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TDiese Tierarten wurden in der Region neu entdeckt

Sie waren in Europa fast ausgerottet. Seit einigen Jahren breiten sie sich wieder aus und haben inzwischen auch die Wesemarsch erreicht: Fischotter.

Sie waren in Europa fast ausgerottet. Seit einigen Jahren breiten sie sich wieder aus und haben inzwischen auch die Wesemarsch erreicht: Fischotter. Foto: Pleul/dpa

Auf der einen Seite sind viele Tierarten in der Region bedroht, auf der anderen Seite wandern neue zu. Darunter zwei Säugetierarten, die in Mitteleuropa schon fast ausgerottet waren.

Von Christoph Heilscher Sonntag, 17.03.2024, 22:42 Uhr

Der Jäger staunte nicht schlecht, als er im Nordenhamer Seenpark in diesen Wochen einen Fischotter sah. Irrtum ausgeschlossen. Das war die erste bekannt gewordene Sichtung eines lebenden Otters in der nördlichen Wesermarsch. Im zurückliegenden Jahr war ein überfahrener Otter im Nordenhamer Stadtteil Blexen entdeckt worden.

Weil sie als Nahrungskonkurrent galten und wegen ihres schönen Pelzes waren Fischotter in Mitteleuropa beinahe ausgerottet. Nur kleine Restpopulationen überlebten. Von Osten aus hat sich der Fischotter in den vergangenen Jahrzehnten langsam wieder ausgebreitet. Längst ist der Otter eine streng geschützte Art. In Niedersachsen ist die Jagd verboten. Bei der Ausbreitung geholfen hat dem Otter, dass die Gewässer in den vergangenen Jahrzehnten durch den flächendeckenden Bau von Kläranlagen viel sauberer geworden sind.

Appetit auf frischen Fisch

Fischotter ernähren sich - der Name sagt es schon - überwiegend von Fisch. Darüber hinaus verschmähen sie auch Frösche, Krebse, Kleinsäuger und Wasservögel nicht. Fischotter sind ständig in Bewegung. Und hungrig. Ein Kilo Nahrung braucht ein Otter am Tag. Und das bei einem Gewicht von sieben bis zwölf Kilogramm und einer Länge von bis zu 1,30 Meter, den Schwanz mitgemessen.

Die flinken Wassermarder unternehmen lange Wanderungen. Die Sichtung im Seenpark bedeutet daher nicht, dass in Nordenham nun fest ein Otter lebt. Das bleibt abzuwarten. Ausreichend Nahrung würde er in dem fischreichen Seen auf jeden Fall finden.

Obwohl die Tierart zugenommen hat, gilt der Bestand immer noch als bedroht. Fischotter stehen auf der Roten Liste. Der Deutsche Jagdverband schätzt, dass heutzutage nur noch ein bis zwei Prozent der ursprünglichen Bestände übrig sind. Vitale Fischotterpopulationen gibt es in Deutschland laut Jagdverband nur noch östlich der Elbe im Lausitzer Teichgebiet, im südlichen Teil des Bezirks Frankfurt/Oder sowie in der Mecklenburger/Brandenburger Seenplatte. Weitere Vorkommen seien isolierte Kleinvorkommen.

Hier sind Spuren des Otters entdeckt worden

Aber immerhin kommen sie wieder vor. Eine vom Landkreis Wesermarsch für die südliche Wesermarsch in Auftrag gegebene Untersuchung aus dem Jahr 2021 kommt zu dem Ergebnis, dass der Fischotter den Südkreis der Wesermarsch bis zum Käseburger Sieltief besiedelt. An zehn von 30 Stichprobenorten wurden Spuren des Otters entdeckt. Franz-Otto Müller, Tausendsassa in Sachen Naturschutz in der Wesermarsch, weiß von der Sichtung lebender Otter aus der Tongrube bei Oberhammelwarden und auf dem Gelände der Mülldeponie in Brake-Käseburg. Und nun die Otternachweise im Norden des Landkreises. Bislang war die Weser im Hinblick auf die Ausbreitung des Fischotters eine Grenze, zumindest im Norden Niedersachsens. Östlich der Weser ist die Zahl der Ottersichtungen deutlich höher.

Und wie hoch ist nun der Bestand in Niedersachsen? Genaue Zahlen sind nicht bekannt. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Küstenschutz, Wasserwirtschaft und Naturschutz betont allerdings, dass sich der Otter ausbreite.

Auf seinen Wegen wird er immer wieder Opfer des Autoverkehrs. In der Wesermarsch sind auf der Berner Umgehungsstraße gleich mehrere Otter totgefahren worden. Eine andere Gefahr nennt Franz-Otto Müller: Totschlagfallen, die Jäger aufstellen, um darin vor allem Marder zu fangen. In diese Fallen könnten, so Franz-Otto Müller, auch die neugierigen Otter geraten.

