TFricke-Chef: Klares Statement zu Migration und Bauernprotesten

Die Heeslinger Landmaschinenschau wird am zweiten März-Wochenende wieder viele Besucher anlocken. Foto: Fricke Gruppe
Mit 1,4 Milliarden Euro Umsatz ist die Fricke-Gruppe eines der größten Unternehmen in der Region. Firmenchef Hans-Peter Fricke über die aktuelle Geschäftslage und die große Politik.
Heeslingen. In diesem Jahr steht die Europawahl an, in Deutschland gehen 100.000 Menschen auf die Straße, um ein Zeichen für Demokratie und gegen Extremismus zu setzen. Dazu hat Hans-Peter Fricke, Inhaber und Geschäftsführer der Fricke-Gruppe aus Heeslingen, eine klare Meinung: „Wir sind überzeugte Europäer. Sowohl aus persönlicher als auch aus unternehmerischer Sicht.“
Im Interview führt er aus, warum die EU für sein Unternehmen so wichtig ist. Und er bezieht auch deutlich Stellung zu der aktuell immer wieder kontrovers diskutierten Migrationsfrage. Außerdem: Wie Hans-Peter Fricke die Proteste der Landwirte sieht, wie er die Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträgern beurteilt und was er über Traktoren mit Elektromotoren denkt.
Herr Fricke, Sie haben im vergangenen Jahr das 100-jährige Jubiläum der Fricke-Gruppe gefeiert. War das Jahr 2023 auch aus unternehmerischer Sicht ein Erfolg?
Hans-Peter Fricke: Ja, in Summe über alle Bereiche war es das. Wir haben im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1,4 Milliarden Euro erzielt. Derzeit merken wir, dass sich die Stimmung in der Branche leicht eingetrübt hat. Es wird von den Landwirten weiter investiert, aber der Landmaschinenhandel hat hohe Lagerbestände und es müssen höhere Zinsen gezahlt werden.

Hans-Peter Fricke, Geschäftsführer und Inhaber der Fricke-Gruppe in Heeslingen. Foto: Mike Auerbach
Sie sind mit den verschiedenen Unternehmenssparten in vielen Branchen unterwegs. Wie haben sich die einzelnen Bereiche entwickelt?
Etwa zwei Drittel unseres Geschäfts machen wir heute im Handel mit Ersatzteilen und ein Drittel im Maschinenhandel und Service. Bei den Ersatzteilen kommt der größte Anteil von Granit Parts. Dort konnten wir auch 2023 wachsen. Einer der Wachstumstreiber ist der Handel mit Baumaschinenteilen. Auch Trex.Parts, unser Joint Venture mit dem Hersteller Jungheinrich, wächst erfolgreich. Hier sind wir international aufgestellt und exportieren Ersatzteile für Gabelstapler in 65 Länder. Und auch Hofmeister & Meincke in Bremen ist gut ins neue Jahr gestartet. Hier investieren wir gerade in eine neue Immobilie am Standort Weyhe. Mit Saphir Maschinenbau haben wir 2023 einen großen Erfolg erzielt: Der Saphir Grindstar wurde mit dem Agritechnica Innovation Award ausgezeichnet.
Der wirtschaftliche Erfolg erfordert auch personelles Wachstum. Wie lösen Sie das Problem des Fachkräftemangels?
Als internationale Firmengruppe können wir attraktive Karrieren anbieten. Es gibt viele Beispiele von Azubis oder dualen Studenten bei uns, die mittlerweile als Führungskraft Teams oder ganze Unternehmensbereiche leiten. Heute arbeiten 277 Auszubildende und duale Studenten bei Fricke – so viele wie nie zuvor. Viele von ihnen nutzen das Angebot, für eine Zeit ins Ausland zu gehen und sich dort persönlich weiterzuentwickeln. Auch Quereinsteigern und ungelernten Mitarbeitenden aus der Logistik bieten wir Entwicklungschancen. Seit 2018 können sie an unserem Stipendium teilnehmen und ihre Ausbildung zum Fachlageristen absolvieren. Normalerweise dauert diese Ausbildung zwei Jahre. Bei uns erwerben die Stipendiaten ihre Zulassung zur Abschlussprüfung innerhalb eines dreimonatigen Intensivkurses. Aktuell konnte ich 19 Absolventen zur bestandenen Prüfung gratulieren. In Summe haben wir schon 84 Mitarbeitende qualifiziert.
Insgesamt profitieren unsere Mitarbeitenden von attraktiven Arbeitsbedingungen, dazu kommen Highlights wie unser Mitarbeiter-Festival im Sommer - 2023 mit den Fantastischen Vier, in diesem Jahr kommt H. P. Baxter von Scooter nach Heeslingen. Wir müssen uns an dieser Stelle immer wieder neu erfinden. Am Ende geht es darum, allen Mitarbeitenden Wertschätzung entgegenzubringen, damit sie gerne für uns arbeiten und mit uns wachsen.
Die Fricke-Gruppe wächst also an ganz verschiedenen Orten. Vor einem Jahr haben wir über die Expansion in die USA und den Bau eines Logistikzentrums im saarländischen Tholey gesprochen. Auch am Hauptsitz Heeslingen planen Sie einen weiteren Ausbau des Lagerbereichs. Welche Unterstützung bekommen Sie von der Politik?
Wir erleben an den Standorten unterschiedliche Unterstützung. Als wir 2022 unsere ersten Schritte in den USA gemacht haben, waren wir vom Support durch die Gemeinde Roann in Indiana überwältigt. Die Genehmigung für den Bau der Halle hatten wir in acht Tagen. Die Kosten waren 20 Dollar. 2023 haben uns sogar der Bürgermeister von Wabash und der Präsident des Grow Wabash County in Heeslingen besucht. Das war eine große Geste.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit der Politik in Deutschland aus?
In Deutschland sind wir aktuell auf den Neubau in Tholey fokussiert. Die Arbeiten haben gerade begonnen und wir planen den operativen Start für Anfang 2026. Die Unterstützung im Saarland ist ebenfalls groß. Das würden wir uns auch in Heeslingen wünschen. Wir merken an den anderen Standorten, wie aktive Wirtschaftsförderung, gemeinsame Initiativen und das offene Gespräch viel Positives bewirken können. Es kann nicht zielführend sein, dass zwischen Grundstückskauf und Baubeginn für eine Halle in Heeslingen mehrere Jahre liegen. Es ist bedrückend, wie wenig Interesse die Politik in Deutschland generell an der mittelständischen Wirtschaft zeigt. Man hört uns nicht zu. Überall auf der Welt wird alles dafür getan, um Unternehmen zu halten oder anzusiedeln. Bei uns scheint man zu glauben, dass unsere Volkswirtschaft ohne Unternehmen auskommen kann, die Arbeitsplätze schaffen und Steuern zahlen.

