TDrachenfest: Fahrstuhlwind zwingt Adler auf Krautsand zur Landung

Yvonne und Christopher Grundmann aus Buxtehude sorgten auf dem Deich für große Hingucker beim Drachenfest auf Krautsand: Der Weißkopf-Seeadler hat eine Spannweite von sieben Metern. Foto: Knappe
Scharen von Schaulustigen pilgerten am Wochenende zum Drachenfest nach Krautsand. Der sogenannte Fahrstuhlwind zwang selbst einen Riesen-Adler zu Sitzpausen.
Krautsand. Strahlende Herbstsonne setzte am Sonnabend die bunten Flugobjekte vor zartblauem Himmel am Elbstrand und auf dem Deich bestens in Szene, ob bodennah oder bei Windstärke 2 bis 3 sanft wogend in 50, 60 Metern Höhe: Pinguine, Maulwürfe, ein Adler, ein Kugelfisch, ein Leuchtturm oder ganz klassische Drachen in Dreiecksform und etliche Windspiele.
Fliegendes Pferd vergaloppiert sich
Auch ein fliegendes Pferd ließ sich kurzzeitig am Himmel über Krautsand blicken - es geriet allerdings buchstäblich ins Stolpern und galoppierte in die Büsche: Schuld war der sogenannte Fahrstuhlwind. So nennt Wolfgang Kusserow (71) von der Hamburger Drachengruppe den leicht böigen Wind, der einigen Drachenfreunden am Sonnabend ein wenig zu schaffen machte. Mal bläst er, mal bläst er nicht, wird gestoppt oder verwirbelt durch Deich und Bäume. „Da weiß man nie, soll man jetzt einen kleinen oder einen großen Drachen fliegen lassen“, sinniert Kusserow.
Seit rund 20 Jahren sind er und Ehefrau Astrid Stammgast bei Drachenfesten. Er gehört zu den wenigen Szenegängern, die die meisten ihrer Windobjekte selbst konstruieren und aus Drachenseide zusammennähen. Auch das fliegende Pferd. Für den Abend haben die Kusserows bereits ihren selbst gebauten, vier Meter hohen Leuchtturm vorbereitet: Er wird mit Gebläse aufgepustet und kann von innen beleuchtet werden.

Ulrich Monses aus Stade gehört zu den Szenegängern. Seit 40 Jahren baut und entwirft er Drachen. Sein Kugelfisch Fugu ist 3,20 Meter dick, er schwebt stets dicht über dem Boden. Er ist aus Regenschirmen gemacht. Foto: Knappe
15 Drachenflieger beteiligten sich am Sonnabend mit diversen Flugobjekten und Windspielen am Drachenfest, vier hätten kurzfristig abgesagt, berichtet Festorganisator Dirk Ludewig. Trotz des verregneten Sonntags kamen insgesamt rund 2000 Besucher, allein beim abendlichen Laternelauf waren 400 Kinder dabei. Ein Höhepunkt: Das Nachtfliegen mit Feuerwerk und beleuchteten Drachen. Krautsand gehört zu den kleinen, aber feinen Drachenfesten „ein Spielzeugfest“, nennt Kusserow es liebevoll. Denn bei großen Drachenfesten wie etwa im dänischen Fanö sind bis zu 5000 Drachen am Himmel zu sehen.
Ulrich Monsees baut Drachen aus Regenschirmen
Ulrich Monsees aus Stade baut bereits seit 40 Jahren Drachen, 40 oder 50 sind es wohl inzwischen, schätzt er. Der 78-Jährige kam mit seinem bunten Patchwork-Kugelfisch Fugu, der sich bodennah in der Luft wiegt. Fugu ist 3,20 Meter dick. Monsees hat ihn vor sieben, acht Jahren genäht - aus dem Stoff von Regenschirmen. 100 Schirme, so schätzt er, hat er für den Bau von Fugu wohl verbraucht. Woher er die alle hat? „Aus Restaurants, Arztpraxen, Fundbüros, von Nachbarn, Freunden und Verwandten.“
Im fliegenden Kugelfisch hat Ulrich Monsees auch einen Berliner Schirm seiner Nachbarin verarbeitet, die vor einem halben Jahr gestorben ist. „Das ist für mich heute ein Gedächtnisfliegen für Ulla“, sagt Monsees. Er war früher Lehrer, hat auch an der Schule am Hohenwedel mit seinen Schülern Drachen gebaut. Unter anderem den Open-Kiel-Delta-Drachen von 1994 zum 1000-Jahres-Jubiläum der Hansestadt Stade. Der 3,50 Meter breite Drache zog auch über Krautsand seine Kreise.
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Für das Nachtfliegen am Samstag hat Monsees eine mit LED-beleuchtete weiße Schlange mitgebracht. Selbstverständlich auch aus Regenschirmen fabriziert. Das Drachenbauen dürfte eine der wenigen Hobby-Leidenschaften sein, die Männer an die Nähmaschine bringt. Ulrich Monsees hatte da noch nie Berührungsängste: „Ich habe früher bunte Saumbänder an meine Jeans genäht.“ Ja, das war zu Hippie-Zeiten, bestätigt der 78-Jährige lächelnd.
Der Adler ist gelandet
Christopher und Yvonne Grundmann aus Buxtehude sorgten auf dem Deich mit ihrem Weißkopf-Seeadler mit sieben Metern Flügelspannbreite für einen Hingucker. Der Fahrstuhlwind machte allerdings auch diesem Flugobjekt zu schaffen: Der Adler setzte mehrfach zur Sitzlandung auf dem Deich an. Der Adler gehört nicht zu den selbst gemachten Drachen, er ist gekauft. Die meisten Fertigdrachen kommen aus China.
Aber die Grundmanns bauen auch selbst - ein Huhn, als Bodenspiel konzipiert, und einen Vogel haben sie selbst genäht und noch im Gepäck. Auch die Grundmanns gehören zur Drachenszene und sind auf vielen Drachenfesten unterwegs. Dabei haben sie Christiaan Viking und Morten Rasmussen aus Dänemark kennengelernt, die auch nach Krautsand gekommen sind. „Man trifft sich eben“, sagt Viking. Er war bereits bei Drachenfesten in Katar, Tunesien und China.

Der fünfjährige Tom aus der Wingst lässt seinen selbst bemalten Drachen fliegen. Mutter Melanie Adrian leistet nur am Anfang ein bisschen Starthilfe - den Rest macht der Wind. Foto: Knappe
Das Krautsander Drachenfest mit Buden, Verkaufsständen und kleinem Flohmarkt ist traditionell auch ein Familienfest. Im Zelt saßen etliche Kinder und bemalten eifrig weiße Blanko-Drachen. Der fünfjährige Tom aus Oppeln in der Wingst hat stolz einen Regenbogen gemalt. Mutter Melanie Adrian half ihrem Sprößling, den Drachen mit zwei Steckstangen flugstabil zu machen - und dann ging’s an den Strand zur ersten Flugstunde. „Das ist eine schöne Sache, dass die Kinder hier noch selber Drachen basteln können“, sagt Melanie Adrian.
Für Montag, 14. Oktober, 10 Uhr, wird im Dorfgemeinschaftshaus auf Krautsand ein kostenloser Drachenbau-Workshop angeboten. Mit dem Drachenfest auf Krautsand endet die Saison auf der Ferieninsel: „Am Montag wird der Anleger abgebaut“, sagt Dirk Ludewig.

Ein Höhepunkt des Drachenfestes auf Krautsand: das Nachtfliegen mit beleuchteten Drachen und Feuerwerk lockte viele Besucher. Foto: privat