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TDutzende Katzen verschwunden – „Da stimmt was nicht“

Janna Weißgerber (links), Sohn Emil und Mutter Marleen sorgen sich mit Jörn Rogge um die Katzen von Stemmen.

Janna Weißgerber (links), Sohn Emil und Mutter Marleen sorgen sich mit Jörn Rogge um die Katzen von Stemmen. Foto: Heyne

In Stemmen im Kreis Rotenburg sind in den zurückliegenden Monaten vermehrt Hauskatzen verschwunden. Spurlos. Die Häufung kann kein Zufall mehr sein, glauben manche der betroffenen Bürger im Ort.

Von Ulla Heyne Mittwoch, 10.01.2024, 08:05 Uhr

Landkreis Rotenburg. Wenn Jörn Rogge Besuch bekommt, drückt sich sein Maine-Coon-Kater scheu an der Wand vorbei. Das war nicht immer so: „Früher war er zutraulich, er kam auf meinen Pfiff hin“, erklärt sein Besitzer. Früher - das war bis Ende August, als der Kater verschwand. Rogge fragte in der Nachbarschaft herum - und merkte bald: „Da stimmt was nicht.“

Nachbarn auf der anderen Straßenseite beklagen den Verlust all ihrer drei Hauskatzen, und das in einem Zeitraum von wenigen Monaten. „Wir hatten immer Katzen“, berichtet Marleen Weißgerber. „Die sind alle sehr alt geworden - bis zum Februar.“ Da verschwand das erste Haustier; eigentlich gehörte es Enkel Emil. Seit im Abstand weniger Monate auch die anderen beiden Katzen spurlos verschwanden, mag die Familie nicht mehr an einen Zufall glauben: „Wenn sie überfahren worden wären, hätte man sie irgendwo gefunden“; auch Weglaufen schließen sie als Option aus.

Bei seinen Recherchen stieß Rogge auf mindestens zwölf Fälle: Loki, Max, Lexa und Rolo, Pumba - allein die Liste der bei der Registrierstelle „Tasso“ seit Juli als vermisst gemeldeten Freigänger aus Stemmen ist lang; andere Hauskatzen werden per Anschlag an Straßenlaternen gesucht.

Rogge findet seinen Kater im Tierheim

Eines Tages fand der Familienvater ein anonymes Schreiben im Briefkasten. Er soll doch mal in den Tierheimen der Gegend anrufen. „Daran hatte ich bis dahin nicht gedacht, ich war davon ausgegangen, dass der Kater tot ist“, so Rogge. 2014 war eine seiner Katzen von einem Jäger erschossen worden mit der Begründung, das Tier habe gewildert.

Bei den Tierheimen in der Umgebung wurde Rogge nicht fündig. Irgendwann bekam er über eine Bekannte seiner Ehefrau den Tipp, es in Bremen-Brinkum zu versuchen. Dort fand er seinen Kater, in schlechtem Zustand: ein Fangzahn angebrochen, mit entzündeten Hüften und verfilztem Fell. Für drei Monate Unterbringung und Versorgung stellte ihm das Tierheim mehr als 1.300 Euro in Rechnung.

Eingeliefert worden war der Kater einen Tag nach seinem Verschwinden durch das Fundbüro der Samtgemeinde Fintel. Der „Finder“ sei ein Jäger gewesen, Ort und nähere Umstände habe man sich dort nicht notiert. Rogge ist fassungslos: „Bei jedem Hund wird genau nachgefragt, hier wird eine Katze, die sich garantiert nicht ohne Weiteres von einem Unbekannten hätte einfangen lassen, einfach als ‚Fund‘ akzeptiert.“

Im Fundbüro möchte man sich zum konkreten Fall nicht äußern. Generell werde neben dem Finder und der Rasse jedoch auch der Fundort vermerkt und, falls möglich, die Informationen des gechippten Tieres ausgelesen. In Rogges Fall war die Katze zwar gechippt, nicht aber registriert, weshalb war eine Rückverfolgung ihres Zuhauses nicht möglich war.

Dem Katzenhalter geht es um einen anderen Umgang

Für Rogge ist der Fall ein Unding. Auch seine Nachbarn sind über die Empathielosigkeit erschüttert: „Furchtbar, was hier passiert, dass Haustiere einfach so verschwinden“, meint Janna Weißgerber, die besonders die Trauer ihres fünfjährigen Sohns bedrückt. Ihre Mutter vermutet, genau wie Rogge, „dass sich hier jemand einen Sport daraus macht.“

Rogge hat Anzeige wegen Verdacht auf illegalen Fang und Unterschlagung erstattet, um den Namen des Jägers zu erfahren, der seinen Kater eingefangen hat. Rache will er nicht, nur einen anderen Umgang mit den Katzen im Ort. „Ich habe nichts gegen Jäger“, betont der Bauingenieur, „nur sollte der Wildererpassus des veralteten Jagdrechts eingeschränkt werden“.

Hegeringleiter Hubertus Steinke ist sich des heiklen Themas bewusst. Er selbst rät Jägern, beim Abschuss von Hauskatzen vorsichtig zu sein. „Nach Möglichkeit keine Hauskatzen oder Hunde schießen, wir wollen keinen Ärger.“ Den von ihm betreuten Jägern rät er: „Lieber einmal mehr das Gespräch mit dem Besitzer suchen.“ Gleichwohl: „Das Schießen von wildernden Katzen ist Naturschutz“, stellt er seine Sicht der Dinge klar.

Könnte ein klärendes Gespräch die Situation im Ort verbessern?

Auch Janna Weißgerber möchte keinen Unfrieden im Ort. „Ich möchte hier in Frieden mit meiner Familie leben, und dazu gehören auch Katzen dazu.“ Wünschen würde sie sich ein Gespräch „zwischen allen Beteiligten, die dazu etwas zu sagen hätten, vielleicht initiiert vom Ortsbürgermeister oder einem Schlichter.“ Sie empfindet das, was in Stemmen passiert, als Eingriff in ihre persönliche Entscheidungsfreiheit, „ich habe Angst vor dem, was hier als Nächstes passiert.“

Wie es in Stemmen weitergeht? Rogge lässt seinen Kater nachts vorerst nicht mehr aus dem Haus. Und Familie Weißgerber? Nach 30 Jahren mit Katzen können sie sich derzeit nicht vorstellen, wieder Haustiere aus dem Katzenhaus in Helvesiek bei sich aufzunehmen -„wenn die weg sind, tut es einfach zu weh“, meint Marleen Weißgerber. (bal)

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