TErfolgsmodell in Stade: Im Coworking-Space arbeiten täglich andere Menschen

Thomas Rackow und Alexandra Kleine-Natrop bieten seit zweieinhalb Jahren Coworking-Plätze in Stade-Ottenbeck an. Foto: Helfferich
Noch sind sie rar, die Coworking-Spaces im Kreis Stade. Ein Paar bietet in Stade-Ottenbeck Arbeitsplätze zum Teilen an. Corona half ihnen bei dem Geschäftsmodell.
Stade. Wenn Thomas Lutterbeck sein Kind mit dem Lastenrad aus der Stader Innenstadt in die Kita nach Ottenbeck bringt, bleibt er in der Nähe. Nur 300 Meter weiter meldet sich der Informatiker im Coworking-Place im Heidbecker Damm an und arbeitet bis zum Ende der Kita-Zeit dort, um dann mit dem Nachwuchs wieder nach Hause zu radeln.
Im März 2022 eröffneten Alexandra Kleine-Natrop und Thomas Rackow den Coworking-Place. Beide sind selbstständig; er als IT-Berater, die Diplompädagogin als Beraterin für Selbstständige und Unternehmer. Und sie wissen: Als Selbstständiger ist man mitunter einsam.
Bianca Schütz, 33 Jahre alt, ist vor zwei Jahren von Hamburg nach Harsefeld gezogen. Sie ist Datenanalystin und arbeitet zweimal die Woche im Coworking in Ottenbeck, ansonsten im Homeoffice. „Ich bin den ganzen Tag mit Excel-Tabellen und Zahlen beschäftigt. Da tut es gut, auch mal Kollegen zu treffen“, sagt sie. Außerdem gebe es hier die bessere Ausstattung als zu Hause.

Bianca Schütz nutzt zweimal pro Woche einen der Coworking-Plätze in Ottenbeck. Foto: Helfferich
Niklas Nörnberg, 42, wohnt in Ottenbeck und ist Nutzer der ersten Stunde. An zehn bis zwölf Tagen pro Monat arbeitet der IT-Berater an einem der neun mietbaren Arbeitsplätze. „Ich bin schnell hier, wenn ich Ruhe brauche, und hier ist eine gute Infrastruktur vorhanden“, sagt der Vater zweier Kinder.
Innovationszentrum
T Sie kümmert sich um Firmengründer in Stade
Leaderregion
T Arbeiten im Bauwagen statt Pendeln? Coworking machts möglich
Studie: Coworking kann Landflucht bremsen
Aus den Großstädten sind solche Coworking-Spaces nicht mehr wegzudenken. Alexandra Kleine-Natrop und Thomas Rackow hatten lange überlegt, ob dieses Modell des Zusammenlegens und Teilens von Arbeitsplätzen auch in Stade Erfolg haben könnte.
Ende 2020 veröffentlichte die Bertelsmann-Stiftung eine Studie zu Coworking im ländlichen Raum und gab den Überlegungen der beiden Netzwerker einen Schub. Denn die Studie zeigte auf, dass Coworking-Angebote auf dem Land dafür sorgen können, den Wegzug aus Dörfern und Kleinstädten zu bremsen.
Im Januar 2021 starteten sie mit den Recherchen für ihr Projekt. Sie erstellten eine Internetseite und fragten das Interesse ab. Schon nach einem Monat hatten sie 60 positive Rückmeldungen. Zuerst prüften sie Standorte in der Innenstadt. Doch dann wurde im Heidbecker Damm die ehemalige Tierarztpraxis in direkter Nachbarschaft des Paares frei. Alexandra Kleine-Natrop und Thomas Rackow schufen dort insgesamt neun Arbeitsplätze in drei Räumen. Auch sie selbst buchen sich fast täglich dort ein.
Einzelhandel
T Was das Aus von Brokelmann für Stades Innenstadt bedeutet
Bankenwesen
T Er ist der neue Chef bei den Rittern in Stade
Ein Viertel der Deutschen arbeitete 2022 im Homeoffice
Wenngleich die Corona-Pandemie den Coworkern nicht unmittelbar in die Karten spielte, schickte sie doch flächendeckend Arbeitskräfte ins Homeoffice; nach Erhebung des Statistischen Bundesamtes fast 25 Prozent der Erwerbstätigen im Jahr 2022. „Arbeitgeber erkannten, dass man nicht in der Firma sitzen muss, um produktiv zu sein“, sagt Thomas Rackow.

In diesem Raum hat Coworking Stade sechs Arbeitsplätze eingerichtet. Er lässt sich durch die rollbaren Tische schnell zu einem Schulungsraum umfunktionieren. Foto: Helfferich
Remote ist das Stichwort - ein Arbeitsmodell, das es ermöglicht, seinen Job fernab eines klassischen Arbeitsplatzes zu erledigen. Das hat Vorteile, etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch Nachteile: Vereinsamung und fehlender Austausch. Alexandra Kleine-Natrop und Thomas Rackow haben einen Ort geschaffen, wo beides möglich ist: wohnortnahes Arbeiten und der Austausch mit anderen Menschen.
Auch Schulungen sind hier möglich
Die Räume können unterschiedlich genutzt werden: Der größte Raum mit sechs rollbaren Arbeitsplätzen bietet sich auch als Schulungsraum an. Er wird unter anderem von einer Hundeschule genutzt, die Hundetrainer ausbildet. Dann gibt es ein Zweier-Büro und einen Einzelraum als Rückzugsmöglichkeit, wenn etwa jemand sehr viel telefonieren muss, so Thomas Rackow. Die meisten Mieter bringen ihren eigenen Laptop mit, aber es stehen auch sechs Monitore zur Verfügung. Außerdem gibt es eine kleine Küche mit acht Sitzplätzen.

Hier kommen die Coworking-Nutzer zum Plausch zusammen. Foto: Helfferich
Nutzer und Nutzungszeiten sind sehr unterschiedlich. Es gebe einen jungen Mann, der inzwischen in New York lebt, aber für das Schreiben seiner Doktorarbeit wieder nach Stade gekommen ist. „Der sitzt hier regelmäßig und schreibt bis in die Nacht“, erzählt Alexandra Kleine-Natrop. Eine Hamburger Firma habe hin und wieder ein Meeting im großen Raum. Oktober und Mai seien bisher starke Monate gewesen, berichtet Thomas Rackow. Dagegen sei es in den Sommerferien eher mau.
Durchschnittlich gebe es 80 Nutzer pro Monat. Im vergangenen Jahr habe es einen so großen Andrang gegeben, dass Interessenten sich vorher einbuchen mussten. Die Tageskarte kostet 27 Euro inklusive Büroausstattung, Internet, Schließfachmiete, Kaffee und Wasser. Ein Halbtagesticket (bis vier Stunden) gibt es für 16,50 Euro. Wer eine 20er-Karte kauft, erhält 20 Prozent Nachlass.
Im Unterschied zu Großstädten sähen sich die Coworker im ländlichen Raum nicht als Konkurrenz, so Alexandra Kleine-Natrop. „Wir helfen uns gegenseitig. Ziel ist, dass Coworker innerhalb von 15 Minuten einen Arbeitsplatz mieten können.“ So gibt es einen Austausch mit dem Coworking-Projekt der Leaderregion Kehdingen-Oste. Weitere Coworking-Spaces im Landkreis Stade gibt es unter anderem in Steinkirchen (freiraum) und in Buxtehude (Coworking Buxtehude).