TDer Seerosen-Zünsler und seine spannende Metamorphose
Die Weiße Seerose bietet Nahrung für viele Insekten. Foto: Reinhard Paulin
Wunderschön leuchten die Seerosen auf den Teichen. Sie bieten Nahrung für viele Insekten. Besonders spannend ist der Seerosen-Zünsler mit der Seerose verwoben.
Landkreis. Eine Weiße Seerose ist perfekt an das Leben im Wasser angepasst: Auf der Wasseroberfläche schwimmen Blatt und Blüte mit Hilfe von Luftpolstern und langer Luftkanäle. Dieses weitmaschige System versorgt auch den Wurzelstock tief unten im Teichgrund mit Atemluft. Blätter und Blattstiele sind so elastisch, dass sie je nach Wasserstand und Wellenschlag der Wasseroberfläche angepasst sind.
Die Seerose hat für viele Tiere den Tisch reichlich gedeckt: Ihre Blüte liefert große Mengen an Blütenstaub und Nektar. Da bedienen sich Hummeln gern. Es wird so viel Pollen produziert, dass einige pollenfressende Käfer tagelang in der Blüte sitzen bleiben. Nachts und bei Regenwetter lassen sie sich gern in die sich schließende Herberge einsperren.
Gegen 19 Uhr wird das Haus geschlossen, etwa morgens um sieben Uhr wieder geöffnet. Die mächtigen, fleischigen Blätter bieten vielen Insekten Nahrung und sind Landeplatz für Libellen. Es ist immerzu etwas los in diesem Selbstbedienungsladen.
Der Seerosen-Zünsler kann durch die Haut atmen
Die blattfressenden Schmetterlinge sind besonders interessant. Es sind kleine braun-weiß gebänderte Schmetterlinge, die zur großen Gruppe der Zünsler gehören. Der Seerosen-Zünsler ist der größte Zünsler unter dieser Faltergruppe. Er macht eine abwechslungsreiche Entwicklung durch. Nachdem das Weibchen die Eier an einem Seerosenblatt abgelegt hat, schlüpfen aus ihnen kleine Raupen. Sie fressen am Seerosenblatt. Das Wasserleben ist möglich, weil sie durch die Haut atmen können.
Mit gesponnenen Fäden verankern sich die Raupen fest am Blatt. Wenn sie größer sind, bauen sie sich im Wasser einen festen Köcher aus miteinander versponnenen Blattstückchen und Schwebeteilchen. In diesem tarnenden Köcher umgeben sich die Raupen mit einer Lufthülle, der sie den nötigen Sauerstoff entnehmen. Den bekommen sie auch aus dem Luftkanalsystem der Seerose. Bald verpuppen sich die Raupen.
Die komplizierte Metamorphose des Schmetterlings
Doch wie schützt sich die ruhende Puppe vor Wasser und Fressfeinden, wie bekommt sie zum Leben genügend Sauerstoff? Zunächst frisst die Raupe etwas Wachs vom Seerosenblatt. Dann bildet sie eine Wachshülle, die sie vor Wasser schützt. Anschließend kriecht die Raupe am Seerosenstiel abwärts und beißt hier ein winziges Loch hinein. Sie spinnt sich fest und bildet eine Puppenhülle. Die aus dem Loch entweichende Luft reicht ihr zur Gasversorgung. Im geschützten Luftköcher beginnt nun die Puppenruhe.
Dann wird es spannend: Nun muss der schlüpfende Schmetterling an die Wasseroberfläche gelangen. Dieser Vorgang ist kritisch und anstrengend: Die Puppenhülle platzt, der Schmetterling beißt ein Loch durch den Köcher und lässt sich mit dessen Luftblase auf die Wasseroberfläche treiben. Der kleine Falter ist federleicht, in seinen Härchen und Schuppen bilden sich sofort Luftpolster. Die Bewegungen von Wind und Wasser bringen ihn zum nächsten Blatt oder ans Ufer. Hier entfaltet er seine Flügel - das Falterleben kann beginnen.
Das Leben am Seerosenblatt und unter Wasser führt dazu, dass Seerosenzünsler so gut wie keine Feinde haben. Doch eine Schlupfwespe kann Erstaunliches leisten und ist für die Zünsler brandgefährlich: Sie kann eine Raupe im Wasser aufspüren und dann unter die Wasseroberfläche kriechen. Sie durchsticht den Köcher und legt mit dem Legestachel ihre Eier in die Raupe.
Buch und Serie
Was kreucht und fleucht denn da in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge. Die erfolgreiche TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt.
Jetzt ist der zweite Band von Wolfgang Kurtze im Buchhandel erhältlich. Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes. Erhältlich ist das reich illustrierte und in Jahreszeiten gegliederte Werk im Buchhandel für 19,90 Euro.