Eine Visualisierung des neuen Logistikzentrums im saarländischen Tholey. Foto: Fricke Group
Kritik an der Politik kam auch von Ihren Kunden, den Landwirten. Sie haben sich klar positioniert. Warum haben Sie Verständnis für die Unzufriedenheit der Landwirte?
Die Ankündigung des Wegfalls der Kfz-Steuerbefreiung und die schrittweise Abschaffung der Agrardiesel-Rückerstattung war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es waren Entscheidungen, die in Berlin getroffen wurden, ohne sich vorher mit den Landwirten auszutauschen. Viele Landwirte fühlen sich fremdbestimmt und gegängelt. Es herrscht das Gefühl vor, dass die Politik sich nicht für den ländlichen Raum interessiert. Ich kann das nachvollziehen, es fehlen verlässliche Rahmenbedingungen.
Warum bieten die Hersteller noch keine Traktoren mit E-Antrieb an? Damit wären Landwirte unabhängig vom Diesel.
Im Gegensatz zu anderen Fahrzeugen braucht ein Traktor auf dem Feld mehrere hundert PS über die gesamte Einsatzzeit hinweg, und hat so einen extrem hohen, konstanten Energiebedarf. Dieser lässt sich aktuell nicht sinnvoll aus Akkus decken. Ein Bus im ÖPNV benötigt nur zum Anfahren die volle Leistung und kann dann mit weniger Leistung fahren.
In diesem Jahr steht die Europawahl an, in Deutschland gehen tausende Menschen auf die Straße, um ein Zeichen für Demokratie und gegen Extremismus zu setzen. Wie stehen Sie zu diesen Themen?
Wir sind überzeugte Europäer. Sowohl aus persönlicher als auch aus unternehmerischer Sicht. Europa steht für 70 Jahre Wohlstand, Sicherheit und Freiheit. Deutschland ist eine Exportnation, wir brauchen Europa. Unsere Unternehmensgruppe macht über 50 Prozent des Geschäfts im EU-Ausland. Natürlich muss man kritisieren, dass es in der EU viel Bürokratie gibt. Aber die Vorteile der EU überwiegen. Nationalismus ist im Gegensatz dazu nicht nur eine Gefährdung für unsere Demokratie und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, sondern auch für den Standort Deutschland.
Auch das Thema Migration steht in der öffentlichen Diskussion. Wie sehen Sie dieses Thema?
Wir brauchen Migration. Bei uns in Heeslingen arbeiten Menschen aus 25 Nationen. Ohne die Leistung dieser Mitarbeitenden würden unsere Prozesse in der Logistik nicht mehr funktionieren. Deutschland braucht Arbeitskräfte aus dem Ausland, um die Auswirkungen des demografischen Wandels auszugleichen. Wichtig ist, dass wir sie an die Arbeit bekommen. Entwicklungen wie beim Bürgergeld oder unflexible Asylverfahren bei Mitarbeitern mit in Deutschland abgeschlossener Ausbildung sehen wir kritisch. Andere Länder machen vor, wie es besser geht.
Welchen Einfluss hat der Angriffskrieg in der Ukraine auf ihr Geschäft?
Wir stehen nach wie vor fest an der Seite unseres Teams in der Ukraine, dort wird weiter produziert. Die Moral der Ukrainer ist bewundernswert. Wir hoffen, dass sich die Situation für unsere Kolleginnen und Kollegen bald verbessert und die militärische Unterstützung durch die USA doch noch positiv beschieden wird.