T„Das sind Kriminelle“: Harsche Worte nach Drohnensichtung über Militärstützpunkt

Wenn verdächtige Drohnen über das Marinefliegergelände fliegen, ist die Flugsicherheit für die Marineflieger – hier ein Seefernaufklärer vom Typ P-3C „Orion“ – gefährdet. Ende Februar soll über dem Fliegerhorst zuletzt mindestens eine Drohne gesichtet worden sein. Foto: Sina Schuldt
Über kritischer Infrastruktur sind Drohnen gesichtet worden. Fragen zu Herkunft und Umgang mit verdächtigen Flugobjekten werden laut.
Nordholz. In der letzten Februarwoche sind nach Recherchen von WDR, NDR und SZ zum wiederholten Male verdächtige Drohnen über Militärstützpunkten und kritischer Infrastruktur in Norddeutschland gesichtet worden. Zu den überflogenen Gebieten gehörte auch der Nordholzer Marinefliegerstützpunkt. Es wird spekuliert, dass es sich um russische Spionage handeln könnte.
Es habe sich nicht um den ersten Zwischenfall dieser Art bei den Marinefliegern gehandelt, sagt der Kommandeur des Marinefliegerkommandos in Nordholz, Kapitän zur See Broder Nielsen im Gespräch mit der Nordsee-Zeitung. Neu sei allenfalls die Größe der in der vergangenen Woche gesichteten Drohne gewesen.
Mutmaßungen über Herkunft und Einsatzzweck
Norddeutschlandweit soll es sich um unbemannte Flugobjekte mit Tragflächenspannweiten von drei bis sechs Metern und damit keinesfalls um im normalen Handel erhältliche Geräte gehandelt haben. Abgewehrt werden konnten die gesichteten Drohnen nicht - auch nicht über Nordholz.
Über Herkunft und Einsatzzweck gibt es nur Mutmaßungen. „In Sicherheitskreisen heißt es, es sei davon auszugehen, dass die unbemannten Flugobjekte von der Nordsee kommend in den deutschen Luftraum eingedrungen sind. (…) Ob aber tatsächlich Russland hinter den Drohenflügen steckt, ist bislang nicht bewiesen“, kann man bei tagesschau.de lesen.
„Schwerwiegender Eingriff in die Luftsicherheit“
Drohnen in einen Flughafen fliegen zu lassen, ist eine Straftat, betont der Kommandeur des Marinefliegerkommandos. „Wer hier einfliegt, das sind keine Trottel, die das versehentlich machen, das sind Kriminelle.“
Wenn Flugbetrieb herrscht, liegt ein schwerwiegender Eingriff in die Luftsicherheit vor. „Bereits eine Ein-Meter-Drohne, die mit dem Rotorblatt eines Helikopters kollidiert oder in ein Triebwerk fliegt, endet fatal“, weist Nielsen auf die Gefahren hin. „Noch mehr Sorgen macht uns aus militärischer Sicht, dass wir ausgespäht werden.“

