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Offenes Denkmal

TDie geheimnisvollen Freimaurer öffnen die Türen ihres Tempels in Stade

Symbole spielen bei den Freimaurern eine wichtige Rolle. Das Bild zeigt das Auge der Vorsehung, das den Altar im Tempel der Loge in Stade schmückt.

Symbole spielen bei den Freimaurern eine wichtige Rolle. Das Bild zeigt das Auge der Vorsehung, das den Altar im Tempel der Loge in Stade schmückt. Foto: Richter

Um die Freimaurer ranken sich viele Verschwörungstheorien. Blut und Totenschädel spielen bei ihnen keine Rolle, versichert Pastor Dr. Matthias Schlicht, Meister vom Stuhl der Loge in Stade. Worum geht es dann?

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Von Anping Richter
Mittwoch, 04.09.2024, 04:55 Uhr

Stade. Verschwiegen sind sie schon, die Männer von der Stader Loge. „Was hier gesprochen wird, bleibt auch hier“, erklärt Matthias Schlicht. Der Pastor, der viele Jahre in St. Paulus in Buxtehude gewirkt hat und als Kirchenkabarettist und Autor bekannt wurde, ist jetzt amtierender Meister vom Stuhl. So nennen die Freimaurer ihren Vereinsvorsitzenden.

Das Auge Gottes ist kein Illuminati-Zeichen

Einen eindrucksvollen Stuhl hat er tatsächlich. Es steht im großen Saal des Logenhauses hinter einem Altar, auf dem das „Auge Gottes“ zu sehen ist - ein bekanntes Symbol, das viele von der Ein-Dollar-Note kennen dürften. Der Bestseller-Autor Dan Brown benutzte es später in seinem Roman „Illuminati“ als Erkennungszeichen eines geheimen Illuminatenordens, der die katholische Kirche zerstören will. Tatsächlich ist das Symbol des Auges in einem Dreieck aber in vielen alten Kirchen zu finden und symbolisiert den allsehenden, dreifaltigen Gott.

Im Logenhaus gibt es auch eine Bar, an der hier Pastor Dr. Matthias Schlicht, der Meister vom Stuhl und sein Vorgänger, Altstuhlmeister Gerd Carlson (rechts), stehen.

Im Logenhaus gibt es auch eine Bar, an der hier Pastor Dr. Matthias Schlicht, der Meister vom Stuhl und sein Vorgänger, Altstuhlmeister Gerd Carlson (rechts), stehen. Foto: Richter

Viele der Symbole, die die Freimaurer nutzen, gehen auf die Zeit der Gründung ihres Bundes zurück. 1717 in England gegründet, stellte die Freimaurerei die Ziele der frühen Aufklärung in den Mittelpunkt ihrer Weltanschauung und nahm Bezug auf die mittelalterlichen Zünfte der Steinmetze und Baumeister, weshalb Zirkel und Winkel zu ihrem Zeichen wurden. Die Werte der französischen Revolution nahmen die Freimaurer vorweg: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. „In den Logen konnten sie darüber frei reden“, erklärt Matthias Schlicht.

Katholiken dürfen bis heute keine Freimaurer sein

In der Außenwelt waren solche Reden oft riskant. Zwar gab es prominente und mächtige Freimaurer wie Mozart, Lessing, Goethe oder Friedrich den Großen. Doch Papst Klemens verdammte die Freimaurerei 1783 in einer Bulle, und erst im November 2023 bestätigte der Vatikan erneut, dass Katholiken keiner Freimaurerloge angehören dürfen. Hitler bezichtigte Freimaurer wie Juden der Weltverschwörung und veranlasste die Auflösung der Logen 1934.

In der DDR blieben die Freimaurer verboten. Die Stader Freimaurer aber konnten 1945 mit Genehmigung der britischen Militärregierung ihre Loge „Friederike zur Unsterblichkeit“ wieder aufleben lassen, die damals noch im Hotel Birnbaum, der heutigen Birnbaum-Passage, ihr Domizil hatte.

