TDiese Schneckenhaus-Wohnwagen aus dem Nachbarkreis sind kleine Raumwunder

Schneckenhäuser aus Ostertimke: Harald Prien baut in seiner Tischlerei auch besondere Wohnwagen und Wohnmobile. Foto: ZZ/ Harscher
Sie sind rund oder eckig, in jedem Fall sind sie klein. Winzig, könnte man sagen. In Ostertimke entstehen Wohnwagen in Miniformat. Gebaut werden sie in der Tischlerei von Harald Prien. Schneckenhäuser auf Rädern, die Fans in ganz Deutschland haben.
Ostertimke. Angefangen hat es damals mit diesem Bausatz, den sich ein Bekannter vor mehr als 20 Jahren gekauft hatte. Besser gesagt: „Mit diesem skandalös teuren Bausatz“, erzählt Ulrike Mende-Prien. 3.000 Euro für einen Mini-Wohnwagen, den man sich dann auch noch selbst zusammenbauen musste. Für die Osterimkerin und ihren Mann Harald Prien war damals klar: „Das kriegen wir fürs selbe Geld besser hin.“

Harald Prien und Ulrike Mende-Prien aus Ostertimke stellen seit fast 20 Jahren winzige Wohnwagen her. Foto: ZZ/ Harscher
Das war der Plan und wenig später der Beginn ihrer eigenen Mini-Wohnwagen-Geschichte. Seit 2006 entstehen in der Tischlerei von Harald Prien winzige Wohnwagen, die von ebenso winzigen Fahrzeugen gezogen werden können. Die Ostertimker hängen ihr Schneckenhaus gern hinter einen Fiat 500, Baujahr 1967.
Das Konzept ist einfach: Schlafen und Sitzen
Schneckenhaus nennen die Ostertimker ihre Wohnwagen. Das Konzept ist einfach: schlafen und sitzen. Wenn man einen Teil der Liegefläche senkrecht hochklappt, hat man Platz für Tisch und Bänke. „Für einen kurzen Regenguss kann man sich mal zu viert reinquetschen, dann muss man sich aber schön mögen“, sagt Ulrike Mende-Prien.

Platz ist auf kleinstem Raum: Wird die Liegefläche hochgeklappt, können zwei bis vier Personen auf den Bänken im Schneckenhaus Platz nehmen. Foto: ZZ/ Harscher
Der Name für die winzigen Zweiraumwohnwagen entstand während einer Hunderunde, erinnert sich die Ostertimkerin: „Wie sollen sie denn heißen? Wie wär‘s mit Schneckenhaus? Warum nicht? Und das war es dann auch schon“, ganz unkompliziert und ruckzuck, erzählt sie Ostertimkerin und lacht.

Einfach Matratze rauf und fertig ist ein Bett für zwei Erwachsene im Schneckenhaus. Foto: ZZ/ Harscher
Seitdem haben schon einige dieser Schneckenhäuser auf Rädern die Tischlerei in Ostertimke verlassen. Pro Jahr baut Harald Prien drei bis vier. Für jeden einzelnen Wagen braucht er etwa 14 Tage. Ulrike Mende-Prien ist für die Lackarbeiten zuständig und schafft es so, dass in manchen Wagen die Sonne auch bei Regen scheint.
Kleine Raumwunder mit Gute-Laune-Faktor
So wie bei dem Schneckenhaus-Wohnwagen, der gerade bei ihnen am Hof und zum Verkauf steht. Wenn Harald Prien die Tür öffnet, dann blickt man in dieses kleine, große Raumwunder, das innen leuchtend gelb und knallrot ist. Sofort macht sich im Körper dieses Gute-Laune-Sonnenschein-Gefühl breit – und man kann nicht anders, als zu lächeln.

