TEin Stern zum Abschied: 96 Treckerfahrer touren über die Geest
Zum Schluss der Lichterfahrt bilden die Trecker einen Stern. Foto: Von Allwörden
Die Lichterfahrt über die Geest ist zum einen Protest, zum anderen ein Event für die ganze Familie. Fast 10.000 Menschen ließen sich das nicht entgehen.
Ahlerstedt. Früher Vogel fängt den Wurm, dachte sich wohl Joachim Meyer. Er ist mit seinem kleinen Schlepper am Samstagnachmittag schon um 14.25 Uhr beim Startpunkt im Klethener Weg in Ahlerstedt angekommen. Kurz darauf folgen Hartmut Cordes und Johann Fitschen mit ihren geschmückten Treckern. Seit 2021 fahren sie bei der Lichtertour mit.
Lichterfahrt auf der Geest
„Wir wollen auf den Zustand der Landwirtschaft aufmerksam machen“, sagt Cordes. Sein Thema dabei ist die wachsende Bürokratie. Fitschen, der seine Tochter Anna-Lena mitgebracht hat, fügt hinzu: Ursprünglich sei es auch um die Kinder in der Coronapandemie gegangen.

Stefanie Dähne durfte mit ihrem Käfer dabei sein. Foto: Helfferich
Gleich hinter Cordes reiht sich Stefanie Dähne aus Deinste mit Tochter Lia ein; allerdings nicht mit Trecker, sondern mit Käfer. Der VW-Oldie ist die große Ausnahme bei dieser Lichtertour, denn eigentlich sollen Pkw zu Hause bleiben.
Zunehmend hatten sich in den vergangenen Jahren ganz normale Autofahrer dem Demonstrationszug angeschlossen, die weder mit der Landwirtschaft und deren Anliegen zu tun, noch ihre Fahrzeuge für die Kinder geschmückt hatten.
Betonmischer wird ans Ende des Zuges geschickt
Der tannengrüne, auf Weihnachten gepimpte Käfer ist da eine Ausnahme. Viele freuen sich, dass sich die Familie Dähne so viel Mühe gibt. Für Diskussion am Rande führt der Kultwagen dennoch - bis kurz vor Abfahrt ein Betonmischer aufkreuzt. „Der hat nun wirklich nichts mit Landwirtschaft zu tun“, sagt Johann Fitschen. Das Baufahrzeug wird ans Ende des Zuges verwiesen.
Landwirtschaft
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Viel Mühe gegeben hat sich auch Joachim Meyer: Schneemann, Weihnachtsmann und Rentier leuchten um die Wette. „Drei Tage habe ich daran gearbeitet“, erzählt er. Angefangen bei der Platte, die nicht herausragen darf und auf der die Gesellen festen Stand haben. Dann ging es an die Lichterketten. Sie zu verlegen, so dass nichts herumfliegt, habe enorm viel Zeit gekostet.

Jan-Ole Peters nahm mit seinem Obst- und Weinbautrecker aus den 1960er Jahren an der Lichterfahrt teil. Foto: Helfferich
Ein weiterer Oldie biegt in den Klethener Weg ein: Jan-Ole Peters kommt mit einem Obst- und Weinbautrecker aus dem Jahr 1961. Peters arbeitet in einem landwirtschaftlichen Betrieb, der Trecker ist sein Hobby. Seit drei Jahren macht er bei den Lichterfahrten mit und sagt: „Ich bin selbst Familienvater. Es macht Spaß, den Kindern mit den geschmückten Treckern eine Freude zu machen.“ Der Oldie bekommt deutlich jüngere Gesellschaft, als die Altländer mit ihren Obstbau-Treckern um die Ecke tuckern.
Start in Ahlerstedt mit viertelstündiger Verspätung
Es wird ernst: Die kleineren Fahrzeugen reihen sich vorne ein, „sonst können die mit ihren 25 Stundenkilometern nicht mithalten“, erklärt Hartmut Cordes. Auch er steigt in seinen Schlepper und startet ihn. Die Kolonne mit 96 Fahrzeugen setzt sich allmählich in Bewegung.
Der Helmster ist Nebenerwerbslandwirt, Schweine und Ackerbau. Er hatte den Hof von seinen Eltern übernommen. Doch nach acht Jahren musste er feststellen, dass der Betrieb zu klein ist, dass es sich nicht mehr rechnet, in der Landwirtschaft zu arbeiten. „Früher gab es in jedem Dorf 20 Landwirte, jetzt sind es nur noch zwei“, sagt er. Die großen Discounter, wie Aldi oder Lidl, bestimmten den Markt und damit den Preis. „Regionale Waren einzukaufen, können sich die meisten Leute nicht leisten.“
Trecker und Winterzauber locken nach Harsefeld
Mit zehn Kilometern in der Stunde bewegt sich der Lichterzug über die Geest. Überall stehen Familien mit Kindern und winken den Bauern zu. Cordes winkt fröhlich zurück. Insbesondere in Harsefeld säumen die Menschen die Straßen. Da kommt es zupass, dass an diesem Wochenende auch der „Winterzauber“ lockt.

Der Trecker von Hartmut Cordes. Foto: Helfferich
Cordes‘ Hauptberuf ist Milchleistungsprüfer, besser bekannt als Milchkontrolleur. Er freut sich über die Kinder, die ihm vom Straßenrand zuwinken: „Es ist so schön, wie die Kinderaugen leuchten.“ Während der Coronapandemie hätten die Kinder sehr gelitten, sagt er. Aber es geht ihm auch um Protest. Der Helmster hat schon häufiger mit seinem Trecker protestiert, fuhr auf dem Traktor nach Berlin. Die Politik wisse nicht, was an der Basis los ist.
Lichterfahrt auf der Geest
Für die Lichterfahrt am Samstag hat er sich viel Mühe gegeben, damit sein Trecker groß rauskommt. 100 Meter Lichterkette hat er verbaut. Fünf bis sechs Stunden habe er daran gearbeitet. Auf einer zwischen zwei Tannen von hinten beleuchteten Milchglasscheibe steht: „Bürokratie muss aufhören“. Mit dieser Forderung ist er nicht allein.
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