Ein Gemälde an der Wand zeigt die Namensgeberin der Stader Freimaurer-Loge: Königin Friederike von Hannover (1778 – 1841).

Ein Gemälde an der Wand zeigt die Namensgeberin der Stader Freimaurer-Loge: Königin Friederike von Hannover (1778 – 1841). Foto: Richter

Die Verschwiegenheit, die Freimaurer bis heute pflegen, hat also geschichtliche Wurzeln. Doch vor allem geht es darum, einen geschützten Raum zu bieten, in dem über alles gesprochen werden kann, erklärt Matthias Schlicht. Ein Geheimbund seien sie aber nicht, sondern ein Verein, der interessierten Christen, Muslimen, Juden und auch Agnostikern offen stehe (Agnostiker halten die Existenz Gottes für möglich, aber nicht für beweisbar). In der Stader Loge, die nach einer Frau heißt, werden allerdings nur Männer aufgenommen. Reine Frauenlogen gibt es aber auch: Die am nächsten gelegene ist in Hamburg zu finden.

Das Geheimnis der Freimaurer in einem Satz

Das Geheimnis der Freimaurer lässt sich laut Schlicht in einem Satz erklären: „Erkenne Dich selbst.“ Das ist der erste Grundsatz, den jeder am Tag seiner Aufnahme höre, ergänzt sein Vorgänger Gerd Carlson. Die anderen beiden lauten: „Schau um Dich“ und „Schau über dich“. Mehr soll über das Aufnahmeritual aber nicht verraten werden. Mit Blut und Totenschädeln habe es aber nichts zu tun, versichert Matthias Schlicht.

Das Ritual der Aufnahme soll geheim bleiben, damit der, der es erlebt, seine Bedeutung voll wahrnehmen kann. „Das ist wie ein Spiel - wenn ich vorher erzähle, was passiert, ist es kaputt“, erklärt Schlicht. Das funktioniert, bekräftigt Altstuhlmeister Gerd Carlson: „An den Tag meiner Aufnahme kann ich mich bis heute noch haargenau erinnern.“

Und was ist mit den berüchtigten Seilschaften? Schlicht winkt ab. Schon seine Großmutter habe ihm zugeraunt, Freimaurer würden sich gegenseitig helfen - aber nur dreimal... Unsinn, sagt der Meister vom Stuhl: „Wir nennen uns Brüder und helfen uns untereinander, aber als Werk der Nächstenliebe.“ Die Freimaurer haben auch dafür ein Symbol: die händereichende Kette.

Die Hauptattraktion der Freimaurer

Rituale und Symbole sind aber nicht die Hauptattraktion der Freimaurer, sondern Gespräche: Jeden Freitag um 20 Uhr treffen sie sich im Logenhaus, um über Themen zu sprechen, deren Bedeutung über die Tagesaktualität hinausgeht. Über das Glück, den Philosophen Kant oder über Sterbehilfe, um nur einige Themen der letzten Zeit zu nennen. Die Vorschläge werden gesammelt, ein Rat sortiert sie und überlegt, wer dazu Vorträge halten könnte. Manchmal werden auch externe Redner gefragt.

Das Logenhaus der Freimaurer an der Freiburger Straße 1.

Das Logenhaus der Freimaurer an der Freiburger Straße 1. Foto: Richter

So hat auch Matthias Schicht zu den Freimaurern gefunden: Er wurde eingeladen, über das Lutherjahr zu sprechen - und sah sich beglückt von dem Austausch, den er danach mit den Freimaurern erlebte. Wer sich für die Freimaurer interessiert, hat bald Gelegenheit, einige zu treffen: Am Tag des offenen Denkmals, am Sonntag, 8. September, öffnen sie von 10 bis 17 Uhr die Türen ihres Logenhauses, einer Jugendstilvilla von 1910 an der Freiburger Straße 1 in Stade und geben Einblick in Geschichte und Gegenwart der Freimaurerei in Stade.

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