TDeichbrand: Zieht das Festival um?

Das Deichbrand-Festival 2024 aus der Luft: Mit 60.000 Besuchern war die Rockcity Wanhöden auch in diesem Jahr ausgebucht. Foto: Scheer
Auf dem Areal des Deichbrand-Festivals wollen sich mehrere Industriebetriebe ansiedeln. Mindestens eine Campingfläche ist in Gefahr.
Wurster Nordseeküste. 60.000 Fans strömen Jahr für Jahr zum Deichbrand-Festival in den Landkreis Cuxhaven. Künftig könnten kurze Festivalwege jedoch wegfallen, da Unternehmen das Gelände nutzen wollen. Was sagt Veranstalter Marc Engelke zu den Plänen?
Deichbrand ist im Juli so stark wie noch nie in den Vorverkauf für 2025 gestartet. Wie sieht es aktuell aus?
Es geht auch stark weiter. Wir sind mitten im Deichbrand-Adventskalender und immer noch auf Rekord-Vorverkaufskurs. Bei den VIP-Tickets sind wir bei über 100 Prozent Steigerung zum Vorjahr, und die allermeisten Wohnmobilplaketten sind schon ausverkauft. Im regulären Ticketverkauf sind wir für das kommende Jahr zum ersten Mal in eine neue Preisstufe und damit dann über 200 Euro gestiegen. Wir sind sehr happy, dass das der Nachfrage keinen Abbruch getan hat.

Marc Engelke, Geschäftsführer des Deichbrand-Festivals Foto: Heike Leuschner
Derzeit liegen der Gemeinde Wurster Nordseeküste mehrere Anfragen von Industrieunternehmen für eine Gewerbefläche vor, auf der im Sommer normalerweise ein Teil der Rockcity steht. Können die Pläne, diese Fläche zu verkaufen, Ihre Freude auf Deichbrand 2025 trüben?
Wir warten auf alles, was der Bürgermeister mit den interessierten Unternehmen verhandelt. Zumindest für 2025 sind wir sehr zuversichtlich, dass wir nicht mit Einschränkungen rechnen müssen.
Perspektivisch – möglicherweise schon ab 2026 - droht der Verlust von Camp Central. Was bedeutet das für Deichbrand?
Wir befassen uns jetzt nicht zum ersten Mal mit Flächenmanagement. Zwischen 2005 und 2008 sind wir jedes Jahr innerhalb von Cuxhaven umgezogen. Auch in Wanhöden haben wir einen Umzug hinter uns. Auf dem Camp Central, unserem ehemaligen Infield, sind neben einem Teil des offiziellen Fluchtwegs weitere für uns wichtige Bausteine untergebracht.
Zum einen unsere Newcomerbühne, dann der Übergang in den Awarenessbereich Talking Trees (Entspannungsbereich für Gäste, die Red.), das Special Needs Camp für Menschen mit Beeinträchtigungen, ein großer Sanitärstandort mit wassergespülten Toiletten und Abwasserlogistik sowie Campingfläche für einige Tausend Besucher.
Wie schwer wiegt dieser Verlust?
Wir wissen, dass wir uns mit Camp Central auf einem ausgewiesenen Gewerbegebiet der Gemeinde Wurster Nordseeküste befinden. Wenn es für neue Planungen, etwa für Straßen oder Gebäudestandorte, eine Version A oder B gibt und diese für die Gemeinde und die Interessenten gleichwertig sind, kann das für uns aber einen großen Unterschied bedeuten. Deshalb ist es für uns wichtig, dass wir tief in den Planungsprozess eingebunden sind und sehr transparent mitgenommen werden. Diesen Eindruck habe ich aber auch.

