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Cold Case

TDiese Taten bleiben voller Rätsel: „Kopfschussmorde“ werden neu untersucht

Ein Bild von Mordopfer Bärbel Barnkow ist zu sehen.

Bärbel Barnkow war eine lebenslustige Frau - und es gibt kein Motiv, warum sie ermordet wurde. Foto: Heske

Zwei Frauen, zwei Tatorte, ein Mörder: Die beiden „Kopfschuss-Morde“ gehören zu den spektakulärsten Kriminalfällen in Deutschland. Die Polizei in Bremerhaven studiert jetzt erneut die Ermittlungsakten - es soll neue Ansätze für Ermittlungen geben.

Von Thorsten Brockmann Samstag, 13.04.2024, 19:30 Uhr

Bremerhaven. Bärbel Barnkow (45) und Ingrid Remmers (42) werden im September 1991 erschossen, jede mit einem einzigen gezielten Schuss in den Kopf - mit derselben Waffe, innerhalb weniger Stunden, in ihren Autos. Beide Frauen sind sich in ihrem Leben kein einziges Mal begegnet, die eine lebt in Bremen, die andere in Bremerhaven. Es gibt keine Verbindung zwischen den beiden, das macht die Arbeit für die Kriminalpolizei umso schwerer.

Erst soll ein notorischer Autodieb sie auf dem Gewissen haben. Zehn Jahre später soll ein libanesischer Terrorist für die Schüsse verantwortlich gewesen sein. 25 Jahre nach den Morden stellt die Staatsanwaltschaft auch Untersuchungen gegen den Ehemann von Ingrid Remmers in Bremen ein, der Bärbel Barnkow in Bremerhaven nur deshalb in den Kopf geschossen haben soll, um von der Ermordung seiner Frau vier Stunden später abzulenken. Beweise gibt es für keinen dieser Ermittlungsansätze.

Die Ermittlungsakten werden immer wieder geöffnet

Fünf Jahre nach der Ermordung beider Frauen werden die Ermittlungen 1996 offiziell eingestellt, aber drei Jahre später nimmt sich ein Kommissar in Bremerhaven der Akten an und bearbeitet den Fall über Jahre immer wieder.

Auch Profiler Axel Petermann analysiert beide Taten - mit dem „Schönheitsfehler“, dass er selbst einst die Ermittlungen in Bremen geführt hat. 2012, 2016, 2018 und zuletzt 2021 versuchen Polizisten in beiden Städten herauszufinden, was in jener spätsommerlichen Nacht passiert ist. Dass jetzt zwei Beamte der Ortspolizeibehörde die Akten erneut öffnen, könnte daran liegen, dass die Kinder von Bärbel Barnkow sich nicht damit abfinden können, dass der Tod ihrer Mutter nicht aufgeklärt ist.

Angehörige haben ein Recht darauf, dass ermittelt wird. Dazu hat sogar das Bundesverfassungsgericht ein Urteil gesprochen, auf das sich Barnkows Kinder berufen. Sie suchen den Kontakt zu den Polizeien, gehen an die Öffentlichkeit, haben Anwälte beauftragt, die Akten einzusehen. Sie werfen den Ermittlern mittlerweile „Schlamperei“ bei ihrer Arbeit vor. Die vielleicht bedeutendsten Spuren, die der Täter hinterlassen hat, sind seit mehr als 20 Jahren verschwunden: zwei Damen-Winterjacken.

Die Angehörigen treibt eine Befürchtung um

Auf Nachfragen könnte die Bremer Staatsanwaltschaft, die Herrin des Verfahrens ist, Antworten geben. Aber die Behörde lehnt das wegen der erneut wiederaufgenommenen Arbeit ab, spricht jedoch von „neuen Ansätzen“ und Spuren, die bisher nicht zu Ende verfolgt worden seien.

Es hat mehr als ein Jahr gedauert, bis der Anwalt von Bärbel Barnkows Kindern einen USB-Stick erhalten hat mit Daten der einst 16 Aktenordner umfassenden Arbeitsergebnisse der Kriminalpolizeien aus Bremen und Bremerhaven. Die Angehörigen treibt vor allem die Befürchtung an, die Polizei könnte nicht alle Spuren erkannt und 33 Jahre lang nicht „nach dem Richtigen“ gesucht haben.

