TDrochterser Klärwerk: Modernisierung wird teuer für die Bürger
Spatenstich in Drochtersen: Erfreut griffen zum Spaten (von rechts) Kai Schildt (SPD), Ralph Kraemer (EWE Wasser), Bürgermeister Mike Eckhoff und Jens Schütt (CDU). Cornelius van Lessen (FWG, links) setzte auf demonstratives Zuschauen. Foto: Klempow
Die Erweiterung der überlasteten Kläranlage in Drochtersen ist mit dem offiziellen Spatenstich gestartet. Für Gemeinde und Gebührenzahler hat das weitreichende Folgen.
Drochtersen. Das Bild hat Symbolcharakter: Dort, wo demnächst ein neues Klärbecken gebaut wird, steckten am Donnerstag fünf Spaten im Sand, griffbereit für den offiziellen Spatenstich, um den Ausbau der Kläranlage auf den Weg zu bringen. Vier Herren griffen freudig zu - einer stützte sich demonstrativ auf seinen Spaten: FWG-Fraktionsvorsitzender Cornelius van Lessen hätte es im Vorfeld lieber gesehen, die Abwasserentsorgung zurück in die Verantwortung der Kommune zu holen - einer der Aspekte im zähen Ringen um das Klärwerk:
Die Vorgeschichte: Bereits seit 2016 ist bekannt, dass die 1967 errichtete Drochterser Kläranlage am Gauensieker Hafen zu klein und am Limit ist. Die von der EWE Wasser GmbH betriebene Anlage klärt die Abwässer von rund 8000 Bürgern in der Gemeinde Drochtersen. Das Abwasser von rund 3600 Bürgern aus Assel fließt über den Abwasserzweckverband Bützfleth-Assel zum Stader Klärwerk.
Seit Jahren am Limit
Drochtersens Klärwerk war ursprünglich auf rund 7500 Einwohner beziehungsweise auf deren Abwasserlast ausgerichtet - sie fuhr jahrelang am Limit. Erst Ende 2021 knallte es: Die Kommunalpolitiker hatten gerade das Baugebiet „An der Elbmarsch“ beschlossen, in der Annahme, dass die Kläranlage noch Puffer-Kapazitäten hat. Doch dem war nicht so.
Die Schmutzfracht, die in der Anlage ankommt, war zu hoch, außerdem sei die Hydraulik überlastet und das Volumen der Becken reiche nicht aus, hieß es. Bei starkem Regen konnte das Klärwerk die Wassermengen nicht mehr bewältigen, es drohte die Gefahr von Gewässerverschmutzungen.
Klärwerk-Problem legt Baugebiet auf Eis
Der Landkreis Stade zog Ende 2021 die Daumenschrauben an: Keine Genehmigungen für Flächennutzungsplanänderungen in Drochtersen mehr, solange das Kläranlagen-Problem nicht gelöst ist, hieß es.

Die Kläranlage in Drochtersen muss erweitert werden - die Arbeiten für zwei neue Becken sollen jetzt starten. Foto: Klempow
Seitdem liegt der Bebauungsplan für das besagte Baugebiet mit 60 Bauplätzen auf Eis. Der Investor hatte bereits Reservierungen. Weder in Drochtersen, Dornbusch, Hüll und Krautsand konnten wegen Klärwerke-Problematik weitere Wohn- und Gewerbeflächen entwickelt werden.
Langes Hickhack und Vorwürfe
Nach langem Hickhack entschied sich die Drochterser Kommunalpolitik dafür, den Betreibervertrag mit der EWE Wasser GmbH zu verlängern und die Revitalisierung des Klärwerks durch die EWE durchführen zu lassen. Im Zuge der Verhandlungen zwischen dem Drochterser Abwasserbeirat und dem Versorgerunternehmen wurden immer wieder Vorwürfe gegen die EWE Wasser wegen Intransparenz laut.