Die Rückkehr der Biber

Ähnlich wie dem Otter erging es auch dem Biber. Auch er wurde gnadenlos verfolgt - wegen seines Pelzes, seines Fleischs und auch wegen seiner Wasserbauaktivitäten. Biber stauen Gewässer auf, um sicherzustellen, dass der Eingang zu ihren Burgen unter Wasser ist. Eine Sicherheitsmaßnahme.

Auf den ersten Blick scheint die brackige Unterweser mit ihren oft schlickigen Ufern kein idealer Lebensraum für Biber zu sein. Gesichtet wurde der Biber in den letzten Jahren dennoch bereits einige Male. Biber leben bevorzugt in Auengebieten und an kleineren Flüssen, siedeln sich aber auch in Teichen und Seen an. Änders als Otter sind sie Pflanzenfresser, ernähren sich von Pflanzen aller Art sowie Weichhölzern.

Anna Wiersbinski von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Wesermarsch sammelt die Meldungen gesichteter Biber und Otter und gibt die Daten weiter an den NLWKN. Bei ihr sind Filmaufnahmen von einem in Kleinensiel südlich von Nordenham entdeckten Biber gelandet.

Das größte Nagetier Europas

Lebensräume am Rande der Unterweser haben die Biber bereits besiedelt: die Hemelinger Marsch bei Bremen, die Ochtum und die Hunte. Verbreitungsschwerpunkte in Niedersachsen sind die Elbe, das Emsland, das Gebiet Aller-Oker-Drömling und die Leine. Der NLWKN gibt den Gesamtbestand in Niedersachsen mit 500 Tieren an. Der Biber ist mit einem Gewicht von bis zu 30 Kilogramm das größte Nagetier Europas.

Otter und Biber sind nicht die einzigen Zuwanderer der jüngsten Zeit in der Wesermarsch. Geradezu überrollt worden ist die Region zwischen Weser und Jade im zurückliegenden Jahrzehnt von den Nutrias, einem im und am Wasser lebenden Nager, in der Größe zwischen Bisamratte und Biber. Nutrias stammen ursprünglich aus Südamerika. Nach Europa sind sie als Pelztier gekommen. Aus Pelzfarmen entkommene Tiere bildeten den Grundstock einer immer größer werdenden Population in Mitteleuropa. Nutrias vermehren sich rasant. Die Population in der Wesermarsch zählt inzwischen zu Tausenden. Die Jagdstrecken in einzelnen Revieren umfassen einige Hundert Tiere. Nutrias richten beträchtlichen Schaden an, denn sie wühlen Gänge in Deiche.

Noch selten: Marderhund und Waschbär

Neu in der Wesermarsch ist auch der Marderhund. Das etwa fuchsgroße Raubtier stammt aus Ostasien und hat seinen Weg nach Mitteleuropa allein gefunden. In der Wesermarsch ist der Marderhund noch ein seltener Gast, aber kein gern gesehener, denn Marderhunde plündern die Nester von Wiesenvögeln.

Ebenfalls noch selten ist in der Wesermarsch der Waschbär. In anderen Teilen Niedersachsens gilt er als Plage. 23.322 Waschbären sind im Jahr 2022 in Niedersachsens zur Strecke gekommen.

Wölfe passieren den Landkreis selten, aber regelmäßig und haben hier schon etliche Schafe gerissen. Neu im zoologischen Spektrum ist der Goldschakal, ein Zuwanderer aus Südosteuropa. Goldschakale leben, soweit bekannt, nicht fest in der Wesermarsch, sind von Jägern aber schon auf der Strohauser Plate gesichtet worden.

Der Landkreis der Adler

Viel Bewegung gibt es auch in der Luft. Während einst für die Marsch charakteristrische Vogelarten wie Kiebitz, Uferschnepfe oder Feldlerche in weiten Gebieten selten geworden oder gar ganz verschwunden sind, sind einige spektakuläre Arten zugewandert. Seit einem guten Jahrzehnt leben in der Wesermarsch wieder Seeadler. Sechs Paare brüten inzwischen im Landkreis. Damit gehört die Wesermarsch zu den adlerreichsten Landkreisen in Niedersachsen. Auch der schnelle Wanderfalke nistet mit wenigen Paaren wieder an der Weser und Jade. Bereits in den 1990er-Jahren hat der schöne Löffler, ein Ibisvogel, aus den Niederlanden kommend, das Wattenmeer besiedelt. Eine Kolonie befindet sich auf der Weserinsel Langlütjen II in der Wesermündung.

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