Drohnenflüge sind nicht nur über militärischen Bereichen verboten. Dieses Hinweisschild informiert über das Drohnenflugverbot während einer Großveranstaltung. Foto: Jens Büttner
Der Kommandeur stellt klar, sich nicht zu scheuen, diese „Gerätschaften über Bundeswehrgelände“ zu zerstören. „Aber um Drohnen abzuschießen, muss man die Verhältnismäßigkeit wahren. Da geht es um Fragen wie: Wo kommt das Gerät nieder? Werden Personen gefährdet?“
Rasante Innovationszyklen im Drohnengeschäft
Die Frage, warum bislang keine der verdächtigen Drohnen vom Himmel geholt wurde, erklärt Nielsen mit den dafür beschränkten technischen Möglichkeiten. Zwar verfügen die Marineflieger laut Nielsen über tragbare Störsender. Diese sind aber offenbar nicht wirkungsvoll.
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Nielsen spricht von „unglaublich rasanten Fortschritten“ bei der Drohnentechnik. „Wir erleben in der Ukraine, dass die Innovationszyklen gerade einmal zwei Monate betragen.“ Gleichzeitig kündigte er an: „Wir werden unsere Möglichkeiten der Gegenmaßnahmen in diesem Bereich noch verstärken. Unser Ziel muss es sein, die Verursacher zu identifizieren.“
Um die verdächtigen Flugobjekte zu erkennen, sind die Marineflieger laut Nielsen bislang auf die Beobachtungen ihrer Soldaten innerhalb des Zaunes angewiesen und auf die Beobachtungen der Bürger im Ort.
Die jüngste Drohnensichtung Ende Februar erfolgte in der Abenddämmerung und wurde den Marinefliegern von der Polizei gemeldet. Nielsen appelliert deshalb auch an die Menschen jenseits des Stützpunktes, bei Drohnensichtungen außerhalb des Zaunes sofort die Polizei zu informieren.
Nielsen: „Einführung von Drohnen gesellschaftlich verschlafen“
Die Drohnensichtungen Ende Februar sind für Nielsen allenfalls aufgrund der Größe auffällig. Im Übrigen seien die Streitkräfte nicht erst seit zwei Wochen aufgeschreckt, sondern spätestens seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine: „Und noch einmal signifikant, seit wir in Deutschland ukrainische Soldaten ausbilden. Im Grunde sind wir uns seit drei Jahren darüber im Klaren, dass die Zwischenwendezeit beendet ist und sich alles darauf auszurichten hat, kriegstüchtig zu werden.“
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Kritisch positioniert sich Nielsen zum Stand der Drohnentechnik bei der Bundeswehr: „Meine persönliche Meinung ist: Wir haben die Einführung von Drohnen gesellschaftlich verschlafen, weil wir uns in der Vergangenheit in ethischen Debatten ob der Rechtmäßigkeit des Einsatzes von unbemannten Systemen verfangen haben. Wir begreifen langsam, dass es ohne Drohnensicherheit künftig kaum gehen wird. Deshalb werden die Marineflieger künftig auch anders aussehen. Wir werden mit Drohnen unterschiedlicher Größe ausgestattet, um ergänzend zu unseren Hubschraubern und den kommenden P8-Flugzeugen agieren zu können.“
Kommandeur beklagt schleppendes Ausstattungstempo
Dass sich die seit Jahren von den Marinefliegern angekündigte Drohnengruppe derzeit noch im Aufbau befindet, erklärt Nielsen damit, dass aus seiner Sicht in der Vergangenheit der nötige Druck fehlte.
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„Die Bedrohungswahrnehmung in der Gesellschaft war lange nicht so ausgeprägt wie zurzeit. Wir sind leider nicht so schnell gewesen, wie wir es hätten sein müssen, um so ausgestattet zu sein, wie wir es eigentlich heute bräuchten. Aber ich glaube, es ist jetzt in allen Köpfen angekommen, welche Gefahr von Drohnen ausgeht, aber auch, welche Möglichkeiten der Einsatz von Drohnen hat.“
Menschen äußern ihre Bedenken und Sorgen
„Ich finde es persönlich bedenklich, dass wir scheinbar keine Maßnahmen ergreifen können, um uns gegen solche Flugobjekte zu wehren“, sagt der Bürgermeister der Gemeinde, Jörg-Andreas Sagemühl (CDU), zu dem jüngsten Zwischenfall. Damit gibt er nicht nur seine eigene Meinung wieder.
„An jedem Kasernenzaun hängt ein Hinweisschild mit dem Hinweis ‚Militärischer Sicherheitsbereich, Vorsicht Schusswaffengebrauch‘ und dann lässt man unbekannte Flugkörper, die bestimmt auch noch Fotos anfertigen, einfach so über militärische Objekte hinweg fliegen? Eigentlich unfassbar“, kommentierte ein Leser in dieser Woche Berichte über die jüngsten Drohnensichtungen.
Marineflieger sind der größte Arbeitgeber in der Region
Bei den Menschen in der Region, in der auch der Marinefliegerstützpunkt mit seinen 2.500 Soldaten und Zivilbeschäftigten als größter Arbeitgeber seit den frühen 1960er-Jahren verankert ist, sorgt aber nicht nur der jüngste Drohnenüberflug für Gesprächsstoff. Es sind vor allem die weltpolitische Sicherheitslage, Aufrüstungsvorhaben und ihre bis in den Landkreis Cuxhaven spürbaren Konsequenzen.
Rund 400 Millionen Euro sollen in Nordholzer Stützpunkt fließen
Bei seinem jüngsten Besuch in Nordholz hatte Noch-Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erklärt: „Der Standort Nordholz wird ohne Übertreibung zum modernsten Luftstandort und Landeplatz mindestens in Europa ausgebaut werden.“ Rund 400 Millionen Euro, so der Minister im Januar, sollen in den nächsten Jahren in den Stützpunkt fließen.

Bei seinem Besuch im Januar hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) angekündigt, dass der Nordholzer Marinefliegerstützpunkt weiter ausgebaut werden soll. Foto: Sina Schuldt
„Nach diesen Aussagen zu den Investitionen auf dem Gelände haben sich tatsächlich Bürger bei mir gemeldet“, berichtet Bürgermeister Sagemühl. „Bürger, die ihre Ängste mir gegenüber ausgedrückt haben - ihre Ängste im Hinblick auf die weltpolitische Lage und das Thema Aufrüstung.“