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2023 wurden als Not- und Akut-Lösung neue Plattenbelüfter für eine bessere Sauerstoffversorgung der Bakterienkulturen im Klärwerk eingebaut. Zumindest ein kleineres Bauvorhaben von drei Wohnhäusern in Dornbusch am Alten Weg soll nun möglich sein, dafür soll die Kapazität der Kläranlage reichen.
Für Bürgermeister Mike Eckhoff ermöglicht die Erweiterung Entwicklungschancen in der Gemeinde, betonte er beim Spatenstich: „Ich denke an die Wohnbauentwicklung. Wir wissen, dass wir da Nachholbedarf haben.“ Die Gemeinde hofft, dass Mitte 2027 die neue Anlage in Betrieb gehen kann. „Wir sind froh, dass es endlich losgeht“, so Ralph Kraemer, Geschäftsführer der EWE Wasser. Auch in Sachen Umweltschutz sei die Anlage zukunftsorientiert geplant.
Reinigungskapazität soll um rund 53 Prozent steigen
Das Bauprojekt: Die Reinigungskapazität des Klärwerks soll nun bis Ende 2027 von derzeit 7500 auf 11.500 Einwohnergleichwerte ausgebaut werden. Damit ist der Referenzwert der Schmutzlast gemeint, die die entsprechende Zahl von Einwohnern produziert. Vor wenigen Tagen kam die Baugenehmigung. Die Bauarbeiten werden im laufendem Betrieb erfolgen, damit die Abwasserreinigung gewährleistet bleibt.
Geplant ist im ersten Bauabschnitt der Rückbau des alten Trapezbeckens, das nicht mehr in Betrieb ist. Leitungen und Wege werden umverlegt und Vorbereitungen für den Bau neuer Klärbecken getroffen. An Stelle der alten Trapezbecken wird ein neues Belegungsbecken gebaut, daneben ein neues Nachklärbecken.
6,8 Millionen Euro kostet die Revitalisierung
Die Kosten: Die Ertüchtigung der Kläranlage soll Drochtersen eine leistungsfähige Infrastruktur sichern. Das kostet viel Geld - und das werden auch die Bürger zu spüren bekommen. Die EWE Wasser beziffert die Kosten für die Revitalisierung der Anlage auf rund 6,8 Millionen Euro.
20 Prozent der Summe stuft die EWE Wasser als Reinvestitionskosten ein, also als Instandhaltungs- und Reparaturkosten, die sie als Betreiber selbst zu tragen hat. 80 Prozent der Summe - und das sind 5,446 Millionen Euro - ordnet die EWE als Neuinvestition ein. Diese Kosten soll Drochtersen übernehmen.
Die Gemeinde muss die Summe nicht direkt aufbringen, sondern für ihren prozentualen Anteil ein entsprechendes jährliches Entgelt an die EWE Wasser zahlen. Die Gemeinde wiederum wird die Kosten letztlich über die Abwassergebühren an die Bürger weitergeben.
Abwassergebühren werden weiter steigen
Die Auswirkungen: Erst Ende des Vorjahres hatte die Gemeinde Drochtersen die Schmutzwassergebühren ab 2025 um rund 22 Prozent erhöht: Die Grundgebühr stieg von 87 auf 106 Euro jährlich und die Mengengebühr pro Kubikmeter von 3,55 Euro auf 4,34 Euro. Der Kalkulationszeitraum beträgt jeweils drei Jahre, regulär würde also 2027 neu berechnet werden.

Das kombinierte Belebungs- und Nachklärbecken in Drochtersen hat keine weiteren Kapazitäten. Deshalb werden jetzt zwei neue Becken gebaut. Foto: Klempow
Spätestens dann werden die Abwassergebühren für die Drochterser steigen. Wie hoch, weiß niemand. Gibt es vor 2027 „eklatante Änderungen“ - etwa durch hohe Zahlungen der Gemeinde an die EWE Wasser - könne es sein, dass die Gebühren schon früher neu kalkuliert werden müssten, sagt Drochtersens Kämmerer Marcus Pritsch. In den Diskussionen der Kommunalpolitik in den vergangenen Jahren waren immer wieder Befürchtungen laut geworden, die Gebühren könnten sich verdoppeln.
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