Bärbel Barnkow kann keinen Hinweis mehr geben

Es gibt zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit beiden Taten, auf die sich bis heute niemand einen Reim machen kann: Bärbel Barnkow will noch Verwandte besuchen nach ihrer Spätschicht im Krankenhaus am Bürgerpark.

Ihr Auto steht direkt am Krankenhaus auf dem Besucher-Parkplatz. Vielleicht sitzt ihr Mörder schon im Wagen, vielleicht lauert er ihr im Gebüsch auf, als sie nach 21 Uhr losfahren will. Er hält ihr eine Pistole an die rechte Wange, bevor er abdrückt.

Als die Krankenschwester mehr als anderthalb Stunden später in ihrem grünen VW Passat gefunden wird, sitzt sie auf dem Beifahrersitz, die Scheibe der Fahrertür ist heruntergekurbelt, das Ausstellfenster aber eingeschlagen. Und der Zündschlüssel steckt.

Die 45-Jährige trägt ihre Schuhe nicht mehr an den Füßen, ihre Bluse ist weit geöffnet, der Reißverschluss der Hose offen. Sie lebt noch, sie stöhnt, aber sie hat das Bewusstsein verloren. An ihrer Verletzung wird sie 40 Stunden später sterben.

Bärbel Barnkows Mörder ist mit den beiden Winterjacken ins Auto gestiegen - die eine lässt er nach dem Schuss im Wagen zurück, die andere zieht er später auf dem Geestemünder Friedhof aus - und verscharrt dort auch den Personalausweis seines Opfers. Erst nach Monaten wird der zufällig gefunden.

Der Täter nimmt aber die Scheckkarte seines Opfers an sich - vielleicht als eine Art Trophäe. Er legt die Karte am Auto von Ingrid Remmers, seinem zweiten Opfer, ab. „Als Ausdruck seiner Überlegenheit“, wertet das ein Polizist später.

Ein Lebenszeichen aus der Telefonzelle

Ingrid Remmers kehrt in jener Nacht von Nienburg nach Bremen zurück, von einem Besuch bei ihrem Geliebten. Und wie immer haben sie als Zeichen dafür, dass sie zu Hause angekommen ist, vereinbart, dass sie aus einer Telefonzelle anruft und es nur dreimal klingeln lässt.

In jener Nacht läutet das Telefon häufiger, aber der Freund denkt sich nichts dabei. Die Polizei hält es später für möglich, dass sie ihn aus der Zelle um Hilfe bitten wollte. Stand der Mörder vielleicht davor?

Ingrid Remmers Leiche wird erst am übernächsten Tag entdeckt - von ihrem Ehemann, der nach ihr sucht. Er findet die 45-Jährige auf der Rückbank ihres Autos, abgedeckt mit einer Wolldecke.

Die Frau liegt auf dem Bauch, ihre Hände sind mit einem Lappen auf dem Rücken zusammengebunden. Ingrid Remmers trägt beide Schuhe, aber nur eine Socke. Im Wagen liegt eine weitere Wolldecke, durch die der Täter aus nächster Nähe auf sein Opfer geschossen haben muss. Eine einzige Pistolenkugel hat ihren Schädel durchschlagen.

Profiler: Der Tod der Frauen war geplant

Vor allem das Motiv, beide Frauen innerhalb weniger Stunden zu töten, hat die Polizei bisher beschäftigt: Es gibt kein eindeutiges. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei den Tötungsdelikten um Beziehungstaten handelte. Auch Habgier - ein Raub - scheidet aus. Eine Sexualstraftat käme in Betracht, schlussfolgert einer der Beamten schon vor Jahren.

Die Taten an sich, die Ermordung beider Frauen - zwei zufällig ausgesuchte Opfer -, könnte den Täter befriedigt haben. Der Profiler soll zu dem Schluss gekommen sein, dass der Tod der Frauen geplant war und der Mörder einen einmal gefassten Entschluss abgearbeitet hat.

Der Doppelmord von Bärbel Barnkow und Ingrid Remmers bleibt voller Rätsel.

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