TForschungsprojekt: So will dieser Golfclub zum Vorbild für andere werden
Projektleiterin Renate Lühning und Geschäftsführer Björn Muschinsky. Foto: Scholz
Akkurates Grün, kaum Insekten: Ein bundesweites Forschungsprojekt will die Insekten- und Pflanzenvielfalt auf Golfplätzen fördern. Ein Club aus dem Landkreis Stade nimmt daran teil und lässt seine Anlage fit machen.
Buxtehude. Wenn Renate Lühning Golf spielt, ist sie ganz auf den Sport fokussiert. „Dann sehe ich links und rechts kaum etwas“, sagt sie. Doch wenn sie mit einer „anderen Intention“ über den Platz geht, nimmt sie auch die Tiere abseits des Grüns wahr. Begeistert erzählt sie von Springfröschen, Spechten und Langohrfledermäusen.
Renate Lühning ist Biologin, hat ihr halbes Leben lang Ökologie unterrichtet und bezeichnet sich selbst als „Anwältin für jemanden, der die Hand nicht heben und sagen kann: Da liegt etwas im Argen“.
Hoffnung in der Biodiversitätskrise
Was Lühning meint: In der Natur stimmt etwas nicht. Laut einer deutschen Studie aus dem Jahr 2017 ist die Biomasse von Fluginsekten, also die zusammengerechnete Masse dieser Insekten, innerhalb von 27 Jahren um mehr als 75 Prozent zurückgegangen.
„Das hat mich sehr berührt“, sagt Lühning. Naturschutzverbände sprechen von einem dramatischen Insektensterben, von einer Biodiversitätskrise, von geschwächten Ökosystemen. Doch es gibt Hoffnung.
Renate Lühning sitzt an einem Dienstagmittag im Büro des Golfclubs Buxtehude in der Ortschaft Daensen und erklärt, dass die Golfplätze einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten können. Dazu hat der Deutsche Golfverband (DGV) gemeinsam mit vier deutschen Universitäten das auf sechs Jahre angelegte Forschungsprojekt GolfBiodivers gestartet. 64 Golfanlagen in Deutschland nehmen daran teil - auch der Golfclub Buxtehude unter der Projektleitung von Renate Lühning.
Golfplätze haben viel Potenzial
Doch wie passen Golf und Naturschutz zusammen? Akkurat gestutzte Bahnen mögen für die Mitglieder optisch attraktiv sein, für Insekten und Vögel sind sie es kaum. Auf vielen Anlagen überwiegen „artenarme Graseinsaaten, triviale Gehölzbestände und Zierpflanzenbeete, die nur wenige Bestäuber und andere Nützlinge anziehen“, erklärt das Bundesamt für Naturschutz (BfN), das das Projekt mit 2,7 Millionen Euro fördert.
Dennoch bescheinigt das BfN den 725 Golfplätzen in Deutschland ein großes Potenzial für den Schutz der biologischen Vielfalt. Der Geschäftsführer des Golfclubs Buxtehude, Björn Muschinsky, erklärt, dass es neben den Spielbahnen Flächen gibt, auf denen noch mehr für den Naturschutz getan werden kann.

Idyllisch: Die beiden Golfer mögen die schöne Natur des Deinster Golfclubs, den auch viele kleine Teiche auszeichnen. Foto: Archiv
Deinster Geest verzichtet auf Chemie
In Zeiten, in denen Golfplätze wegen ihres Wasserverbrauchs in der Kritik stehen und Klimaaktivisten Golflöcher mit Zement füllen, scheint ein Umdenken stattzufinden. So meint der Geschäftsführer des Golfclubs Deinster Geest, Tim Steffens, dass es für jeden Golfplatzbetreiber eine Selbstverständlichkeit sein sollte, die Natur zu schützen.
Die Deinster nehmen zwar nicht am Projekt teil, sind aber stolz auf ihre Blumenwiesen, die unberührten Flächen abseits der Bahnen, die große Artenvielfalt an Fledermäusen und den Verzicht auf Pestizide und Fungizide. „Wir setzen jetzt schon in der neunten Saison keine chemischen Mittel ein, auch wenn manche Kunden finden, dass das Grün optisch nicht immer so schön aussieht“, sagt Steffens. Für ihn ist das eine Frage der Einstellung.

Projektleiterin Renate Lühning und Geschäftsführer Björn Muschinsky. Foto: Scholz
Golfclub achtet bereits auf Umwelt
Auf der 72 Hektar großen Anlage in Buxtehude setzte man schon vor Projektbeginn auf Streuobstwiesen, Vogel- und Fledermauskästen und säte regionale Samenmischungen aus. In den vergangenen Jahren wurde die Anlage mit verschiedenen Zertifikaten des DGV ausgezeichnet und hat sich laut Geschäftsführer Muschinsky dadurch für die Teilnahme am bundesweiten Projekt GolfBiodivers empfohlen.
Betreut wird der Golfplatz in Buxtehude von den Wissenschaftlern der Universität Kiel um die Doktorandin Pia Tappe. In Absprache mit dem Golfclub haben sie nach einer Landschaftsanalyse eine drei Hektar große Fläche ausgewählt, die nun während der kommenden sechs Jahre untersucht und optimiert werden soll - ohne den Spielbetrieb zu stören.
Naturphänomene
Rosskastanien wehren sich gegen Klima und Miniermotte
So gehen die Forscher vor
Inzwischen sind 32 Anlagen in das Projekt gestartet. Die Vorgehensweise ist überall gleich. So wird auf der ausgewählten Fläche zunächst ein Biodiversitätsbausatz installiert, das heißt, es werden unter anderem Flachlandmähwiesen, Blühstreifen und Saumvegetation angelegt und beim Heckenschnitt Totholz liegen gelassen. Man will herausfinden, wie sich das auf die Zahl der Tagfalter, Heuschrecken, Wildbienen, Vögel und Fledermäuse auswirkt. Die Ergebnisse sollen dann auf andere Golfanlagen in Deutschland übertragen werden.
Das Projekt soll aber nicht nur die Golfplätze insektenfreundlicher machen, sondern auch die Akzeptanz des Golfsports fördern und einen Beitrag zur Umweltbildung leisten. Die Mitglieder der Golfclubs sollen bei der Zählung der Tiere mithelfen, die Greenkeeper sollen geschult und Workshops für Schulklassen angeboten werden. „Das ist eine große Chance“, sagt Geschäftsführer Muschinsky. Sein Club könnte zum Vorbild für andere werden.