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Landgericht

TDrogenhandel, Raub, Erpressung: Vorwurf der Staatsanwaltschaft hat es in sich

Blick in einen Verhandlungssaal des Landgerichts Stade.

Blick in einen Verhandlungssaal des Landgerichts Stade. Zwei Brüder müssen sich wegen zahlreicher krimineller Taten verantworten (Symbolbild). Foto: Koppe

Sie sollen Jugendliche als Dealer benutzt und Gewalt angewendet haben: Vor dem Landgericht Stade müssen sich zwei Brüder verantworten. Die Liste ihrer Straftaten ist lang.

Von Franziska Felsch Donnerstag, 14.11.2024, 17:15 Uhr

Stade. Familienangehörige und Freunde der beiden Angeklagten haben sich am ersten Verhandlungstag im Stader Landgericht eingefunden, um dem Prozess zu folgen. Der Vorsitzende, Richter Marc-Sebastian Hase, belehrt die Zuschauer, dass Zwischenrufe nicht geduldet werden - und dann geht’s los: Fast eine halbe Stunde dauert es, bis alle Straftaten nebst der zugehörigen Paragrafen aufgezählt sind, mit der sich die 3. Große Strafkammer auseinanderzusetzen hat.

Auf der Anklagebank sitzen zwei Brüder aus Stade, denen vorgeworfen wird, von August 2021 bis Mai 2022 gemeinsam und in größerem Umfang mit Drogen gehandelt und sich durch den Verkauf von Cannabis eine regelmäßige Einnahmequelle aufgebaut zu haben.

Der Ältere der beiden, der in Handschellen in den Gerichtssaal geführt wird, soll vor allem Minderjährige als Dealer benutzt haben. Als Gegenleistung erhielten die Jugendlichen kleinere Mengen der Betäubungsmittel. Wer sich weigerte, wurde bedroht oder geschlagen.

Einer der Angeklagten soll Mann gezwungen haben, Kokain zu schlucken

Körperverletzung in vier Fällen, zudem drei Fälle von Erpressung, davon ein Versuch, zählt die Anklagebehörde auf. Außerdem gehen Sachbeschädigung wie eingeschlagene Fenster bei einem Streit im Treppenhaus, falsche Verdächtigungen und Hausfriedensbruch auf das Konto des 26-Jährigen.

Einen Mann soll der Angeklagte gezwungen haben, Kokain zu schlucken. Einer Frau habe er gedroht, ihrer Familie falsche, ehrenrührige Informationen über ihre Person mitzuteilen, wenn sie sich weigere, für ihn ein Mobiltelefon mit Vertrag zu kaufen. Derselben Frau habe er Geld aus dem Portemonnaie gestohlen.

Brüder hüllen sich vor Gericht in Schweigen

Der jüngere der beiden Brüder ist wegen versuchter räuberischer Erpressung, Nötigung, gemeinschaftlichem Raub und Beihilfe angeklagt. Zwei Personen habe er - gemeinsam mit weiteren Tätern, die gesondert verfolgt werden - Gewalt angedroht, wenn sie nicht ihr Handy nebst Pin herausgeben.

Die Angeklagten schweigen und lassen nur ihre Anwälte, Lars Zimmermann, der den 26-Jährigen vertritt, und Lorenz Hünnemeyer, der das Mandat für den 22-Jährigen hat, sprechen. Die Verteidiger geben zu bedenken, dass sich die Gesetzeslage bei Betäubungsmitteln geändert hat, was von nicht unerheblicher Bedeutung sei.

Richter Hase stimmt dem grundsätzlich zu: Das Thema sei sehr komplex, aber das neue Recht nicht unbedingt vorteilhafter. Das käme immer auf die einzelnen Fälle an.

Hünnemeyer betont, dass sein junger Mandant seit geraumer Zeit versuche, Fuß zu fassen; aber auf seine Bewerbungen habe er bisher nur Absagen erhalten. Der Schulabbrecher ist ohne Ausbildung und wohnt noch bei seinen Eltern. Positiv sei zu bemerken, dass er sich sehr im örtlichen Fußballverein engagiere.

Aufgrund seines Alters zurzeit der Taten vor zwei Jahren - er war damals 20 - kann sich der Verteidiger vorstellen, dass das Jugendstrafrecht infrage käme und darüber hinaus auch eventuell ein psychiatrisches Gutachten. Ähnlich formuliert das ein Mitarbeiter der Jugendhilfe Strafrecht, der meinte, der Angeklagte wirke auf ihn eher wie ein Heranwachsender, nicht wie ein Erwachsener. Der Oberstaatsanwalt äußert angesichts der Anzahl und der Schwere der Taten Bedenken, macht aber seine letztendliche Entscheidung darüber von der Beweisaufnahme ab.

Oberstaatsanwalt mahnt die Schwere der Taten an

Der einzige Zeuge, der an diesem Nachmittag gehört wird, ist der Kriminalbeamte, der die Durchsuchung des Hauses, in dem die Täter wohnen, geleitet hat. Die Beamten fanden damals im Keller größere Mengen Marihuana, zwei goldene Ketten und mehrere Airpods.

Schon am ersten Verhandlungstag ist die Kammer und die Oberstaatsanwaltschaft - auf Antrag der Anwälte - nach ausführlicher Besprechung übereingekommen, dass ein Teil der Taten nicht ins Gewicht fallen wird - vorausgesetzt, die Angeklagten zeigen sich geständig, ohne eventuelle Mittäter namentlich nennen zu müssen.

Das würde dann das Strafmaß reduzieren auf zwei bis drei Jahre in dem einen und drei bis fünf Jahre in dem anderen Fall. „Dies ist ein Angebot zum Guten“, sagt Hase zum Schluss.

Die Verteidiger wollen das prüfen. Hünnemeyer kann sich aber eventuell noch eine andere Lösung vorstellen. Was beide Anwälte monieren, ist der Vorschlag der Kammer, einen Monat als bereits vollstreckt zu erklären, weil die Verhandlung erst nach fast zwei Jahren aufgenommen wurde. „Viel zu kurz“, kommentierte Zimmermann. Auch das wird in den folgenden Prozesstagen Thema sein.

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