Harald Prien an einem der farbenfrohen Mini-Wohnwagen. Foto: ZZ/ Harscher
Die Schneckenhaus-Wohnwagen haben inzwischen Fans in ganz Deutschland, auffallend viele Käufer kommen aus Süddeutschland. Die Leute nehmen lange Wege in Kauf, erzählen die Ostertimker.
Jeder Wagen ist eine Einzelanfertigung, alles ist Handarbeit und jedes Schneckenhaus in gewissem Rahmen ein Unikat. Und in diesem Rahmen versuchen sie, für die Käufer vieles möglich zu machen.
Leichtgewichte für kleine Fahrzeuge
Der limitierende Faktor für die Kundenwünsche ist allerdings die Größe. Die Mini-Wohnwagen sind im Innenraum etwas mehr als 1,20 Meter breit und zwischen 2 und 2,5 Meter lang. Schlafen können in ihnen also sogar 2-Meter-Menschen. Auf die Waage bringen sie zwischen 200 und 250 Kilogramm. Der Vorteil dieser Leichtgewichte: auch Autos mit nur wenigen Pferdestärken oder Motorradgespanne können sie ziehen. In der Grundausstattung kosten die Mini-Wohnwagen 6.900 Euro.
Doch die Schneckenhäuser sind längst nicht alles, was Harald Prien macht und fertigt. „Manche wundern sich, dass wir hier auch eine ganz normale Tischlerei sind“, sagt Ulrike Mende-Prien. Wobei: die Ostertimker haben schon eine Vorliebe und ein Händchen für individuelle Arbeiten. Gerade baut der Bau- und Möbeltischler Möbel für eine Mühle. Da muss alles rund sein, sagt er.
Tischler arbeitet auch für Film und Fernsehen
Viele Monate im Jahr arbeitet der Ostertimker auch an Filmsets im In- und Ausland und baut für TV-Produktionen und -Formate. Auch kein Job von der Stange. So hat er schon für eine beliebte Krimiserie eine Gefängniszelle in einen Keller gebaut oder Treppen und Türen hingesetzt, wo in Wirklichkeit keine sind, die Filmleute aber welche haben möchten. Prien hat auch schon ganze Zimmer in bestehende Räume gebaut, wenn es erforderlich war.
Im kommenden Jahr geht’s für ihn wieder nach Griechenland, wo er für den Bühnenbau für eine Reality-Serie zuständig ist. Was und wo und wer? Das bleibt Priens Geheimnis. Die Produktionsfirmen fordern Diskretion, erklärt er.
Ein Wohnwagen für Minimalisten
Ebenso individuell wie Schneckenhaus-Erbauer Prien sind auch seine Kunden. Wo andere auf Größe setzen, bevorzugen sie es klein. „Man muss den Kleinen schon mögen“, sagt Ulrike Mende-Prien. Und das heiße eben auch, dass man Gefallen haben muss am Minimalistischen.

Größenvergleich: Tischler Harald Prien neben einem seiner Wohnwagen. Foto: ZZ/ Harscher
Ein Bett, Bank und Tisch, das ist die Grundausstattung. Auf Wunsch bauen die Priens noch Extras ein. Das kann ein Waschbecken sein oder Innenbeleuchtung. Es muss umsetzbar sein, sagt Ulrike Mende-Prien. Ein Klo mit vier Wänden geht natürlich nicht, ebenso wenig wie eine Innendusche.
Die Außenhülle der Wagen besteht aus wasserfesten Multiplexplatten mit einer Propylenbeschichtung. Diese kann auch farbig gewählt werden. Möglich sind blau-grau, rot-gelb, grün-weiß und schwarz-weiß.
Nischenprodukt aus Ostertimke hat inzwischen viele Fans
Ihre Schneckenhaus-Wohnwagen sind ein Nischenprodukt, erzählen die Ostertimker. Ihre Kunden sind oft Leute, die nicht mehr im Zelt schlafen wollen, aber trotzdem so einfach wie möglich campen wollen. Da ist zum Beispiel diese Rentnergang mit ihren Mopeds, erzählt Harald Prien.
Die tragen noch immer diese Sehnsucht nach Freiheit im Herzen, merken aber, dass Zelt und Luftmatratze sich nicht mehr gut anfühlen. Die fahren mit Mopeds und Schneckenhaus zu ihren Treffen und sind da sehr glücklich mit, erzählt er.

Das Schneckenhaus-Gepann: vorn ein Mini-Mobil und hinten ein Mini-Wohnwagen. Foto: privat
Dann sind da aber auch jene Kunden, die mit ihrem Schneckenhaus wochenlang in Schweden unterwegs waren. Oder dieser Mann, der eine Tour an den Gardasee plant. Die allerdings nicht mit Mini-Wohnwagen, sondern mit Mini-Wohnmobil, denn die baut Harald Prien auch: Dazu hat er für die Ape von Piaggio eine Wohnwagen-Aufbau-Kabine gebaut. Die Ostertimker haben auch selbst so ein Schneckenhaus-Mobil. Nutzen es aber eher für kürzere Touren, denn das Mini-Mobil fährt nur 65 km/h.
Sie hatten aber auch schon Kunden, die ihren Wohnwagen nach einigen Wochen wieder verkauft haben. Denen war ihr Schneckenhaus dann doch zu klein.
Gegenentwurf zum Immer-größer-Trend
Mit dem vorhandenen Platz clever arbeiten, das gefällt Harald Prien. Dazu blättert er gern in alten Camping-Büchern und lässt sich auch von Wagen aus den 1930er Jahren inspirieren. Dabei hat er auch die Idee aufgeschnappt, den Boden an einer Stelle für einige Zentimeter abzusenken - und zack - hat man mehr Beinfreiheit.

Kleines Raumwunder: Die Piaggio Ape mit Kabinenaufbau als Mini-Wohnmobil. Foto: privat
Die alten Wohnwagen waren richtige Raumwunder, sagt Ulrike Mende-Prien und die Erbauer waren sehr einfallsreich. Aber die Ostertimkerin merkt auch, dass sich die Idee von Camping in den vergangenen Jahren verändert hat. „Heute muss man auf dem Campingplatz autark sein“, beschreibt sie ihre Wahrnehmung. Heißt, viele Wagen sind heute rollende Haushalte.
Die rollenden Schneckenhäuser aus Ostertimke sind so gesehen ein Gegenentwurf zu diesem „Immer-größer-Trend“. (ZZ)