TEklat: Feuerwehrführung tritt zurück – Stadtfeuerwehr nicht einsatzbereit

Diese Mitglieder des Stadtkommandos der Feuerwehr sind von ihren Ämtern zurückgetreten. Foto: Glückselig
Es ist ein wohl einzigartiger Vorgang: Der Großteil der Feuerwehr-Führungskräfte in Nordenham hat das Amt niedergelegt. Weitere 150 Feuerwehrleute haben sich vom Dienst beurlauben lassen. Die Stadtfeuerwehr ist nicht mehr einsatzbereit. Was ist passiert?
Nordenham. Wie konnte es so weit kommen? Anlass für die Rücktrittserklärungen war der Ausgang einer Wahl bei einer nicht öffentlichen Sondersitzung des Nordenhamer Stadtrats am Mittwochabend. Es ging um eine mögliche Abwahl einer Nordenhamer Feuerwehr-Führungskraft, die aus Sicht des Stadtbrandmeisters und weiterer Führungskräfte aufgrund ihres Verhaltens für die Feuerwehr nicht mehr tragbar ist.
Für die Abwahl der Führungskraft wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Rates erforderlich gewesen. Tatsächlich haben dem Vernehmen nach aber nur rund die Hälfte der Ratsmitglieder für eine Abwahl gestimmt. Der umstrittene Brandbekämpfer kann also im Amt bleiben.
So kam es zu der Rücktrittswelle bei der Feuerwehr
Das ist am Donnerstag passiert:
9.30 Uhr: So etwas hat es wohl noch in keiner deutschen Stadt gegeben: In Nordenham haben nach einer denkwürdigen Sondersitzung des Stadtrates am Mittwochabend ein Großteil der Feuerwehr-Führungskräfte ihren Rücktritt erklärt - inklusive Stadtbrandmeister und stellvertretender Stadtbrandmeister.
Das hat der bisherige Stadtbrandmeister Christian Stahl am Donnerstagmorgen der „Kreiszeitung Wesermarsch“ mitgeteilt. Zwar müsse der Rat diesen personellen Entscheidungen noch zustimmen. Doch er und auch die anderen betroffenen Führungskräfte fühlten sich ab sofort „dienstunfähig“, so Christian Stahl.
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11.45 Uhr: Der Rücktritt nahezu der gesamten Führungsmannschaft der Nordenhamer Feuerwehren hat auch die Stadt Nordenham in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Die fehlende Zwei-Drittel-Mehrheit des Stadtrates für die Abwahl eines aus Sicht des bisherigen Stadtbrandmeisters Christian Stahl nicht mehr tragbare Führungskraft hat unter anderem Sonja Brödje und Raphael Wermke vom Amt für Ordnung und Soziales eine schlaflose Nacht bereitet.
Aktuell laufen nach Auskunft von Stadt-Pressesprecherin Ivonne Solbrig Gespräche mit Kreisbrandmeister Ralf Hoyer, der noch in der Nacht das Kommando über die Nordenhamer Feuerwehren übernommen hat. Der Brandschutz in Nordenham sei gewährleistet, so die Sprecherin. Ivonne Solbrig hat eine Presseerklärung der Stadt Nordenham angekündigt, die in der Mittagszeit verschickt werden soll.
13.50 Uhr: „Das ist ein Desaster“, sagt Christian Stahl im Gespräch mit unserer Redaktion. Nordenhams oberster Feuerwehrmann ist aktuell weiterhin als Stadtbrandmeister im Dienst - und zwar so lange, bis der Rat und der Bürgermeister ihn abberufen. Doch Christian Stahl hat erklärt, dass er nicht einsatzbereit, momentan mental nicht in der Lage sei, die Feuerwehr zu leiten.
Das gelte auch für seinen Stellvertreter Jan-Dirk Balz und für den Großteil der Ortsbrandmeister und deren Stellvertreter, so Christian Stahl. Zwölf von 16 Führungskräfte der Nordenhamer Feuerwehren haben nach der Sitzung des Stadtrates, die am Mittwochabend laut Christian Stahl von 18 Uhr bis Mitternacht dauerte, ihren Rücktritt erklärt.
Stadtbrandmeister: „Es steht ungeheuer viel auf dem Spiel“
Was hat sich die Führungskraft, die auf Wunsch des Stadtbrandmeisters und anderer Feuerwehrchefs ihres Amtes enthoben und aus der Feuerwehr ausgeschlossen werden sollte, geleistet? Christian Stahl hält sich bedeckt. Es gehe um Unterstellungen und diverse Verfehlungen im Dienst. Das Vertrauensverhältnis zu dem Mann sei „unwiederbringlich zerstört“, sagt Christian Stahl. Und zur aktuellen Situation: „Das ist ein schwerer Schlag für die Feuerwehr. Es steht ungeheuer viel auf dem Spiel.“
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14 Uhr: Ivonne Solbrig, Sprecherin der Stadt Nordenham, äußert sich in einer Presseerklärung zur aktuellen Situation. Sie bestätigt, dass am Mittwoch eine nicht-öffentliche Stadtratssitzung stattgefunden hat, in der es um eine personalrechtliche Angelegenheit der Feuerwehr gegangen sei. „Der Stadtrat hat eine Entscheidung getroffen, die weitreichende Folgen für den Brandschutz in Nordenham hat“, teilt Ivonne Solbrig mit. Aufgrund der Tragweite der Entscheidung werde das Thema an diesem Donnerstag erneut in einer nicht-öffentlichen Sitzung behandelt. „Der Bürgermeister appelliert an alle Beteiligten, sich in Ruhe mit der Situation auseinanderzusetzen und gemeinsam eine Lösung zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger zu finden“, heißt es in der Presseerklärung der Stadt.
