TDiese Hühner erleben nach Legebatterie erstmals Freiheit im Garten

Belina, Gertrude und Helga genießen in Visselhövede erstmals Auslauf im Garten. Nach ihrer Rettung aus der Käfighaltung erholen sich die Hennen bei Kristina Harder sichtbar. Foto: Barth/Kreiszeitung
Kristina Harder aus Visselhövede hat in ihrem Garten neue Mitbewohnerinnen: die Hennen Belina, Gertrude und Helga. Diese drei Hühner, die einst ein trostloses Leben in Legebatterien gefristet haben, genießen nun die Freiheit.
Visselhövede. Sie gackern, picken und scharren, flitzen über die Wiese und kommen neugierig angerannt, wenn Harder ihnen Futter bringt. „Anfangs humpelten sie und waren extrem vorsichtig“, erinnert sich Harder. „Sie kannten nichts: Kein Sonnenlicht, keinen Grashalm.“
In den vergangenen Jahren ist das Bewusstsein für die oft katastrophalen Lebensbedingungen von Hühnern in der Landwirtschaft gewachsen, aber das reicht offenbar nicht aus. Legehennen werden in sogenannten Kleingruppen gehalten, das sind 40 bis 60 Tiere pro Käfig. „Ich schätze, ein Huhn hat für sich Platz in der Größe eines anderthalb großen A4-Blattes“, empört sich Harder. Die Hennen können sich nicht normal entwickeln und verhalten. Diese Form der Haltung soll zwar ab 2026 verboten werden, wird aber bis dahin noch praktiziert.
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Legehennen: Kurzes Leben und hohe Leistung
Die Hennen müssen 300 bis 320 Eier pro Jahr legen, wobei ihre Lebenserwartung bei nur 1,5 Jahren liegt – normal wären vier bis fünf Jahre. Nach dieser Zeit werden sie getötet, da ihre Leistung nachlässt. Die Tiere haben einen extremen Kalziumbedarf und eine kleine Körpergröße. Zwischen 85 und 97 Prozent erleiden im Laufe ihrer „Legekarriere“ einen Brustbeinbruch und viele andere Erkrankungen. So waren auch Harders Hennen am Hintern, am Hals und am Kopf ohne Gefieder, der Kamm war blassrosa und schlapp.

Der neue Stall bei Kristina Harders ist für die geretteten Legehennen ein Paradies. Foto: Barth/Kreiszeitung
Nach einigen Wochen sehen Belina, Getrude und Helga aber schon wieder recht schmuck aus. „Man kann regelrecht dabei zusehen, wie sich ihr Federkleid verändert“, so Harder, die sich sichtlich über die Fortschritte freut. Die „Hühnchen“, wie sie sie nennt, sind auch handzahm und genießen die Streicheleinheiten ihrer neuen Besitzerin.
Rettungsaktionen für Hühner gewinnen an Fahrt
Initiativen zur Rettung dieser Tiere gewinnen an Fahrt. Und Aktionen zur Rettung der Hühner aus den engen Käfigen beziehungsweise vor ihrer Tötung sollen dazu beitragen, wenigstens das Leben einiger Tiere zu verbessern. Die geretteten Hühner, die häufig nie zuvor das Tageslicht gesehen haben, benötigen nach ihrer Befreiung dringend ein geeignetes Umfeld zur Erholung.
Bevor Harder ihre Hennen adoptierte, hatte sie sich akribisch vorbereitet. „Ich habe viel recherchiert“, sagt sie. Gemeinsam mit ihrem Mann baute sie eine Voliere mit Schlafstall und ausreichend Platz, deutlich mehr als die empfohlenen fünf Quadratmeter pro Huhn. „Wichtig sind auch genügend Schattenplätze und Tränken“, weiß die Hühnerretterin, die rund 80 Prozent Biofutter-Pellets und 20 Prozent Frischfutter an ihre neuen Haustiere verfüttert. „Muschelgritt ist auch wichtig, weil die Hennen nach wie vor einen hohen Kalziumbedarf haben.“ Und jeder, der solche Legehennen aufnähme, müsse sich darüber im Klaren sein, dass auch Tierarztkosten anfallen können.
Engagement der „Guthuhn-Rettung“ im Landkreis Verden
Hinter der Rettungsaktion, die Kristina Harders Hühnern ein neues Leben ermöglicht hat, stehen zwei engagierte Frauen: Ina Warneke und Corinna Nolte-Seekamp von „Guthuhn-Rettung“ aus dem Landkreis Verden. Sie haben einen Deal mit mehreren Hühnerställen in der Region, in denen bis zu 6 000 Hennen gehalten werden, dass sie Hühner, die in die Tötung sollen, retten dürfen. Bei der letzten Aktion, bei der Harder ihre Hennen übernahm, waren es 70 von 800 Hennen, die eine Chance, also ein neues Zuhause erhielten. „Das mag nicht viel sein“, sagt Harder, „aber besser als gar nichts.“

Belina, Helga und Getrude folgen Kristina Harder wie kleine Hunde. Foto: Barth/Kreiszeitung
Warneke und Nolte-Seekamp retten seit Jahren ausgemergelte Hennen aus Großställen und geben ihnen eine neue Chance auf ein artgerechtes Leben. Dabei legen sie strenge Anforderungen an die neuen Besitzer: Die Tiere dürfen nicht geschlachtet werden und benötigen ausreichend Auslauf. Außerdem sollen mindestens zwei Tiere aufgenommen werden.
Jeder kann helfen: Eine Welt für jedes gerettete Huhn
Warneke und Nolte-Seekamp leben ihre Mission auch selbst vor, indem sie gerettete Tiere bei sich aufnehmen. „Wir können die Welt nicht ändern, doch wir können für jedes gerettete Huhn die Welt ändern“, sind sich die Freundinnen einig. Ihre Arbeit zeigt, dass jeder Einzelne einen Unterschied machen kann. Interessierte, die Hühnern ein neues Zuhause bieten möchten, können sich bei den Tierschützerinnen melden. Denn, so betont Warneke: „Man kann den Tieren mit wenig Aufwand viel schenken.“
Die nächste Rettung steht Ende August an, ein genaues Datum kann nicht genannt werden, weil der Termin immer erst sehr kurzfristig bekanntgegeben werde. Tatsächlich werden noch Adoptanten gesucht, die den Hennen „Lebensplätze“ zur Verfügung stellen. Wer adoptieren möchte, melde sich unter der Telefonnummer 0173/2900648 oder per Mail: lebenshuhn@gmail.com. (zz)