TEx-Fredenbecker Thomas Koch: So wird die Heim-EM zum Erfolg

Beim EM-Endspiel 2016 in Krakau traf Thomas Koch (links) seinen ehemaligen Fredenbecker Mitspieler Christian Schwarzer, der bei dem Turnier in Polen als TV-Experte im Einsatz war. Foto: Privat
Der frühere Bundesligaspieler des VfL sagt, was für die DHB-Auswahl von heute an wichtig wird. Der Langener sieht aber auch eine düstere Prognose.
Den letzten großen Titel der deutschen Handball-Nationalmannschaft hat Thomas Koch hautnah miterlebt. Als die Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB) im Jahr 2016 in Polen Europameister wurde, fieberte der frühere Bundesligaspieler des VfL Fredenbeck und langjährige Handball-Trainer als Zuschauer beim 24:17-Finalsieg gegen Spanien in der Tauron Arena in Krakau auf der Tribüne mit. Koch ist guter Dinge, dass das Team von Bundestrainer Alfred Gislason bei der am Mittwoch beginnenden Heim-EM ebenfalls um die Medaillen mitspielen wird.
Testspiele gegen Portugal ohne große Aussagekraft
Dass der EM-Gastgeber bei den beiden Generalproben gegen Portugal noch einige Schwächen offenbarte, bereitet dem ehemaligen Coach des TV Langen und des TSV Bremervörde kein Kopfzerbrechen. Gislason habe die Testspiele genutzt, um möglichst vielen Spielern die Gelegenheit zu geben, sich vor Turnierbeginn noch mal zu zeigen. Angesichts der Tatsache, dass der EM-Kader noch nicht lange zusammen sei, müsse man Schwächen in den Abläufen nicht zu großen Wert beimessen.
„Für mich war die wichtigste Erkenntnis: Das Publikum ist da. Die Mannschaft ist in beiden Spielen getragen worden. Der Heimvorteil wird im Laufe des Turniers ein wichtiger Faktor werden“, war Koch von der Stimmung bei den Tests in Flensburg und Kiel angetan.
Auch wenn die beiden schleswig-holsteinischen Handball-Hochburgen nicht zu den EM-Spielorten zählen, wird die Begeisterung laut Koch andernorts genauso groß sein: „Deutschland ist eine Sportnation, das haben die anderen großen Turniere wie die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 oder die Europameisterschaft der Basketballer 2022 gezeigt.“
Auftakt zur Heim-EM
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Vom Torhüter-Duo wird viel abhängen
Rückenwind von den Rängen wird allein aber nicht genügen, damit das DHB-Team die Vorgabe des isländischen Bundestrainers, wenigstens ins Halbfinale vorzustoßen, umsetzen kann. „Vieles wird von den Schlüsselspielern abhängen, insbesondere von den Torhütern“, setzt Koch Hoffnungen in das Duo Andreas Wolff/David Späth. Auch der „überragende Individualist“ Juri Knorr, von dessen Impulsen das deutsche Angriffsspiel lebt, müsse an sein Limit gehen.
Insgesamt ist Koch aber angetan davon, welche Möglichkeiten die deutsche Mannschaft vor allem in der Offensive hat: „Man sieht es im Handball mittlerweile selten, dass man aus zehn, elf Metern aufs Tor wirft. Man versucht es eher über Durchbrüche. Wir haben aber im Rückraum wieder Spieler, die aus größerer Entfernung werfen können. Diese Fähigkeiten muss man nutzen.“
Keine Konkurrenz zum Basketballer und Eishockey
Dass die Eishockey-Nationalmannschaft im vergangenen Jahr Silber bei der Weltmeisterschaft gewonnen hat und die deutschen Basketballer sogar Weltmeister wurden, könnte den DHB in die Lage versetzen, bei der Heim-EM nachlegen zu müssen, um im Kampf um Platz zwei hinter „König Fußball“ nicht zurückzufallen. Eine besondere Drucksituation für die Handballer kann Koch jedoch nicht erkennen: „Diese Erfolge sind für den deutschen Sport einfach klasse gewesen. Die Konkurrenz zwischen den Verbänden sehe ich da nicht.“
Vielmehr sei es so, dass das DHB-Team in die Heim-EM befreiter gehen könne als in frühere Turniere. „Die Erwartungshaltung ist nicht mehr so, dass man vor großen Turnieren sagt: Wir müssen Weltmeister oder Europameister werden. Gegenüber den anderen Nationen hat man in den vergangenen Jahren schon ein bisschen den Anschluss verloren“, erklärt der 64-Jährige, der Geschäftsführer des Golfclubs Hainmühlen-Bremerhaven ist.
Von Heim-EM keinen Impuls für den Nachwuchs
Pessimistisch bewertet Koch die Auswirkungen eines möglichen deutschen EM-Erfolgs auf die Jugendarbeit in den Vereinen. Die Vormachtstellung des Fußballs sei so groß, dass ein Boom bei Kindern und Jugendlichen nicht zu erwarten sei: „Wir haben das auch nach 2007 nach dem Gewinn des Titels bei der Heim-WM gesehen. Das ist größtenteils verpufft.“
Einen Spieler wie Rolf Herrmann wird es wohl nicht mehr geben
„Vom TV Schiffdorf abgesehen ist der Sport in unserer Region von der Landkarte verschwunden“, lautet das ernüchternde Fazit des Experten. Ein Spieler wie Rolf Herrmann, der es von Bremerhaven aus zum Profi und Nationalspieler gebracht habe, sei nicht in Sicht. „Die Anzahl der Handball spielenden Mädchen und Jungs ist in unserer Region verschwindend gering“, weiß Koch.
Ohne Eintrittskarten für die Vorrunde
An seiner Handball-Begeisterung ändern die trüben Aussichten nichts. Für die Vorrundenspiele gegen die Schweiz, Nordmazedonien und Frankreich hat sich Koch zwar nicht um Eintrittskarten bemüht. Der frühere Bundesligaspieler schließt aber nicht aus, in der späteren Turnierphase dazuzustoßen - dann auch wie vor acht Jahren gerne wieder im Finale.