Die Band "Deichkind" spielt beim Demokratiefestival "Jamel rockt den Förster". Das Festival ist eine Protestaktion gegen die starke Neonaziszene des Ortes. Anlässlich des 15-jährigen Bestehens feiern 3500 Menschen auf der Wiese. +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Danny Gohlke
Wie wollen Sie den Verlust von Campingflächen kompensieren?
Im Grunde können wir nur an zwei Komponenten drehen. Wenn die Kosten weiter steigen, müssen wir entweder die Ticketpreise erhöhen oder die Gästeanzahl anpassen. Wenn wir sogar mit sinkenden Ticketverkäufen rechnen müssten, weil wir eine Flächen-Einschränkung zu erwarten haben, müssten wir mit entsprechenden Ticketpreiserhöhungen reagieren.
Das würde im Umkehrschluss dazu führen, dass Deichbrand immer exklusiver werden würde und die breite Zielgruppe immer weniger erreicht. Aber wir brauchen ein bestimmtes Preis- und Gästeniveau, um die Veranstaltung in den schwarzen Zahlen zu halten.
Halten Sie den Verkauf von Flächen an militäraffine Unternehmen für eine richtige Entscheidung?
Ich bin selbst in Nordholz aufgewachsen und habe meinen Bundeswehrdienst bei der Marine abgeleistet. Die Entwicklung von Nordholz liegt mir am Herzen. Ich hoffe allerdings, dass dort eine Entwicklung stattfindet, durch die nachhaltige Arbeitsplätze geschaffen werden – etwa für ehemalige Zeitsoldaten, die gern in der Region bleiben wollen.
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Aber das muss auch verbrieft sein. Die Gemeinde sollte genau hinschauen, bevor sie ihr Tafelsilber verkauft. Jeder von uns hat von Vorgängen wie bei der geplanten Northvolt-Ansiedlung in Schleswig-Holstein gehört. Jetzt ist der schwedische Batteriehersteller insolvent. Ein weiteres Beispiel ist INTEL. Der geplante Bau einer Chip-Fabrik in Magdeburg wurde gestoppt, weil das amerikanische Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist.
Das klingt nach einem Appell an die Gemeinde.
Aus unserer Sicht muss die Gemeinde bei diesem Filetstück wirklich sicher sein, dass dort etwas entsteht. Das ist uns ein absolutes Anliegen. Wenn das Gewerbegebiet eine grüne Fläche in der Pampa wäre, wo sonst nichts stattfindet, ist vielleicht eine nicht ganz so gewissenhafte Prüfung auf Herz und Nieren notwendig.
Aber Deichbrand ist ein touristischer und kultureller Höhepunkt. Dieses Festival kann entweder trotz der gewerblichen Entwicklung in Koexistenz zu den Unternehmen gehalten werden, oder wir müssen uns wirklich über Alternativen Gedanken machen.
Ist ein weiterer Umzug tatsächlich eine Option für Deichbrand?
Das sehe ich jetzt noch nicht, aber wir wollen in diesen gesamten Prozess eng eingebunden sein, damit wir aus unserer Tourismus-kulturellen Brille die Veranstaltung in unserer Region halten. Es war immer unser Antrieb, ein kulturelles Highlight in unserer Region zu schaffen. Das ist gelungen, wir sind bundesweit bekannt, und ich denke, dass auch viele Soldatinnen und Soldaten zu unseren Gästen zählen.
Deshalb wünschen wir uns, dass es auch 2033 - so lange läuft unser Vertrag - und darüber hinaus, noch in Wanhöden stattfinden kann. Mit unserem Infield, dem eigentlichen Veranstaltungsgelände, sind wir noch neun Jahre gebunden. Aber natürlich reicht uns das Infield nicht. Wir sind nicht in einer Metropole, einem Stadtzentrum, wo die meisten Gäste in der Region wohnen. Wir sind auf die Camping- und Parkflächen genauso angewiesen wie auf das Veranstaltungsgelände.
Gibt es Möglichkeiten, Ersatzflächen für Camp Central und perspektivisch vielleicht auch für das Green Camp zu schaffen?
Wir sind seit unserem Umzug nach Wanhöden 2009 mit fünf Personen dauerhaft mit Flächenmanagement beschäftigt. Wir schauen immer auch darauf, wo ein landwirtschaftlicher Betrieb, der mit uns zusammenarbeitet, ein Jahr pausiert oder wegen bestimmter Fruchtfolgen eine Fläche gewechselt werden muss.
Aber wenn mehr Flächen in fußläufiger Erreichbarkeit des Veranstaltungsgeländes wegfallen sollten, müssen wir irgendwann über Park&Ride sprechen. Das sind Szenarien, die wir möglichst verhindern wollen.
Warum?
Weil wir wissen, dass die kurzen Wege ein ganz wichtiges Entscheidungskriterium für unsere Gäste für oder gegen ein Festival sind. Wir wissen, dass das eine ganz große Stärke unseres Festivalgeländes ist. Das wollen wir beibehalten, solange und soweit es geht.
Was käme an Kosten auf Deichbrand zu, wenn nur noch 40.000 statt 60.000 Gäste aufs Gelände dürfen?
In diesem Fall würde man über mehrere Dutzend Prozent Preiserhöhung sprechen. Es geht um viele kleinteilige Anpassungen, von denen die Gäste erst mal nichts merken, die aber immens wichtig sind. Wir reden etwa von der Brandschutz- und Entfluchtungsplanung, Strom- und Wasseranschlüssen.
Alles, was da angefasst wird, wird von technischen Zeichnern und Architekten so umgeplant, dass man anschließend wieder eine funktionsfähige Festivalstadt präsentieren kann. Das verursacht natürlich Kosten. Bei solchen Umplanungen ist man ganz schnell in sechsstelligen Bereichen.
Und selbst siebenstellige Bereiche sind nicht ausgeschlossen. Sicher ist Veränderung für uns als Veranstalter essenziell, auch für nächstes Jahr zum Jubiläum müssen wir uns wieder etwas Neues überlegen. Aber im Bereich Camping- und Parkflächen ist es natürlich am effizientesten, wenn sich möglichst nichts ändert, damit die Ressourcen nicht in die Umplanung von Flächen wandern, sondern für die kreative Optimierung des Geländes und Programms zur Verfügung stehen.