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Fußball-EM

TEM-Volunteers aus dem Kreis Stade: Um Geld geht es ihnen nicht

Alexandra Kappel ist bei den Spielen im Hamburger Volksparkstadion im Einsatz.

Alexandra Kappel ist bei den Spielen im Hamburger Volksparkstadion im Einsatz. Foto: Scholz

16.000 Freiwillige helfen bei der Fußball-EM mit. Geld bekommen die Volunteers nicht. Eine Buxtehuderin und ein Stader erklären ihre Motivation.

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Von Tim Scholz
Samstag, 29.06.2024, 07:50 Uhr

Hamburg. Wenige Minuten vor dem Anpfiff betritt Alexandra Kappel den Rasen des Hamburger Volksparkstadions. Sie nimmt ihre Position im Strafraum ein und wird Teil einer Choreografie, die sich über das gesamte Spielfeld erstreckt. Logos, bunte Banner, Nationalflaggen.

Gleich spielen Polen und die Niederlande gegeneinander. Kappel steht vor dem orangefarbenen Fanblock der Niederländer und entrollt mit ihrem Team eine überdimensionale Polen-Flagge. Dann singen Fans und Mannschaften die Nationalhymnen. „Das ist schon ein krass cooles Erlebnis“, sagt sie.

150.000 Bewerbungen für 16.000 Stellen

Alexandra Kappel ist eine von 16.000 Freiwilligen bei der Fußball-EM. In 25 Bereichen sind sie im Einsatz. Sie weisen Fans den Weg zum Stadion, kontrollieren Tickets, helfen Menschen mit Behinderung, geben Akkreditierungen an Journalisten und Dienstleister aus, begleiten Spieler zur Dopingkontrolle oder sind als Ceremony Maker im Einsatz. So wie Kappel.

Die 25-Jährige aus Buxtehude war bereits vor drei Jahren als Volunteer im EM-Spielort München im Einsatz. „Das war eine tolle Erfahrung. Ich habe dort viele Menschen kennengelernt, mit denen ich heute noch Kontakt habe“, sagt sie. Für Kappel war das der Ansporn, sich für das nächste Turnier zu bewerben. Wie insgesamt 150.000 Menschen.

Nur einen Urlaubstag musste sie opfern

Kappel bekam die Zusage und wurde ins Team für die Eröffnungszeremonie aufgenommen. „Dafür sollte man schon sportlich sein, ein Gefühl für Musik haben und sich zum Rhythmus bewegen können“, sagt sie. Für Kappel kein Problem: Neben ihrem Job im IT-Projektmanagement gibt sie im Fitnessstudio Kurse, die auf Musik abgestimmt sind.

150 Volunteers sind an der Zeremonie vor Spielbeginn beteiligt.

150 Volunteers sind an der Zeremonie vor Spielbeginn beteiligt. Foto: Marcus Brandt/dpa

Die Choreografie mit 150 Volunteers wurde an drei Tagen einstudiert. „Wir sind als Team immer mehr zusammengewachsen“, sagt Kappel, die bei allen fünf Spielen in Hamburg im Einsatz ist und das gut mit ihrem Beruf vereinbaren kann. Nur ein Urlaubstag war dafür nötig.

„Alle sind aus Spaß und Freude dabei“

Geld bekommt sie für ihr Engagement nicht. Aber darum geht es ihr auch nicht, das Ehrenamt ist ihr nicht fremd: Kappel hat sich bereits beim Deutschen Roten Kreuz in Buxtehude als Rettungssanitäterin und im Vorstand des Schützenvereins Altkloster engagiert. „Man darf nicht vergessen, was man dadurch an Erfahrung mitnimmt“, sagt sie, „und das ist meistens viel mehr wert als Geld.“

Doch was genau reizt sie, sich unentgeltlich für ein Turnier zu engagieren, an dem die UEFA laut Medienberichten mehr als eine Milliarde Euro verdient? „Das Schöne ist ja, dass alle aus Spaß und Freude dabei sind“, sagt Kappel. „Würde man Geld zahlen, würde so etwas wie diese riesige Choreografie nicht so gut funktionieren.“

Was die Volunteers statt Geld bekommen

Die eigene Motivation und das eigene Interesse scheinen eine große Triebfeder zu sein. Das hat auch Arne Wehlitz festgestellt, der das Volunteer-Programm in Hamburg leitet: „Unsere Volunteers wollen bei etwas Großem dabei sein. Sie wollen die Euro aus einem anderen Blickwinkel erleben und Menschen aus anderen Ländern kennenlernen. Letztlich tragen sie dazu bei, dass das Turnier und Deutschland positiv in Erinnerung bleiben.“

Arne Wehlitz leitet das Volunteer-Programm in Hamburg.

