TDer Metal-Fan, der sich in Wacken ein Haus kauft

Martin Bohmann aus Osnabrück hat sich seinen Traum erfüllt: Ein Haus im Kult-Dorf Wacken, um beim Metal-Festival nicht mehr zelten zu müssen. Seine Frau ist auch immer dabei. Foto: Iven
Zelt oder Wohnmobil: Das ist die große logistische Frage für viele Besucher des Wacken-Open-Air. Doch es geht auch anders. Das zeigt Martin Bohmann.
Wacken. Den lauten Schlachtruf „Wacken!!!“ kennen Metal-Fans. Wer jetzt beim größten deutschen Heavy-Metal-Festival in dem ansonsten eher beschaulichen Dorf Wacken in Schleswig-Holstein am Haus von Martin Bohmann vorbeikommt, muss erst einmal beweisen, dass er laut genug schreien kann. Der 54-Jährige aus Osnabrück hält den Passanten ein Dezibel-Messgerät vors Gesicht, damit sie den Namen des Ortes gebührlich laut brüllen. So ist es Sitte unter Metal-Fans, wenn sie zu dem Open-Air-Festival kommen.
Von 2.000 Einwohner auf 80.000
Das Dörfchen Wacken wächst dann von 2.000 Einwohner auf 80.000 an. Der Kontrast zwischen dem idyllischen Landleben und den langhaarigen, schwarz gekleideten Metal-Fans aus aller Welt ist längst Stoff für Filme und Legenden. Die Mehrheit der Dörfler hat sich nach 30 Jahren an die alljährliche Invasion gewöhnt - und verdient fleißig mit. So gibt es kaum einen Vorgarten an der Hauptstraße, in dem nicht ein Bierausschank steht.

Während des Metal-Festivals in Wacken wird bei Martin Bohmann im Garten ständig gegrillt und reichlich Bier getrunken. Foto: Jan Iven
Wie laut können die Besucher „Wacken“ brüllen?
Doch bei Martin Bohmann gibt es das Bier umsonst - wenn man laut genug brüllt. Gerade 124,4 Dezibel schafft ein Besucher - es reicht für ein Trost-Bier zur Belohnung. Bohmann notiert das Ergebnis fein säuberlich auf einer Tafel vor seinem Haus. Alles unter 126 Dezibel findet er ziemlich mickrig. Wobei 120 Dezibel etwa so laut wie eine Kettensäge sind.
Mit seinem Haus an der Hauptstraße von Wacken hat sich der Niedersachse einen Traum erfüllt. „Wir kommen seit Jahren immer im Wohnwagen zum Wacken-Festival. Deswegen hatten wir die Schnapsidee, mal im Internet nach einem Haus im Ort zu schauen“, erzählt Martin Bohmann. Tatsächlich wurde er fündig.
„Die Leute kommen friedlich zu guter Musik zusammen“
Andere haben ein Ferienhaus an der Ostsee oder in Schweden. Bohmann wurde klar, dass die schönste Zeit des Jahres für ihn das Wacken-Festival ist. „Die Leute kommen friedlich zu guter Musik zusammen. Es ist egal, wer du bist oder was du machst. Das muss man einfach mal erleben, um es zu verstehen“, sagt er. Wobei das mit dem Verstehen nicht immer ganz einfach ist. Denn die Musik ist ziemlich laut und auch im Garten von Martin Bohmann ziemlich weit aufgedreht. „Hey, ho, let‘s go“, tönen die Ramones aus den Lautsprechern.
„Wir verprassen das Erbe unserer Kinder“
Martin Bohmann musste an einen Spruch denken, den manche Rentner auf ihr Luxus-Wohnmobil kleben: „Wir verprassen das Erbe unserer Kinder.“ Doch er dachte sich: „Das kann ich besser.“ Also sollte gleich ein ganzes Haus in Wacken her, das er - wohlgemerkt - eigentlich auch nur in der einen Woche des Festivals nutzt. Ansonsten kommt er ein halbes Dutzend Mal im Jahr vorbei, um nach dem Rechten zu sehen und den Rasen zu mähen.

Die Ortsschilder des Kult-Dorfes Wacken sind während des Metal-Festivals sehr begehrt. Viele Schilder werden deshalb vorsichtshalber abgeschraubt. Foto: Jan Iven
Doch in dieser einen Woche während des Festivals lässt er es richtig krachen. Neben seiner Frau und seinen beiden Kindern kommen auch bis zu 40 Freunde mit, die im großen Garten ihre Wohnwagen und Zelte aufstellen. Das Haus bewohnt er dann mit seiner Familie. Nicht zuletzt dient es als Lager, in dem sich das Bier palettenweise stapelt. Im Garten wird eine Woche lang durchgefeiert und gegrillt - wenn die Gäste nicht gerade auf den Konzerten auf dem Festival-Gelände sind.
Preis des Hauses sicher über dem üblichen Marktpreis
Ganz billig war das Häuschen nicht, räumt Bohmann ein. Sicher über dem üblichen Marktpreis. Doch das liege wohl an der Lage in Wacken. Über die Vorbesitzer wisse er nichts. Das Haus war offenbar als Gästehaus für Besucher des Festivals eingerichtet worden. Die Immobilie in Wacken wollte er sich einfach gönnen. „Man lebt nur einmal“, sagt er und lacht. „Yolo“ oder „You only live once“, wie die Kids heute sagen würden. Früher habe er jeden Euro zwei oder drei Mal umdrehen müssen, um sein Einfamilienhaus in Osnabrück abzuzahlen. Er kenne auch harte Zeiten, wie er betont. Mittlerweile hat Bohmann aber einen erfolgreichen fleischverabeitenden Betrieb.
Sohn Leon schon als Elfjähriger Metal-Fan
Seine Familie teilt seine Liebe zum Heavy-Metal. Tatsächlich war es sogar sein Sohn Leon, der bereits als Elfjähriger einen Film über Wacken gesehen hatte und unbedingt zu dem Festival wollte. Die metal-begeisterten Eltern tat ihm den Gefallen gern - seitdem ist die Familie Dauergast. Mittlerweile ist der Sohn 26 Jahre alt und tritt schon mal mit seiner Band Sick Desire in Wacken auf - wenn auch nicht auf der großen Bühne, sondern im Garten der Familie.
In diesem Jahr freut sich Bohmann unter anderem auf die Scorpions und In Extremo. Sein bisher bestes Konzert? „Schwer zu sagen. Vermutlich die Böhsen Onkelz. Die Fans sind eine eingeschworene Gemeinschaft, da singt das gesamte Publikum mit“, erzählt er.
Heavy-Metal-Open-Air
Nix mit Schlamm: Hochsommer im Mekka der Metalheads
Die Asche einer Rock-Legende wird in Wacken aufbewahrt
Von AC/DC bis Manowar hat er schon so ziemlich alle Bands erlebt. Nur eines bereut er: „Ich habe nie Lemmy Kilmister mit Motörhead gesehen. Lemmy war einfach Kult“, sagt Martin über den 2015 an Krebs verstorbenen britischen Sänger, dessen Asche zum Teil auch im Wackener Landgasthof in einer Vitrine aufbewahrt wird.
Zuletzt war Motörhead 2014 in Wacken. Gerade in dem Jahr hatte Martin Bohmann aber keine Zeit. „Lemmy hat den Hard-Rock mit jeder Faser seines Körpers gelebt“, so der Osnabrücker, der selbst kein Wacken-Festival mehr verpassen möchte, egal, wie alt er wird. „Wenn ich nicht mehr in Wacken bin, bin ich wahrscheinlich tot“, sagt Martin Bohmann und lacht. (lit)