst zeitnah“ soll die Zuständigkeit geregelt werden, teilt das Innenministerium auf TAGEBLATT-Nachfrage mit. Und: Die Niedersächsische Staatskanzlei werde in den kommenden Wochen den Entwurf einer Zuständigkeitsverordnung verfassen. Auch ein Bußgeldkatalog soll erstellt werden.

Kiffen vor Minderjährigen: In Bayern 1000 Euro Strafe

„Andere Bundesländer scheinen da schon weiter zu sein“, sagt der Jorker Bürgermeister Matthias Riel. In der Tat: Bayern hatte schon im April einen fertigen Bußgeldkatalog und ahndet beispielsweise das Kiffen vor Minderjährigen mit 1000 Euro. Riel findet, dass ein finanzieller Aufwandsausgleich erfolgen müsste, wenn die Landesregierung den Kommunen trotz des bekannten Arbeitskräfte- und Fachkräftemangels weitere Aufgaben rund um die Überwachung der Cannabis-Gesetze zuweisen sollte und verweist auf den Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund (NSGB).

Dr. Stephan Meyn ist dort Referatsleiter und sagt: „ Wir wissen gar nicht, mit welchen Leuten wir das machen sollen.“ Der Bund habe hier einfach ein Gesetz geschaffen, ohne dass diese Dinge vorher geklärt worden seien. Der NSGB habe das Land aufgefordert, für Klarheit zu sorgen.

Woher soll das legale Cannabis kommen?

Für Cannabis gibt es seit 1. April zwei legale Quellen, und beide können noch nicht liefern. Erstens: der Eigenanbau. Doch vom Pflanzen bis zur Ernte dauert es mindestens drei Monate. Erwachsene dürfen bis zu drei Cannabis-Pflanzen an ihrem Wohnsitz ziehen und dafür Samen aus EU-Ländern nutzen. Erlaubt ist der Anbau nur zum eigenen Konsum, nicht zur Weitergabe. Außerdem muss das Ganze gegen Diebstahl und den Zugriff von Kindern geschützt werden.

Die zweite legale Möglichkeit sind Cannabis-Clubs. Diese nichtkommerziellen Anbauvereinigungen sind als Vereine oder Genossenschaften zu organisieren - unter hohen Auflagen. Inzwischen gibt es Vereine, die Hilfestellung bei der Gründung örtlicher Clubs bieten.

Cannabis-Clubs können noch lange nicht liefern

Einer der größten ist der Mariana Cannabis Social Club Deutschland. Dessen Pressesprecher Keno Mennenga bestätigt, dass mit einer Ernte aus eigenem Anbau erst 2025 zu rechnen ist. Eine Lizenz kann erst ab 1. Juli beantragt werden. Eine erste Anbaufläche werde gerade aufgebaut, um eine Blaupause für alle Mitgliedsclubs zu entwickeln - eine Art Anbau-Rezept. Eine App nach dem Vorbild der Corona-Apps soll das Handling leichter und datensicher machen.

Highmatverein Buxtehude und Haze Grow Stade

In Buxtehude ist offenbar ein Club in Gründung: der Highmatverein Buxtehude. Im Netz ist die Seite zu finden, auf der man sich unverbindlich anmelden kann. Das gilt auch für den Club Haze Grow Stade. Im Impressum geben beide den „Bundesverband der Cannabis Social Clubs“ an. Die Telefonnummer führt zu einem Anrufbeantworter mit der Ansage, dass es zurzeit aufgrund extrem vieler Anfragen schwierig sei, zu antworten.

Landwirtschaftskammer auch für Cannabis zuständig

Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium teilt auf Nachfrage mit, dass die Landwirtschaftskammer für die Lizensierung zuständig sein wird. Dort sollen die Anbauvereinigungen die Anträge erhalten und ab 1. Juli stellen. „Der Abstimmungsprozess in der Politik ist im Gange, Details werden in den nächsten Wochen geklärt“, sagt Pressesprecher Wolfgang Ehrecke.

Der Anbau von maximal drei Hanfpflanzen im eigenen Zuhause und für den Eigenbedarf soll erlaubt sein.

Der Anbau von maximal drei Hanfpflanzen im eigenen Zuhause und für den Eigenbedarf soll erlaubt sein. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Es gibt viel zu beachten für den Anbau. Laut Landwirtschaftsministerium muss vieles nachgewiesen werden: Zum einen die Zuverlässigkeit der Vertretungsberechtigen, zum anderen, dass Cannabis, Samen und Stecklinge ausreichend gegen den Zugriff durch Minderjährige und unbefugte Dritte geschützt sind.

Einmal jährlich und auf Verlangen sind Bestand, Ernte- und Weitergabemengen mitzuteilen. Das soll Handel mit Cannabis auf dem Schwarzmarkt verhindern. Jeder Club muss Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen, ein Gesundheits- und Jugendschutzkonzept und einen Präventionsbeauftragten haben.

Suchtberatung bemerkt bisher keine Veränderung

Den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen und den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, sind zentrale Ziele der Legalisierung. Sind Auswirkungen bereits wahrnehmbar? Für sie nicht, sagt Maike von Appen von der Suchtberatung des Diakonieverbands Buxtehude-Stade. Es sei möglich, dass junge Leute dächten: Wenn es legal ist, ist es ja nicht so schlimm.

Erfahrungsgemäß dauere es aber, bis bei ihnen etwas ankomme. Erst müsse Leidensdruck entstehen oder reflektiert werden, dass es Handlungsbedarf gibt. „Legal heißt nicht, dass es nicht gefährlich ist. Aber das gilt auch für Alkohol“, sagt von Appen.

Weitere Artikel