Kreisbrandmeister passt Alarm- und Ausrückeordnung an
Um nach dem Rücktritt eines großen Teils der Führungskräfte der Feuerwehr kurzfristig die Sicherstellung des Brandschutzes zu gewährleisten, sei von Kreisbrandmeister Ralf Hoyer die Alarm- und Ausrückeordnung angepasst worden. Das, so Ivonne Solbrig, sei notwendig gewesen, „da abschließend nicht bekannt ist, welche Führungs- und Einsatzkräfte zur Verfügung stehen“. Der Rat müsse jetzt gemäß Paragraf 1 des Niedersächsischen Brandschutzgesetzes für eine leistungsfähige Feuerwehr sorgen.

Ralf Hoyer, Kreisbrandmeister des Landkreises Wesermarsch, hat noch in der Nacht die Alarm- und Ausrückeordnung der Feuerwehren geändert. Foto: Heilscher
16.13 Uhr: Auch Kreisbrandmeister Ralf Hoyer war bei der Sondersitzung des Stadtrats am Mittwochabend dabei. Als nach sechs Stunden die Entscheidung gegen die Amtsenthebung eines Mitglieds des Stadtkommandos gefallen war, sei er zu Bürgermeister Nils Siemen gegangen und habe diesem gesagt, dass er die Einsatzbereitschaft der Nordenhamer Feuerwehren nicht mehr als gegeben ansehe. Der Nils Siemen ist in der Sache Ralf Hoyers erste Ansprechpartner, weil der Bürgermeister die Verantwortung für den Brandschutz in Nordenham trägt.
Künftig wird bei jedem anstehenden Einsatz Vollalarm ausgelöst
Ralf Hoyer hat noch in der Nacht die Alarm- und Ausrückeordnung dahingehend geändert, dass es ab sofort bei jedem anstehenden Einsatz einen Vollalarm gibt, also alle sieben Wehren alarmiert werden. So will der Kreisbrandmeister sicherstellen, dass genügend Leute und Fahrzeuge ausrücken. Sollte er feststellen, dass das nicht geschieht, wird er die Feuerwehren der umliegenden Städte- und Gemeinden hinzuziehen. Die Stadt- und Gemeindebrandmeister der Wesermarsch haben noch in der Nacht per WhatsApp eine entsprechende Info erhalten. Informiert hat Ralf Hoyer auch Landrat Stephan Siefken und den Regierungsbrandmeister.
Eine spannende Frage ist, ob die Rücktritte der Führungskräfte dazu führen werden, dass auch Einsatzkräfte in größerer Zahl hinschmeißen.
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17 Uhr: In der Feuerwache an Strehlener Straße herrscht eine Stimmung wie auf einer Beerdigung. Der Großteil der rund 200 Feuerleute aus den sieben Ortswehren ist zusammengekommen. Wer es jetzt noch nicht wusste, hat erfahren, was in der vergangenen Nacht passiert ist. Einige Feuerwehrleute haben Tränen in den Augen.
Sechs Ortswehren sind nicht einsatzbereit, weil sich die Einsatzkräfte mit ihren Führungskräften solidarisch erklären und sich von ihren Ortsbrandmeistern haben beurlauben lassen. 150 Feuerwehrleute haben ihre Funkmeldeempfänger abgegeben. Damit ist die Befürchtung des Kreisbrandmeisters wahr geworden. Nur die Ortswehr Abbehausen ist aktuell noch einsatzbereit.
Von der Ratssitzung am Mittwochabend berichten Mitglieder des Stadtkommandos, dass sie sich nicht wie in einer Anhörung, sondern wie bei einer Vernehmung gefühlt hätte. Jeder habe einzeln vor den Rat treten, die anderen den Saal verlassen müssen. Manche Ratsmitglieder hätten ihre Frage immer wieder umformuliert - in der Hoffnung, das zu hören, was sie offenbar hören wollte. Annegret Conrady, Vorsitzende des Ausschusses für Feuerwehr und Gefahrenabwehr des Stadtrats, bestätigt in der Zusammenkunft in der Feuerwache, dass die Sitzung am Mittwochabend genau so abgelaufen sei, wie es die Feuerwehrchefs schildern.