Arne Wehlitz leitet das Volunteer-Programm in Hamburg. Foto: Scholz

Statt Geld erhalten die Volunteers kostenlose Verpflegung, Nahverkehrstickets, Bildungsangebote und sie dürfen ihre Arbeitsuniform behalten. Nach dem ersten Spiel in Hamburg schaute Turnierdirektor Philipp Lahm überraschend im Volunteer Center vorbei und bedankte sich bei den freiwilligen Helfern. „Ohne euch wäre das alles nicht möglich“, sagte Lahm.

Nach den Spielen herrscht im Volunteer Center ein Kommen und Gehen. Die Männer und Frauen, jung und alt, darunter auch Menschen mit Behinderung, tragen einheitliche grüne und blaue Outfits. In Hamburg sind 1600 Volunteers aus 25 Ländern im Einsatz. Und, was Wehlitz besonders freut: Bisher gab es kaum Ausfälle.

Nicht alle Volunteers sind große Fußballfans

Was auffällt: „Unsere Volunteers sind nicht immer die großen Fußball-Cracks“, sagt Wehlitz. Das gilt für Alexandra Kappel ebenso wie für Hans-Erwin Werner aus Stade. „Ich bin zwar HSV-Fan, verfolge die Bundesliga und schaue mir die deutschen Spiele an“, sagt er. Der Hauptgrund für seine Bewerbung war aber ein anderer gewesen: „Ich möchte hinter die Kulissen dieses großen Ereignisses schauen.“

Hans-Erwin Werner ist für die Akkreditierungen zuständig.

Hans-Erwin Werner ist für die Akkreditierungen zuständig. Foto: EURO 2024 GmbH (nomo)

Hans-Erwin Werner hatte jüngeren Bewerbern bessere Chancen ausgerechnet, aber er schien mit seiner Erfahrung und seinen Interessen zu überzeugen. Werner erzählt, dass er beim VfL Fredenbeck Tischtennis spielt und die Sparte leitet, dass er sich für Erdgeschichte interessiert und verstehen möchte, „wie alles entstanden ist“.

Prominenter Gast im Akkreditierungszentrum

Nun ist der 69-jährige Rentner zum ersten Mal als Volunteer bei einer solchen Sportveranstaltung dabei und 17 Tage lang für die Akkreditierung zuständig. In einer umfunktionierten Trainingshalle neben dem Stadion empfangen Hans-Erwin Werner und sein Team die Offiziellen, Journalisten, Caterer, IT-Spezialisten, Sponsoren und viele andere Leute, die einen Arbeitsausweis benötigen, und überprüfen deren Daten.

Wie viele Akkreditierungen bisher ausgestellt wurden, darf Hans-Erwin Werner nicht verraten. UEFA-Geheimnis. Aber es dürften Tausende sein. „Bekannte Fußballer waren leider noch nicht hier“, sagt Werner, aber dafür hat er den Moderator Johannes B. Kerner erkannt.

Stader will wieder als Volunteer arbeiten

Anders als in seinem Bekanntenkreis stellt Hans-Erwin Werner bei den Volunteers eine große EM-Euphorie fest. „Das sind interessante Leute“, sagt er. Es seien unter anderem Australier, Spanierinnen und Engländer dabei, die sich für die EM extra Urlaub genommen hätten. Manchmal schauen sie gemeinsam die Spiele auf einer Leinwand im Volunteer Center oder machen Karaoke. „Hier wird einiges geboten“, sagt er.

Hans-Erwin Werner hat sich inzwischen wieder als Volunteer beworben. Im November will er bei einem Tischtennis-Spitzenevent in Düsseldorf helfen. „Erst heute Morgen habe ich die Bewerbung abgeschickt.“

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